Schwerpunkt

Weltklimapolitik

Interview mit Camila Moreno: UNO-Klimakonferenz in Paris

Was sind für aufstrebende Volkswirtschaften wie Brasilien die zentralen Fragen bei der COP 21?

Moreno: Länder, meist des globalen Nordens, wollen das Grundprinzip der Klimakonvention 1992, das bezüglich des Klimawandels zwar gemeinsame, aber unterschiedliche Fähigkeiten und sich unterscheidende Verantwortlichkeiten von Menschen und Ländern (CBDR–RC) anerkennt, in Frage stellen und umschreiben. Wachsende Wirtschaften des globalen Südens, z.B. die BRIC-Länder, sollen praktisch gleich behandelt werden wie Industrieländer. Das geht nicht. Schon alleine wegen des kolonialen Ballasts, der zu einem großen Teil für die Ungleichverteilung in der Welt verantwortlich ist. Niemand will sich vor seinen Verpflichtungen drücken. Deshalb schlägt Brasilien vor, dass „entwickelte Entwicklungsländer“ gemäß ihrer wachsenden Wirtschaften sukzessive mehr Verpflichtungen übernehmen (Concentric Differentiation Approach). 

Welche Rolle spielt die Handelspolitik der Industrieländer bei der Erreichung der Klimaschutzziele?

Moreno: Ein Hauptverursacher der Emissionen ist die Globalisierung der Wirtschaft. Man muss wissen, dass die Emissionen der großen Fahrzeuge, der Schifffahrt oder des Flugverkehrs nicht eingerechnet werden, weil eine Vorgabe der Klimakonferenz ist, dass der globale Handel vom Klimaschutz ausgenommen bleiben soll.  Das steigert aber massiv die Emissionen. Wir brauchen demgegenüber eine Rückführung auf regionalen und lokalen Handel. Noch mehr „Freihandel“ ist das gerade Gegenteil von Klimaschutz.

Was haben soziale Probleme und Menschenrechtsfragen mit Klimapolitik zu tun?

Moreno: Ganz viel! Eine der gröbsten und grundlegendsten Menschenrechtsverletzungen ist die Vertreibung von Menschen von ihrem Land: Landraub – und das noch dazu im Namen von „carbon farming“. Das erzeugt Landflucht und Flüchtlingsströme. Natürlich brauchen wir erneuerbare Energien, aber das muss mit einer emanzipatorischen Politik, mit Kooperation und Selbstverwaltung einhergehen. Der Schlüssel ist: Respekt vor anderen Kulturen und Lebensweisen.

Welche Fragen ergeben sich zur Finanzierung von Programmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel?

Moreno: Geld für Klimaschutz haben die Entwicklungsländer bis heute keines gesehen. Die Industrieländer sind sehr kreativ. Sie  wollen alle in der Vergangenheit investierten öffentlichen Entwicklungshilfegelder als bereits bezahlte „Klimagelder“ deklarieren. Weiters versuchen sie, den komplexen Zustand des Ökosystems in eine einzige Formel zu pressen: CO2. Damit soll gehandelt und bezahlt werden. Aufs Neue wird so alles vereinheitlicht, die Vielfalt und die Gegensätze der Gesellschaften sind nicht abgebildet, bleiben unsichtbar. Das dient nur dazu, den Kapitalismus grün zu färben und bloß „more of the same“ zu bekommen.