Schwerpunkt

Verteilungsgerechtigkeit

Ohne Verteilungsgerechtigkeit keine Klimapolitik

Die menschengemachte Klimaerhitzung ist eine mittlerweile unbestrittene Realität. Laut den weltweiten Temperaturmessungen der WMO (World Meteorological Organization) war das Jahr 2024 das heißeste der Messgeschichte. Die Durchschnittstemperatur der Erdatmosphäre lag um mehr als 1,5 Grad Celsius über dem langjährigen Durchschnitt. Damit rückt das Ziel des Pariser Klimaabkommens, den Temperaturanstieg dauerhaft unter 1,5 Grad Celsius zu halten, in immer weitere Ferne.

Sowohl bei der Emissionsminderung von Treibhausgasen als auch bei der Anpassung an die Folgen des geänderten Klimas spielen Verteilungsfragen eine herausragende Rolle. Was ist damit gemeint? Nicht alle Menschen haben gleich viel zur Klimakrise beigetragen und nicht alle Menschen sind gleich stark davon betroffen. In beiden Fällen wiederholt sich ein Muster, das auch von anderen Umweltproblemen bekannt ist: Die Reichen tragen überdurchschnittlich viel zur Entstehung des Problems bei, sind aber unterdurchschnittlich von den Folgen betroffen.

Arten der Ungleichheit

Ungleichheit ist ein vielschichtiges Phänomen. Die meisten denken bei Ungleichheit wohl zuerst an das Einkommen. Während die Einkommens­ungleichheit in vielen Staaten der EU im letzten Jahrzehnt sank, ist sie in Österreich gestiegen. Noch deutlich größer als die Einkommensungleichheit ist in praktisch allen Staaten die Vermögensungleichheit. In Österreich gibt es keine Vermögenssteuer. Daher können Vermögen hier praktisch ungehindert angehäuft werden. Deshalb gehört Österreich zu den Ländern mit der größten Ungleichheit bei der Verteilung von Vermögen. 

Die Ungleichheit bei Vermögen geht mit der ungleichen Verteilung zwischen Kapital und Arbeit einher. Denn wesentliches Kapitalvermögen haben nur einige wenige Personen. Auch wenn sich die Eigentümer gern hinter Firmenkonstruktionen verstecken, stehen am Ende der Eigentumskette von Unternehmen fast immer Privatpersonen (oder ihre Stiftungen). Die einzige Ausnahme ist das öffentliche Eigentum, also Unternehmen, die einer Gebietskörperschaft (Bund, Länder, Gemeinden) oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts gehören.

Der weit überwiegende Teil des Kapitalvermögens in Österreich gehört einer kleinen Zahl von Privatpersonen. Das Kapital ermöglicht ihnen, Macht und Einfluss auszuüben. Deshalb können die wenigen wirklich Reichen die Bedingungen für eine Vermögenskonzentration immer weiter verbessern, wie die Ökonomen Pirmin Fessler und Martin Schürz im Jahr 2018 nachweisen konnten. Gleichzeitig verhindern Vermögende erfolgreich, dass ihr Vermögen angetastet wird, etwa wenn es um die Finanzierung von Klimaschutz geht. Aus dieser Form der Ungleichheit folgt: Menschen, die von ihrer Arbeit leben, finanzieren direkt oder über ihre Steuern die Maßnahmen gegen die Klimakrise, während die wenigen Menschen, die von ihrem Kapitalbesitz leben, ihren Einfluss geltend machen, damit sie keinen Beitrag leisten müssen. 

Emissionen und Ungleichheit

Wer emittiert eigentlich wie viel an Treibhaus­gasen? Diese Frage klingt einfach, doch die Antwort hängt davon ab, wem die Emissionen zugeordnet werden. Wenn jemand Auto fährt, ist es ziemlich unbestritten, dass die CO2-Emissionen des Autos dieser Person zugerechnet werden. Schwieriger wird es mit den Emissionen, die bei der Produktion des Autos entstanden sind, etwa bei der Erzeugung des Stahls, aus dem es gefertigt wurde. Sollen diese den Eigentümer:innen der Autos zugerechnet werden? Oder anteilig der Person, die damit fährt? Oder den Besitzer:innen des Stahlwerks oder der Autofabrik? (siehe Schwerpunkt-Artikel: Emissionen und Ungleichheit) 

Die Frage nach der Zurechnung zielt auf die Verantwortung für die Emissionen. Wenn Emissionen reduziert werden sollen, kann sich der Staat an dieser Verantwortung orientieren und von den Verantwortlichen die Minderung der Emissionen verlangen. Es gibt freilich verschiedene Möglichkeiten, die Verantwortung zu definieren. Eine naheliegende Möglichkeit besteht darin, zu ermitteln, wer von bestimmten Vorgängen profitiert, bei denen Emissionen entstehen. Wer also den Profit davon hat, sollte auch verantwortlich gehalten werden. Das sind in erster Linie die Kapitalbesitzer.  

Verteilung zwischen Unternehmen und Haushalten

Der Staat kann sich aus dieser Diskussion heraushalten, indem er einen Preis für die Emissionen festlegt, beispielsweise in Form einer CO2-Steuer. Wer die Steuerlast schlussendlich zu tragen hat – die Frage nach der sogenannten Steuerinzidenz –, ergibt sich durch die Marktkräfte: Das Unternehmen, das die Steuer zunächst zu entrichten hat, wird versuchen, die zusätzlichen Kosten im Preis für die Produkte unterzubringen. Je nach Marktverhältnissen kann es einen kleineren oder größeren Teil davon auf die Kund:innen überwälzen. 

