Kontroverse: Mehr Lkw-Maut für die Umwelt?
Pro: Lkw-Maut-Zuschläge bringen Entlastung für die Allgemeinheit bei Folgekosten.
Zugesprochene Elfmeter müssen wirklich getreten werden! Seit mehr als zwei Jahrzehnten fordert Österreich bei der EU mehr Kostenwahrheit im Schwerverkehr ein, weil der Lkw nicht nur bei der Straßenbenützung, sondern auch entlang des Weges Folgekosten durch Luftverschmutzung und Lärm verursacht. Seit 2011 können wir dies auch EU-rechtlich innerhalb von Höchstgrenzen und Rahmenbedingungen umsetzen. Mautzuschläge mit einem Potenzial von maximal 100 Millionen Euro könnten demnach zweckgewidmet für vermeidende Maßnahmen oder zur Errichtung von Bahnstrecken verwendet werden. Nur, es scheitert am Veto der Wirtschaft. Rund zwei Drittel der Lkw-Mauteinnahmen auf Österreichs Autobahnen stammen von Lkw mit ausländischem Kennzeichen. Viele davon sind Transit-Lkws oder „steuerschonend im Ausland angemeldete“ Brummis. Die Auswirkung der Lkw-Maut auf den Endpreis für KonsumentInnen und die Belastung für die „österreichische Wirtschaft“ ist bei einem Mautaufschlag marginal.
Reeller dagegen sind die von Lkw verursachten Gesundheitskosten. Über Verkehrslärm klagt in Österreich jeder Dritte, besonders entlang von Autobahnen, wo weniger Privilegierte leben. Bei der lebensverkürzenden Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung hat der Lkw einen entscheidenden Anteil bei Krankheiten (z. B. Herz und Kreislauf, Reizung der Atmungsorgane). Da steckt nicht nur menschliches Leid, sondern auch Geld dahinter. Wenn berufstätige Eltern mit dem Kind wegen Asthmaanfällen zum Arzt gehen müssen, zahlen Arbeitnehmer- und ArbeitgeberInnen in Österreich dies sehr wohl in Form von Sozialversicherungsbeiträgen und Krankenständen. Mit einem Mautzuschlag könnte man intelligente Maßnahmen zur Entlastung von stark befahrenen Autobahnabschnitten finanzieren und Lkw-Folgekosten vermeiden. Ohne Mautzuschlag bleiben aber eben die „exterritorialen“ Lkw außer Obligo, weil sie mit dem herkömmlichen Steuersystem schwer greifbar sind. Es geht bei dieser Debatte, wie es in der Ökonomie so schön sperrig heißt, eben um eine „Internalisierung der externen Kosten“. Anders gesagt, der Verursacher, und nicht die Allgemeinheit über das allgemeine Budget, soll für diese Folgekosten zahlen. Bei einem bereits bestehenden Lkw-Mautsystem kann man dieses abstrakte Konstrukt leicht umsetzen und die Wirtschaft mit „richtigen Preisen“ versorgen.
Die Wirtschaftskammer tritt ebenso für den Ausbau der Brenner- und der Baltisch-Adriatischen Achse (Südbahnachse) als „Infrastrukturdrehscheibe für den Wirtschaftsstandort Österreich“ ein. Bezahlen sollen den milliardenschweren Tunnelausbau am Brenner, Semmering und an der Koralm – neben bescheidenen EU-Zuschüssen – aber ausschließlich die SteuerzahlerInnen. Auch hier gilt: Beim Ausbau dieser transeuropäischen Verkehrswege sollen wirklich auch alle Akteure bezahlen. Zur Orientierung: die Baukosten des Koralmtunnels alleine sind auf rund fünf Milliarden Euro veranschlagt, das jährliche Aufkommen aus einem Mautzuschlag zur Querfinanzierung dagegen mit knappen 20 Millionen Euro. Ein solcher Beitrag der Wirtschaft ist zumutbar, wenn einem der Wirtschaftsstandort wirklich ernst ist. Deshalb ist die AK für diese Mautoption. Der Elfmeter muss verwertet werden!
