Kommentar: Öffis und Corona
Laut interner Regierungsprotokolle hat Kanzler Kurz die Angst vor Corona bewusst geschürt. Diese Strategie war doppelt erfolgreich: Die Ansteckungsrate wurde drastisch gesenkt. Auf der anderen Seite verändert es eine Gesellschaft, wenn in jedem Mitmenschen eine potentielle Virenschleuder gesehen wird. Das hat auch dramatische Auswirkungen auf die Öffentlichen Verkehrsmittel, in denen „social distancing“ schwierig ist. Wer hat und wer kann, fährt mit dem Auto. Das hat auch die Regierung kräftig gefördert. So steht (Auto)-Pendler*innen auch bei Homeoffice das Pendlerpauschale zu, während Zeitkartenbesitzer*innen ihre nunmehr nutzlosen Fahrkarten schon bezahlt hatten. Autofahrer*innen bekamen also Kosten – die sie gar nicht hatten – per Pauschale teilweise refundiert, die meisten Öffi-Nutzer*innen bleiben darauf sitzen.
Wie kann man aber das Vertrauen in die Öffentlichen Verkehrsmittel wiederherstellen? Die Sozialpartner haben eine „Fahrgast-Charta“ erarbeitet, in der grundlegende Vorsichts- und Hygienemaßnahmen festgeschrieben werden. Der berühmte Meter Sicherheitsabstand ist in der Hauptverkehrszeit in Öffis unmöglich. Man kann aber aus der Not eine Tugend machen: Niemand wünscht sich die zur Stoßzeit überfüllte Wiener U-Bahn zurück. Die Corona-Krise kann zum Anlass genommen werden, das Verkehrsgeschehen entspannter und angenehmer zu gestalten. „Entzerrung“ und Verlagerung sind die Zauberworte. So könnten Arbeit und Schulen zeitversetzt beginnen, das Recht (aber nicht Pflicht!) auf Homeoffice wäre auch eine Option. Gehen ist gesund, doch fußgängerfreundliche Verkehrspolitik ist das Stiefkind fast aller österreichischen Gemeinden. Viele mittlere Distanzen lassen sich auch mit dem (E)-Fahrrad zurücklegen. Doch hier fehlt es an attraktiven Radwegen und diebstahlssicheren Abstellmöglichkeiten. Einerlei, ob Radeln oder Gehen: Dafür wird zusätzlicher Platz benötigt, der in Städten nur auf Kosten des Autoverkehrs geschaffen werden kann. Der Verteilungskampf um Fahrbahnen und Parkplätze muss geführt werden. Ebenfalls jener, wenn es um die Finanzierung der Öffis geht.