Politik

Endstation Ausschreibungszwang

Im Schienenverkehr gibt es viel öffentliches Geld zu holen. Leistbare und gute Bahnverbindungen werden nämlich öffentlich gestützt um die kostengünstige und bequeme Mobilität aller zu gewährleisten. Funktionierende Bahnen sind letztlich die beste Antwort auf Dauerstau, exorbitanten Flächenverbrauch der Pkw und Umweltprobleme. Der Verkehrsträger Schiene wird aber weitaus geringer subventioniert als beispielsweise der Straßenverkehr, wenn alle Kosten fairerweise mit einbezogen werden.

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Konkret geht es im Schienenverkehr um fast 870 Mio. Euro an öffentlichen Geldern jährlich. Der Großteil davon, nämlich 80%, wird vom Verkehrsministerium bezahlt. Der Rest kommt von den Bundesländern, die das Angebot des Bundes durch ihre regionalen Bedürfnisse ergänzen. Diese Gelder gehen an die ÖBB und zahlreiche weitere Privatbahnen wie Stern und Hafferl, die Badner Bahn oder die Salzburger Lokalbahn. Gelder, die dafür verwendet werden, den Verkehr auch in jenen Regionen günstig anbieten zu können, wo ein kostendeckender Betrieb nicht möglich ist. Ergänzt werden diese sogenannten „gemeinwirtschaftlichen Verkehre“ durch Zugverbindungen auf denen Gewinn erwirtschaftet wird. Diese „eigenwirtschaftlichen Verkehre“ sind zumeist Städteverbindungen im Hochgeschwindigkeitsbereich, etwa die Strecke zwischen Wien und Salzburg.

Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen werden in Österreich „direkt“ vergeben. Das bedeutet, dass ein Bahnunternehmen ohne vorherige Ausschreibung beauftragt wird. Die Vergabe erfolgt aber nach strengen Kriterien und muss vorab angekündigt werden. Eine klare, transparente und nachvollziehbare Bewertung der Abgeltung (streckenbezogene Kosten- und Einnahmenzuordnung) im Sinne der EU-rechtlichen Vorgaben findet ebenso statt wie die Definition des Umfangs und der Qualität der zu erbringenden Leistungen. Ergänzt wird dies durch ein Bonus-Malus-System, bei dem die Abweichungen vom geforderten Leistungsumfang und den vereinbarten Qualitätskriterien sanktioniert werden.

Mit dem derzeitigen System fährt Österreich gut

Das System der Direktvergabe hat sich bewährt und bewährt sich auch in anderen europäischen Ländern. 71 Prozent aller Personenverkehrsleistungen in Europa werden per Direktvergabe bestellt. Die Direktvergabe genießt auch innerhalb der Bevölkerung eine sehr hohe Akzeptanz. So wollen 87% der Wiener den öffentlichen Verkehr vor Privatisierung schützen (Wiener Volksbefragung 2013). Gleichermaßen unterstreichen die Bahnen und die Gewerkschaften in der Initiative „Bahn in Rot Weiß Rot“ (bahninrotweissrot.at - siehe auch Aktion) die Performance und die Notwendigkeit des derzeitigen günstigen Systems. Dennoch wird dieses System gerade eben in Frage gestellt. Der Ruf nach mehr Wettbewerb und nach verpflichtenden Ausschreibungen wird lauter, obwohl sich die Ergebnisse der Direktvergabe durchaus sehen lassen können. 

Für Österreich äußert sich das im besten Bahnsystem Europas. In keinem anderen EU-Land wird mehr Bahn gefahren als in Österreich. So fahren die Österreicher 1.427 km pro Person im Jahr, gefolgt von Frankreich mit 1.387 km. Die Paradebeispiele von „gelungenen“ Ausschreibungsregimes Deutschland und Großbritannien kommen auf 1.121 bzw. 1.020 km pro Person und Jahr. Unangefochtener Spitzenreiter am gesamten Kontinent ist dabei die Schweiz (2.449 km), ein Land, das im Bahnverkehr auf Kooperation und Direktvergabe setzt. Die versuchten Schweizerischen Ausschreibungen (etwa beim „Thurgo“) haben sich als Irrweg erwiesen und wurden zurückgenommen.

