Schwerpunkt

Fleischkonsum

Weniger Fleisch bringt´s

Die weltweite Nachfrage nach Fleisch steigt in den Regionen der Welt ganz unterschiedlich an: In den traditionellen Ländern des Fleischkonsums wie Europa und den USA wächst der Konsum nur mehr langsam oder stagniert sogar, in den asiatischen Ländern hingegen boomt der Konsum. Die weltweite Produktion liegt bei rund 308 Millionen Tonnen Fleisch. Insbesondere bei Schweinen und Geflügel wächst der Markt, da diese beiden Tierarten das Futter besonders gut verwerten und auf engem Raum gehalten werden. Damit kann die Nachfrage nach billigem Fleisch gut abgedeckt werden. Die Produktion von Rindfleisch stagniert hingegen. Dafür hat Indien einen Markt für Büffelfleisch aufgebaut und verkauft dieses erfolgreich am Weltmarkt. Derzeit haben die Industrieländer noch die Oberhand am Weltmarkt, doch die Entwicklungs- und Schwellenländer drängen immer mehr in diesen Markt. 

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Unwürdige Haltung

Fleisch ist heute so billig wie noch nie: musste ein Industriearbeiter 1980 noch 92,7 Minuten für ein Kilogramm Schweinefleisch arbeiten, sind es im Jahr 2010 nur noch 32,2 Minuten. Laut einer Umfrage der „RollAMA“ der Agrarmarkt Austria (AMA) sind 45 Prozent der ÖsterreicherInnen der Meinung, dass „Fleisch zu einer ordentlichen Mahlzeit“ gehört. Fleisch gehört schon lange zum Wohlstand, daher ist es auch nicht verwunderlich, dass der Konsum von Fleisch- und Wurstwaren derzeit in den Schwellenländern wie Indien und China enorm ansteigt. Dieser hohe Fleischbedarf führt zu viel Tierleid und hohen Belastungen für die Umwelt. Die Tierhaltung ist vor allem auf Fleischproduktion ausgerichtet. Für Schweine und Hühner bedeutet dies, in kürzester Zeit so viel Muskelfleisch wie möglich ansetzen zu müssen, damit die Kosten niedrig bleiben – ein Masthuhn wird meist nach sechs Wochen geschlachtet. Hühner und Schweine werden in Massenställen gehalten, ohne dass sie je das Tageslicht erblicken. Die männlichen Ferkel werden kastriert, weil sie sonst einen für den menschlichen Genuss störenden Ebergeschmack entwickeln. 

Österreichs Puten und Hühnern geht es trotz Massentierhaltung aber im europäischen Vergleich noch besser. So liegt in Österreich die maximale Besatzdichte bei den Puten bei 42kg/m2, in Polen hingegen bei 70 kg/m2. Bei den Hühnern liegt diese Grenze bei 30kg/m2, im restlichen Europa bei 42kg/m2. Deshalb strebt die österreichische Geflügelwirtschaft höhere Besatzdichten auch bei uns an – im Gegenzug sollen die Bestimmungen bei der Tiergesundheit verbessert werden. 

Im Biolandbau geht es den Tieren besser: sie müssen jederzeit ins Freie können und ein besseres Platzangebot haben sie in der Regel auch. Aber auch hier gibt es aus Sicht des Tierwohls Verbesserungsbedarf: denn auch Bioferkel werden in den ersten sieben Tagen kastriert und ihr Schwanz wird kupiert – in Ausnahmefällen ist sogar die Anbindehaltung bei Rindern zugelassen.

Hohe Umweltkosten

Auch die Umwelt wird belastet: Die intensive Tiermast braucht viel Tierfutter, das größtenteils aus Südamerika importiert wird. Mittlerweile wird ein Drittel des weltweit angebauten Getreides als Tierfutter verwendet. In Nord- und Südamerika werden auf rund 15 Millionen Hektar Sojabohnen ausschließlich für den europäischen Bedarf angebaut – vorwiegend aus gentechnisch veränderter (GVO) Produktion. Diese Fläche fehlt den Menschen vor Ort für ihre eigene Ernährung. Zugleich hat dieser Anbau hohe negative Auswirkungen auf die Umwelt: Rodungen des Regenwaldes gefährden das Klima und die Artenvielfalt, die Böden und das Grundwasser werden durch den Pestizideinsatz verunreinigt. 

Österreich benötigt jährlich rund 570.000 Tonnen importiertes Soja-Futtermittel, davon stammen rund 75 Prozent aus GVO-Anbau. Eine Alternative für diesen Import kann mittelfristig „Donau-Soja“ sein. Die Initiative für das gentechnikfreie „Donau-Soja“ ist von Österreich ausgegangen – die Basis für die GVO-freie Zertifizierung bilden die Richtlinien in Österreich und Deutschland. Damit sollen die Importe aus Lateinamerika durch in Europa produziertes GVO-freies Soja abgedeckt werden. Im Jahr 2013 konnten rund 70.000 Tonnen GVO-freies „Donau-Soja“ auf dem Markt angeboten werden. Für 2014 stehen rund 200.000 Tonnen zur Verfügung. 