Con: Österreich hat im EU-Vergleich bereits sehr hohe Mauttarife für Lkw und Busse.
Seit nunmehr bereits zehn Jahren unterliegen hierzulande Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen einer fahrleistungsabhängigen Mautpflicht („Lkw-Maut“). Fahrzeuge bis zu diesem Gewichtslimit bezahlen eine pauschale, zeitabhängige Maut (Vignette). Nun wird niemand bestreiten, dass Österreich im Bereich der fahrleistungsabhängigen Maut, d.h. im Wesentlichen für Lkw und Busse, im EU-Vergleich ein sehr hohes Mauttarif-Niveau hat. Der Grund dafür ist rasch erklärt: Im Gegensatz zur Vorgangsweise in den anderen EU-Mitgliedstaaten hat man in Österreich in den letzten Jahren jede Möglichkeit genutzt, um die Tarife für die Lkw-Maut weiter zu erhöhen. Die letzte Anhebung der Lkw-Mauttarife um stolze rund acht bis neun Prozent ist übrigens erst mit 1. Jänner 2014 erfolgt.
Die Unternehmen finanzieren über die hohen und bereits ökologisch gestaffelten Lkw-Mautgebühren den größten Anteil am Ausbau (inkl. Erhaltung und Betrieb) des hochrangigen Straßennetzes. Warum bei der Nutzung der Straßeninfrastruktur darüber hinaus auch noch zusätzlich die Infrastruktur anderer Verkehrsträger mitfinanziert werden soll, konnte bislang nicht schlüssig dargelegt werden.
Nichtsdestotrotz hat Österreich zusätzliche Maut-Aufschläge für Schienenprojekte eingeführt. Am Beispiel des vor zwei Jahren auf der A12 Inntal-Autobahn zwischen Kufstein und Innsbruck eingeführten Querfinanzierungszuschlags zeigen sich inzwischen die negativen Auswirkungen deutlich. Die zusätzliche Kostenbelastung durch diesen Maut-Aufschlag trifft die heimische Wirtschaft überproportional stark. So führt allein dieser Zusatz-Aufschlag für ÖBB-Projekte zu Mehrkosten für einzelne Tiroler Unternehmen in der Größenordnung von bis zu 300.000 Euro pro Jahr. Dass derartige Beträge erst einmal erwirtschaftet werden müssen, ist klar und die Konsequenz ebenso: Einige Industriebetriebe prüfen bereits konkret die Verlagerung von Produktionsprozessen ins benachbarte Ausland. Es muss nicht weiter ausgeführt werden, dass damit auch Arbeitsplatzverluste in der betroffenen Region im Raum stehen.
Nicht nachvollziehbar ist daher das standortschädliche Ansinnen, diesen Aufschlag in den kommenden Jahren weiter anzuheben sowie die Aufschläge möglicherweise auf zusätzliche Straßenabschnitte entlang des Südbahnkorridors auszuweiten. Dies gilt umso mehr, als die vom Verkehrsministerium verfolgten „verkehrspolitischen Lenkungseffekte“ damit nicht erreicht werden. Für den internationalen Transit-Verkehr bedeuten die hohen Mauttarife auf dem in Relation zur Gesamtstrecke kurzen Abschnitt durch Österreich keine wesentliche Verteuerung. Die heimischen Unternehmen hingegen müssen ihre Fahrten ständig auf diesen Hochmautstrecken zurücklegen.
Leider ist die verkehrspolitische Diskussion in Österreich oft vom „Feindbild Lkw“ geprägt. Würde man sachlicher an bestimmte Themen herangehen, müsste man erkennen, dass beispielsweise von den viel zitierten „externen Kosten“ des Straßenverkehrs drei Viertel auf den Personenverkehr entfallen und nur ein Viertel auf den Güterverkehr. Auch werden die anderen Verkehrsträger völlig ausgeklammert. Ob es dafür eine sachliche Begründung gibt, ist ebenfalls zu hinterfragen.