Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Abfallwirtschaft: Kampagne gegen Mülldiebe

Pro: Geschätzter Schaden durch illegale Sammler: 20 bis 80 Millionen Euro für Altmetalle und Sperrmüll.

Eine Arbeitsgruppe unter dem Schlagwort „Verantwortungsvolles Wertstoffmanagement“ aus Kommunal- und Wirtschaftsvertretern beschäftigt sich seit drei Jahren mit der Verhinderung von Mülldiebstahl aus Österreich durch illegale Sammler aus Ungarn und der Slowakei.

Gemeinsam haben kommunale und private Entsorger sowie Vertreter von Landesregierungen die Kampagne: „Stopp dem illegalen Abfallexport!“ in die Medien gebracht, um die breite Bevölkerung darüber zu informieren, dass 

  • sich ein Haushalt, der Abfall an einen nicht befugten Sammler übergibt, strafbar macht,
  • sich ein/e Gemeinde/Gemeindeverband, dessen Mitarbeiter Abfälle an Sammler übergibt, strafbar macht,
  • die illegalen Sammler Sperrmüll und Altgeräte nicht für den Eigengebrauch sammeln, sondern zumeist im Auftrag clan­ähnlicher Strukturen tätig sind, die daraus einen massiven Gewinn ziehen,
  • entgangene Erlöse aus der Verwertung von Altstoffen (vor allem Altmetallen) die Müllgebühren früher steigen lassen.

Das Gutachten eines renommierten Umweltrechtsanwalts kommt zum eindeutigen Schluss, dass die mit Flugzetteln auftretenden Sammelbrigaden oder Kleinmaschinenbrigaden keine Sammelgenehmigungen in Österreich besitzen und somit illegal sind. Der geschätzte Schaden für die österreichische Volkswirtschaft geht von 20 bis 80 Millionen Euro für Altmetalle und Sperrmüll bzw. von 150 Millionen Euro aus, wenn man die illegal exportierten Alt-KFZ noch dazuzählt.

Die Polizei wurde um Unterstützung bei der Kontrolle und Konfiszierung von illegal gesammeltem Abfall ersucht. In den Bezirken, in denen verstärkte Kontrollen und Aufgriffe von illegalen Sammlern stattfinden, ist die Kleinkriminalitätsrate merklich zurückgegangen.

Die Arbeitsgruppe fordert vom Ministerium einen gültigen Erlass, wie in Österreich einheitlich gegen die illegalen Abfallsammler vorgegangen werden soll. Die kommunalen und öffentlichen Entsorger halten sich an die vielfältigen und strengen Abfallwirtschaftsgesetze und fordern deren Vollzug auch für diese Sammler, die die österreichische Volkswirtschaft schädigen.

Weil immer wieder gesagt wird, dass diese „armen Ungarn“ ja die noch brauchbaren Güter verwenden könnten, wird auch an Alternativen in Österreich gearbeitet. Die öffentliche Abfallwirtschaft bietet in vielen Fällen bereits jetzt die Abgabemöglichkeit für sinnvoll in Österreich weiterverwendbare Altwaren an (z.B. ReVital Shops in Oberösterreich oder 48er-Basar in Wien). Im Zuge der Umsetzung der Bestimmungen zur „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ nach der EU-Abfallrichtlinie wird in allen Bundesländern daran gearbeitet, gemeinsam mit sozialwirtschaftlichen Reparatur- und Verkaufsbetrieben zur Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und Geräten beizutragen und so Abfälle zu vermeiden. Die Abfallverbände laden daher die Haushalte ein, diese Möglichkeit zur sinnvollen Weiterverwendung auch zu nutzen, und diese Produkte nicht illegalen Sammelbrigaden aus dem Ausland zu übergeben.

Con: Wann kommt endlich ein flächendeckendes Angebot der Kommunen für die Förderung der Wiederverwendung?

Regelmäßig appelliert die Plattform „Stopp dem illegalen Abfallexport“ an Konsumenten und Bürger, ausgedienten Altwaren nicht an die „illegalen Kleinmaschinenbrigaden aus dem Osten“ zu übergeben. Das sei illegal und strafbar, schade Kommunen und Entsorgern und bewirke einen volkswirtschaftlichen Schaden von zehn Millionen Euro jährlich. Österreich verliere wertvolle Rohstoffe und es schade der Umwelt. Bemerkenswert ist die steiermärkische Landesregierung, die auf Flugblätter in allen Landessprachen die Praxis der informellen Sammlungen pauschal als illegal denunziert.

Kommunikativer und juristischer Overkill! Peinliche Aufgeregtheit. Die informellen Sammlungen als Konkurrenz für die Entsorger? Absurd sind die behaupteten Schäden: Aufmerksame Bürger haben schon gefragt, warum sie überhaupt noch Müllgebühren zahlen sollen, wenn Sperrmüll so wertvoll ist. Unredlich sind auch die juristischen Auskünfte, weil sie den springenden Punkt verschweigen: Illegalität beginnt erst dort, wo Gegenstände Abfall werden. Das ist aber solange nicht gegeben, wie sie noch funktionsfähig und von jemandem gewollt sind, um sie weiterzuverwenden. Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Steiermark hat die gegen eine Dame verhängte Strafe, weil sie ihr Kinderbett vor dem Grazer Bauhof an eine ungarische Familie übergeben hat, ersatzlos aufgehoben, weil das Bett völlig intakt und kein Abfall war. Dennoch informiert die Landesregierung so undifferenziert wie zuvor.

Die Plattform ist aus Opposition gegen das EU-Forschungsprojekt „Transwaste“ entstanden. Die Universität für Bodenkultur wollte mit ausländischen Partnern die informellen Sammlungen in Mittel- und Osteuropa untersuchen. Mag sein, dass die ersten Lösungsvorschläge nicht zielführend waren. Doch die Untersuchungen haben die Buntheit der Wirklichkeit und mögliche Verbesserungen aufgezeigt. Überwiegend sind es Familien, die einmal pro Woche ihr Leben damit aufbessern, dass sie funktionstaugliche Gegenstände für sich sammeln oder um sie auf Flohmärkten, z.B. in Ungarn, weiterzuverkaufen. Altmetalle sind nur selten erwünscht, weil die Erlöse kaum lohnen. Übrigens sind 20 Prozent der Sammler ÖsterreicherInnen!

Chauvinistische ausländerfeindliche Negativrhetorik ist da nicht gefragt. Die kommunale Abfallwirtschaft soll endlich flächendeckend etwas für die Förderung der Wiederverwendung (ReUse) tun, so wie das die EU-Abfallrichtlinie fordert. Fakt ist, dass Gegenstände immer öfter weggegeben werden, obwohl sie noch nicht kaputt sind. Viele Menschen wollen, dass die Chance auf ein zweites Leben gewahrt ist. Damit lässt man sie aber bislang alleine. Der Sperrmüllcontainer mit Strafandrohung ist da keine Antwort. 

Es gibt erst sehr wenige Angebote wie etwa die ReVital-Märkte in OÖ oder den 48er-Basar in Wien. Auch diese sollten noch um niederschwelligere Angebote ergänzt werden. Nicht jeder, der sich eine alte Kaffeemaschine holt, braucht eine Gewährleistungszusage. Der gerade arbeitslos gewordene 50-jährige Akademiker braucht anderes als ein langjähriger Obdachloser. Bedürfnisgerechtere Angebote braucht es auch hier, wo offenkundig Menschen betroffen sind, die im sozialen Rang weit unten an der Armutsgrenze stehen.