Unlautere Fleischbranche

In Deutschland waren über Jahre hinweg unfaire Löhne in der Fleischbranche an der Tagesordnung. Die großen Firmen wie Tönnies, Vion und Westfleisch beauftragten Fremdfirmen mit der Zerlegung von Rindern, Schweinen etc. Diese Firmen bezahlten ihren ArbeiterInnen, die größtenteils aus Polen, Rumänien und Bulgarien kommen, Durchschnittslöhne von drei bis fünf Euro pro Stunde. Erst unter der neuen Regierung von Merkel/Gabriel wurde vereinbart, dass es künftig Tariflöhne in allen Branchen geben müsse, ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde wurde festgesetzt. Deutschland konnte sich durch diese geringeren Lohnkosten einen Preisvorteil von 30 bis 40 Euro je Schwein erwirtschaften und seine Schweineschlachtungen innerhalb von zehn Jahren von 40 auf 60 Millionen pro Jahr steigern. Auch auf die österreichische Fleischbranche wuchs angesichts der unlauteren Bedingungen Deutschlands der Druck, die Kollektivvertragslöhne zu unterlaufen. Laut Angaben des ÖGB werden bei KollegInnen aus Ungarn und anderen EU-Ländern Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Überstundenzuschläge oft nicht ausbezahlt und statt FacharbeiterInnen immer öfter ungelernte Kräfte eingesetzt. 

Umweltverträglichkeit

Besonders große Tierhaltungsprojekte unterliegen in Österreich einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Laut Gesetz können sich „Intensivtierhaltungen vor allem als Geruchs- und Lärmbelästigungen, Luftemissionen, Abwasseremissionen, Beeinträchtigungen von Grund- und Oberflächenwasser sowie als Beeinträchtigungen von Böden durch Wirtschaftsdünger manifestieren“. UVP-pflichtig sind in Österreich Projekte ab einer Größe von 48.000 Legehennen, Junghennen oder Truthühnern, 65.000 Masthühnern, 2.500 Mastschweinen und 700 Säuen. 

Mit dieser UVP-Pflicht konnten aufgrund der Öffentlichkeitsbeteiligung in den vergangen Jahren zwei große Schweinemastprojekte abgewendet werden. Zu groß war die Sorge der Bevölkerung um Grundwasserbelastung und Geruchsbelästigung. 

Aber auch in Österreich werden immer mehr Tiere pro Betrieb gehalten: Hielten 1999 erst 74 Betriebe mehr als 800 Schweine pro Betrieb, waren es im Jahr 2010 bereits 644 Betriebe mit insgesamt rund 743.000 Schweinen

Fehlgeleitete Agrarförderungen

Berichte über die unwürdigen Haltungsbedingungen gab es in den vergangen Jahren viele – allerdings dauert es immer sehr lange, bis sich an den Haltungsbedingungen etwas ändert. Mitverantwortlich dafür ist auch eine fehlgeleitete Agrarpolitik. So werden herkömmliche Stallbauten mit europäischen und nationalen Fördergeldern im Rahmen des „Programms für die Ländliche Entwicklung“ seit 1995 unterstützt. Die Einhaltung der bestehenden Tierschutzstandards ist die Mindestanforderung bei dieser Förderung – eine besonders artgerechte Tierhaltung erhält einen höheren Fördersatz. Diese Art der Subventionierung erschwert Veränderungen bei Tierschutzstandards, und lange Übergangsfristen verzögern Verbesserungen im Tierschutz. Mehr als zwei Jahre wurde in Österreich das Verbot des Kastenstandes bei Schweinen diskutiert, um letztendlich Übergangsfristen bis 2033 zuzulassen. Einer der Gründe dafür waren die mit öffentlichen Mitteln geförderten Stallbauten für Schweine, die nicht sofort wieder umgebaut werden können. Besser wäre es, ausschließlich tierfreundliche Ställe mit genügend Platz und Auslauf im Rahmen dieser Förderprogramme zu subventionieren. Diese Chance wurde in Österreich allerdings wieder verpasst. Auch im künftigen „Programm für die Ländliche Entwicklung“ werden herkömmliche Ställe nach wie vor gefördert – vorerst bis 2020. 

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Weniger Fleisch ist gesünder

Weniger tierische Lebensmittel zu essen ist eine einfache und effektive Methode, die Umwelt zu schützen und sich selbst etwas Gesundes zu tun. Die EU-Studie „Food choices, health and environment: Effects of cutting Europe’s meat and dairy intake“ beschreibt, dass bei einer Reduktion des Fleischverbrauchs in der EU von derzeit 540 auf 285 Millionen Tonnen pro Jahr insgesamt 70 Millionen Tonnen mehr an Getreide für die menschliche Ernährung zur Verfügung stehen würden. Zudem könnten 75 Prozent der Sojaimporte reduziert und 23,7 Mio. Hektar Land, das derzeit als Weideland und zur Futtermittelproduktion gebraucht wird, für andere Zwecke genutzt werden. Für die Umwelt und die Menschen wäre es gut: Die Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft könnten um bis zu 40 Prozent reduziert werden. Nicht zuletzt hätte der reduzierte Fleischkonsum äußerst positive gesundheitliche Auswirkungen – Herzkreislauferkrankungen würden signifikant zurückgehen. So gesehen: „Weniger Fleisch bringt´s!“