Schwerpunkt
Luftverschmutzung
Luftverschmutzung: Recht auf gesunde Luft?
Ein Recht auf gesunde Luft hat es im österreichischen Recht lange nur für Nachbarn von gewerblichen Betriebsanlagen gegeben. Und weiters über den nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch im ABGB, der über die Bezirksgerichte geltend gemacht werden muss. So konnte und kann man unzumutbar belästigende oder gesundheitsgefährdende Immissionen abwehren. Wohlgemerkt: nur gegen einen konkreten Verursacher kann man vorgehen. Und selbst da gibt es viele von den Gerichten eröffnete Lücken z.B. gegenüber Verkehrsanlagen. Die erste kleine Revolution brachte die EU-Umweltverträglichkeitsprüfung für große Projekte, die Nachbarn erstmals auch Schutz gegen große z.B. Verkehrsanlagen gewährte. Bis dahin lag es im Belieben des Gesetzgebers, solche Schutzansprüche zuzuerkennen, was „höchst sparsam“ erfolgte. Aber klagbare Rechte auf Erlassung eines behördlichen Aktionsplanes oder einer schützenden Verordnung? Das war bisher schlicht denkunmöglich.Genau diese Perspektive wird durch die Judikatur des EuGH zur EU-Luftqualitätsrichtlinie immer konkreter: Zentrale Bedeutung haben hier der Effektivitätsgrundsatz – Mitgliedstaaten müssen Richtlinien wirksam umsetzen – sowie die Aarhus-Konvention über die Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltschutz, die auch die EU ratifiziert hat. 2008 hat der EuGH im Urteil C-237/07 (Janecek) einem von Grenzwertüberschreitungen konkret Betroffenen das Recht gegeben, von der zuständigen Behörde die Erlassung eines Luftreinhalte-Aktionsplanes verlangen zu können. Aus dem Urteil ließ sich noch kein Anspruch auf bestimmte Einzelmaßnahmen ableiten. Den nächsten Akzent setzte der EuGH 2011 mit dem Urteil C-240/08 (slowakischer Braunbär), wonach Mitgliedstaaten Umwelt-NGOs Klagerechte bei Europarechtsverstößen zugestehen müssen. Im Urteil C-404/13 (Client Earth) aus 2014 hat der EuGH das zuständige nationale Gericht zur Erlassung der nötigen Anordnungen verpflichtet, wenn die für den Maßnahmenplan zuständige Behörde säumig ist. In Österreich hat der VwGH 2015 einem konkret betroffenen Grazer Ehepaar zugestanden, vom für die Maßnahmenverordnung zuständigen Landeshauptmann die Erlassung von wirksamen Maßnahmen verlangen zu können. Zwar sind die Anforderungen an den Nachweis der Betroffenheit nach wie vor hoch. De facto gibt es damit erstmal in Österreich ein Recht auf Erlassung einer Verordnung, was völlig neu ist.