Leben

Mode-Recycling als moderner Ablasshandel

Seit einigen Jahren gibt es vor allem bei großen Modeketten sogenannte „Take-Back“-Systeme. Große Boxen fordern Konsument:innen dazu auf, alte, aussortierte Kleidung direkt beim Händler abzugeben. Die Unternehmen versichern, dass die retournierte Kleidung der Wiederverwendung oder dem Recycling zugeführt wird. Oft erhalten Konsument:innen für die Rückgabe einen Gutschein. Aus Sicht der AK ist dies Greenwashing: Einerseits wird das Gewissen der Konsument:innen entlastet, indem sie glauben, damit einen positiven Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Andererseits führt es zu keiner Änderung der Konsumpraktiken, da der Gutschein zu weiterem Kauf von Neuware lockt. Für die Unternehmen lohnt sich das in zweierlei Hinsicht: Sie vermitteln, nachhaltig zu agieren, gleichzeitig können sie ihren Absatz erhöhen. Einen relevanten ökologischen Beitrag, insbesondere durch Reduktion des Überangebots, leisten die Unternehmen jedoch nicht. 

Die Second-Hand-Masche 

Greenpeace hat mit einer aktuellen Recherche (siehe Kasten rechts) gezeigt, dass die versprochene Wiederverwendung der Alttextilien meist nicht stattfindet. Die Hälfte der Textilien landete in Afrika oder Asien. In manchen afrikanischen Ländern wie Ghana oder Kenia hat sich ein Second-Hand-Markt entwickelt, durch den die lokale Eigenproduktion leidet. Zugleich können nicht alle Altkleider verkauft werden und sie landen auf teilweise illegalen Deponien. Dort verschmutzen sie die Umwelt mit Mikroplastik und chemischen Rückständen. Mit Ultra-Fast Fashion nimmt dieses Problem exorbitant zu. Viele Konsument:innen glauben, sie würden auch sozial sinnvoll handeln, wenn sie Kleidung in Altkleidersammlungen geben. Im Jahr 2023 waren drei Viertel der Befragten einer gemeinsamen Studie von AK und Greenpeace der Meinung, dass Kleiderspenden anderen Menschen helfen, da diese die Kleidung benötigen. Tatsächlich wurden von den 45.000 Tonnen Altkleidern, die im Jahr 2018 in Österreich anfielen, laut Umweltbundesamt nur etwa 15 Prozent zur Wiederverwendung im Inland genutzt. Rund ein Drittel kam ins Ausland und ein weiteres Drittel wurde stofflich verwertet, beispielsweise als Dämmmaterial oder Putzlappen. 13 Prozent wurden im In- oder Ausland verbrannt. 

Der Recycling-Schmäh

Und das Recycling? Wenn Textilien nicht wiederverwendet werden, könnten sie immerhin recycelt werden – so wird den Konsument:innen suggeriert. Das ist in mehrfacher Hinsicht ein Trugschluss: Nur etwa ein Prozent der alten Kleidung wird in Fasern zerlegt und zu neuer Kleidung verarbeitet. Die Mehrheit der Stoffe lässt sich aufgrund von Mischgeweben (z. B. Baumwolle und Elasthan) nur sehr schwer und teuer wiederaufbereiten. Recycelte Kleidung ist immer häufiger in Modegeschäften zu finden. Diese besteht jedoch nicht aus alter Kleidung, wie viele Konsument:innen denken, sondern beispielsweise aus verarbeiteten Plastikflaschen. Auch hier werden Konsument:innen getäuscht. Recycling sollte aus Kreislaufwirtschaftsperspektive ohnehin nur der letzte Ausweg sein. Ökologischer und sinnvoller wäre neben Reduktion des Überangebots und der Wiederverwendung eine möglichst lange Nutzung.

Mode zum Wegschmeißen

Insbesondere Shein ist für seine kurzen Mode­zyklen bekannt. Der Konzern aus Singapur veröffentlicht täglich bis zu 1.000 neue Produkte auf seiner Online-Plattform. Ein T-Shirt kostet selten mehr als 10 Euro und ist damit günstiger als ein Kinobesuch. Billige Produktion bedeutet oft billige Machart. Die Kleidung besteht vor allem aus künstlichen Fasern und verschleißt schnell. Sie wird nur kurz getragen und ist somit ein Wegwerfprodukt. Die Studie von AK und Greenpeace zeigt: 30 Prozent der langärmeligen Oberteile werden nur maximal ein Jahr getragen. Grund für die baldige Entsorgung ist oftmals der Verschleiß. Die Qualität von Kleidung ist stark gesunken und es gibt für Konsument:innen keine Hinweise darauf beim Kauf. Biologisch und fair produzierte Ware bedeutet leider nicht automatisch gute Stoffqualität. Somit fehlen ausreichende Informationen für nachhaltige Kaufentscheidungen. Dies könnte sich mit einer Regulierung im Namen der Ökodesign-Verordnung bald ändern.

Die ökologischen Folgen

Prinzipiell sind sich Konsument:innen der hohen Konsummengen bewusst: 84 Prozent stimmen (sehr) zu, dass es ein Überangebot an Textilien am Markt gibt. Die globale Produktion von Textilfasern hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Fast Fashion, die seit den 1990er Jahren durch günstige Modeketten wie H&M oder Zara dominant wurde, ist heute bereits durch Ultra-FastFashion überholt. Konsument:innen fehlt jedoch noch das Wissen über die umwelt- und klimaschädlichen Folgen von hohem Textilkonsum. Die Textilbranche ist für zirka 10 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und diese Zahlen stammen noch von vor dem Aufkommen von Ultra-Fast Fashion! Die Branche gilt als einer der größten Wasserverschmutzer weltweit und schätzungsweise wird jede Sekunde eine Lkw-Ladung an Kleidung vernichtet. Darunter sind viele neue Kleidungsstücke, die nie verkauft wurden. 

Konsument:innen können einen Beitrag leisten, indem sie weniger Neues kaufen und ihre vorhandene Kleidung länger nutzen. Nicht mehr benötigte Kleidungsstücke sollten am besten im Freundeskreis weitergegeben oder bei Kleidertauschpartys getauscht werden, die immer häufiger von Privatpersonen oder gemeinnützigen Organisationen veranstaltet werden. Second-Hand (bzw. Vintage oder Pre-Loved) hat imagemäßig längst den Sprung aus der „Schmuddelecke“ geschafft und wird immer beliebter. Leider erschwert Ultra-Fast Fashion auch das Re-Use: Durch die geringe Stoffqualität kann die Kleidung oft nicht wiederverwendet werden. Dennoch sollte allen bewusst sein: Jedes nicht neu produzierte Kleidungsstück hilft, Ressourcen zu sparen