Wenn Konsument:innen keine Ausweichmöglichkeiten haben, können die Unternehmen die Kosten der Steuer in vollem Umfang auf sie abwälzen. Dann zahlen die Endkund:innen die gesamte Steuer. Dies kann aber unter Umständen zu einer politisch brisanten Situation führen. Gerade bei Gütern des täglichen Bedarfs – etwa Elektrizität im Haushalt oder Wärme zum Heizen – können Preissteigerungen gravierende gesellschaftliche Folgen haben. Beispielsweise hat der Anstieg des Gaspreises infolge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine dazu geführt, dass sich die Zahl der Haushalte, die ihre Wohnung nicht angemessen warm halten können, gegenüber dem Jahr 2021 verdoppelt hat. 

Als Alternative zu Steuern werden oft Ge- und Verbote gefordert – auch von der Arbeiterkammer. Anstatt also die Emission von Treibhausgasen zu besteuern, kann der Staat eine Verminderung dadurch bewirken, dass er bestimmte Produkte und Produktionsweisen verbietet. Beispielsweise wird der Einsatz von Ölheizungen im Neubau verboten oder die Einhaltung bestimmter Luftgrenz­werte vorgeschrieben. Um solche Vorschriften erfüllen zu können, müssen Unternehmen in Anlagen investieren und manchmal höhere laufende Kosten tragen. Für die dadurch erhöhten Produktionskosten gilt im Wesentlichen das Gleiche wie für die Steuerinzidenz: Unternehmen versuchen, die Kosten durch höhere Preise auf die Kund:innen zu überwälzen. Daher muss auch bei Ge- und Verboten auf soziale Wirkungen geachtet werden.

Gerechte Preise

Eine andere Möglichkeit, die übergebührliche Belastung der Haushalte zu vermeiden, ist die Preisregulierung. Dabei verhindert der Staat mit geeigneten Mitteln, dass Unternehmen die Kostensteigerungen auf die Kund:innen überwälzen. Derartige Eingriffe stoßen allerdings in der heutigen, neoliberal geprägten Wirtschaftspolitik auf viel Widerstand der Unternehmen. In der Bevölkerung trifft die Vorstellung eines „gerechten Preises“ jedoch auf breite Zustimmung. Preiseingriffe werden von der Bevölkerung durchaus als probates Mittel der Politik gesehen.

Die Klimakrise mit ihren vielfältigen Veränderungen wirkt sich auf verschiedene Personengruppen unterschiedlich aus. Weltweit gesehen, leben beispielsweise 80 Prozent der ärmsten Menschen in Regionen, die besonders stark von negativen Auswirkungen der Klimaerhitzung betroffen sind, wie ein Bericht der UNO kürzlich zeigte. Ähnliche Muster finden sich auch im Kleinen: In Wien wohnen ärmere Menschen eher in Gegenden, die durch Lärm und Hitze belastet sind. Eine Studie der Universität für Bodenkultur in Wien hat kürzlich darauf hingewiesen, dass bei Maßnahmen gegen Hitzebelastungen – etwa Begrünungen in der Stadt – darauf geachtet werden sollte, ärmere Menschen nicht dadurch zu verdrängen, dass die Wohnungspreise aufgrund der höheren Attraktivität plötzlich steigen.

Reiche Menschen sind in ihren Wohngegenden nicht nur von den Klimaänderungen weniger stark betroffen, sie haben auch deutlich mehr Möglichkeiten, auf Extremereignisse zu reagieren. Sie können Vorsorge- und Schutzmaßnahmen treffen, sie können im Katastrophenfall leichter ausweichen, und sie können notfalls aus einem gefährdeten Gebiet einfach wegziehen. 

Gerechte Verteilung schafft Zustimmung

Kollektive Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sowie die Aufräumarbeiten und Reparaturen nach Katastrophen werden zumeist von der öffentlichen Hand getragen. So gab der Bund nach dem Hochwasser 2024 mehr als eine Milliarde Euro für die Behebung von Schäden aus. Da ein wesentlicher Teil des Steueraufkommens aus der Besteuerung von Arbeitseinkommen stammt, bedeutet dies, dass diese Maßnahmen primär von den Beschäftigten gezahlt werden. Gelder, die der Staat für die Behebung von Schäden durch die Klimakrise verwendet, stehen für andere staatliche Aufgaben – etwa für Bildung oder Gesundheit – nicht mehr zur Verfügung. Wenn der Sozialstaat weniger Geld hat, wirkt sich das negativ auf eine gerechtere Verteilung aus.

Auf vielen Ebenen zeigt sich, wie Klimaschutz und Klimawandelanpassung mit Verteilung und Gerechtigkeit zusammenhängen. Das Muster, dass Menschen mit niedrigen Einkommen wenig Verantwortung für die Klimakrise tragen, unter deren Folgen aber besonders leiden, zieht sich durch alle Gesellschaften. Eine gerechte Klimapolitik darf nicht auf die Zurufe der Reichen hören, sondern muss an der Betroffenheit und den Möglichkeiten der Vielen in der Gesellschaft ausgerichtet werden. Nur dann kann sie mit der notwendigen Zustimmung für weitreichende Veränderungen rechnen.