Gemäß einer Studie der unabhängigen Schienenregulatoren Europas liegt Österreich auch bei den Ticketpreisen mit seiner Direktvergabe im sensationellen Spitzenfeld der westeuropäischen Staaten. Deutschlands Ausschreibungsverfahren sind mit 9,1 Cent je Passagierkilometer teurer als die Österreichische Direktvergabe (8,0 Cent). Im europäischen Schnitt berappt man 10,7 Cent. Negativer Spitzenreiter, mit unglaublichen 19 Cent je Passagierkilometer, ist das völlig liberalisierte Großbritannien. 

Österreichs BahnkundInnen sind, natürlich mit weiterem Verbesserungsbedarf, sehr zufrieden, jedenfalls rangieren unsere Bahnen immer im Spitzenfeld. Die Pünktlichkeit der Züge ist in Österreich auch wesentlich höher als im liberalisierten Deutschland. Die Gegenüberstellung der KundInnenzufriedenheit (Eurobarometer 2012) und dem Liberalisierungsgrad (Liberalisierungsindex 2011) aller EU-Länder zeigt allgemein, dass die Behauptung, das Ende der Direktvergabe und weitere Liberalisierungen würden zu zufriedeneren KundInnen führen, schlicht falsch ist. 

Das derzeitige österreichische System ist für die Fahrgäste einfach und komfortabel. Wer von Neusiedl am See nach Wien pendelt, kann jeden beliebigen Zug nehmen, unabhängig davon, ob Railjet, REX oder Schnellbahn und auch unabhängig davon, ob der Zug von der ÖBB oder der GYSEV geführt wird. Ganz selbstverständlich kann man auch mit einem Ticket der Wiener Linien in diesen Pendlerzug, etwa bei der Station „Grillgasse“ zusteigen. Es gilt auf allen Strecken: Ein Tarif und ein Fahrscheinsystem. In Österreich gibt es nur eine Bahn, die private Westbahn AG, bei der man mit VOR-PendlerInnentickets oder Top-Jugend- SchülerInnentickets nicht mitfahren darf.

Keine automatischen Einsparungen durch Liberalisierung und Ausschreibung

Bei den Belastungen für den öffentlichen Haushalt zeigt sich europaweit ein sehr uneinheitliches Bild. Aufgrund der lückenhaften Datenlage sind eindeutige Rückschlüsse auf die Belastungen für die SteuerzahlerInnen nicht seriös darzustellen. Strittig dabei ist vor allem die Höhe der Mehrkosten, die in anderen Bereichen anfallen, etwa gestiegenen Kosten für die Arbeitslosenversicherung durch Massenentlassungen, geringere Nachfrage aufgrund gesunkener Löhne, Kosten der Beteiligung an einer Ausschreibung, Kosten der Durchführung einer Ausschreibung uvm. Eine Studie des Instituts für Kommunale Wissenschaften in Linz geht von einem durchschnittlichen Gesamtkostenanstieg von ca. 13,5 % aus. Die Transaktionskosten würden dabei 33% der Gesamtkosten ausmachen.

Zum Teil können aber durchaus Effizienzsteigerungen festgestellt werden. Die Studie „20 Jahre Bahnreform und Deutsche Bahn“ stellt für Deutschland fest, dass die Bestellerentgelte pro Personenkilometer verringert werden konnten. Im gleichen Zeitraum stiegen aber in Deutschland die Kosten für einen gefahrenen Zugkilometer.

Allgemein ist in Deutschland festzustellen, dass die Zahl der Anbieter stark rückläufig ist. Es ist mitunter schwierig, ausreichende Angebote einholen zu können. Zudem zeigt Großbritannien, dass eine Liberalisierung oft nur am Anfang Einsparungen bringt und letztlich das Gesamtsystem viel teurer wird. Mittlerweile zählen die britischen Bahnen zu den teuersten in ganz Europa. Wenig verwunderlich daher, dass bereits 2011 eine Studie zu dem Schluss kam, dass durch die Liberalisierung weder die Kosten des Systems noch die staatlichen Subventionen gesenkt werden konnten.

Alles in Allem sind Ausschreibungen im Schienenverkehr wohl nicht in der Lage das bewährte Österreichische System adäquat zu ersetzen. Weder werden damit automatisch Steuergelder gespart, noch sind die KundInnen zufriedener. Es ist zu befürchten, dass Ausschreibungen langfristig teurer sind, dass Vorzeigeunternehmen im Besitz der Republik oder der Bundesländer fahrlässig gefährdet werden und dass die Liberalisierung noch stärker dazu führt, dass PendlerInnen und SchülerInnen nicht mehr „gut genug“ zum Mitnehmen sind.