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Ökologisch und gesund bauen

Europaweit sind etwa 20.000 verschiedene Materialien und Baustoffe auf dem Markt. Zu einem großen Teil ist kaum bekannt, wie sich ihre Verwendung auf die Raumluft, die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen auf der Baustelle und die Umwelt auswirkt. Bei der Herstellung von Baustoffen werden Hilfsstoffe eingesetzt, die zwar einerseits die Verarbeitung und die Haltbarkeit verbessern, andererseits aber zusätzliche Emissionsquellen von möglichen Schadstoffen sein können. Bei geruchs- oder staubintensiven Schadstoffen lassen sich die Belastungen leicht feststellen und es kann darauf reagiert werden. Viele Emissionen bleiben aber von unserer Nase unbemerkt und können sich im Lauf der Zeit dennoch nachteilig auf unsere Gesundheit auswirken.

Bis Ende der 1970er Jahre waren Schadstoffemissionen aus Bauprodukten, mit denen Beschäftigte am Bau täglich hantierten, für Baufachleute kein Thema. Erst die intensiven Diskussionen um gesundheitliche Auswirkungen von krebserzeugenden Stoffen wie beispielsweise Asbest in Welldächern, Pentachlorphenol (PCP) in Holzschutzmitteln sowie Formaldehyd aus Spanplatten, haben das öffentliche Bewusstsein geschärft und wurden im ArbeitnehmerInnenschutz entsprechend berücksichtigt. 

Schadstoffe 

Viele Schadstoffe entstehen bereits weit weg von der Baustelle, bei der Herstellung von Baustoffen. Die negativen Folgen werden etwa in Form der Klimaerwärmung spürbar. Bei der Verarbeitung der Baustoffe und beim Wohnen in den errichteten Gebäuden können z.B. Feinstaub, Weichmacher, Biozide, Flammschutzmittel und Lösungsmittel negative gesundheitliche Auswirkungen haben.  Kopfschmerzen und allergische Reaktionen können auftreten. Auch beim Entsorgen und Deponieren können Schadstoffe freiwerden.

Sorgfältige Planung der Bauprojekte, bewusste Materialauswahl und fachgerechter Einbau sind das Um und Auf, wenn die gesundheitlichen und ökologischen Belastungen durch Baumaterialien für BauarbeiterInnen und BewohnerInnen möglichst gering sein sollen. Es gibt mittlerweile ein großes Angebot von Baumaterialien, die Umwelt und Gesundheit schonen. Bei der Auswahl helfen Gütesiegel, die jene Baumaterialien auszeichnen, die strengen Maßstäben in Bezug auf die Schadstofffreiheit der Produkte entsprechen. 

Gängige Gütesiegel

Produkte, die das Österreichische Umweltzeichen tragen, müssen eine Kombination von strengen Mindestanforderungen bezüglich Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit erfüllen. Auch die Gebrauchstauglichkeit wird bewertet. Der gesamte Lebensprozess eines Produktes wird berücksichtigt. Ausgezeichnete Produkte sind zum Beispiel Holzwerkstoffe, Holzmöbel, Dämmstoffe, Lacke, Lasuren, Wandfarben und Bodenbeläge. www.umweltzeichen.at

Das natureplus-Zeichen betrachtet den gesamte Lebensweg eines Produktes vom Rohstoffabbau über Herstellung bis hin zur Entsorgung. Das Zeichen garantiert strenge Schadstoff-Grenzwerte, sämtliche Einsatzstoffe werden deklariert. Ein hoher Anteil an nachwachsenden oder mineralischen Rohstoffen ist verpflichtend. Ausgezeichnete Produkte sind zum Beispiel Bodenbeläge, Dach- und Mauerziegel, Dämmstoffe, Farben und Lacke, Holzwerkstoffe, Kleber, Putze und Trockenbauplatten. www.natureplus.at

Das  IBO-Prüfzeichen zielt darauf ab, Ressourcen zu schonen sowie Abfall und gesundheitlich bedenkliche Emissionen zu vermeiden. Betrachtet wird der gesamte Lebenszyklus eines Produktes. Ausgezeichnete Produkte: Dämmstoffe, Wandbaustoffe, Putze, Bauplatten, Dachsteine, Estriche, Wandheizung. www.ibo.at

Das IBR-Prüfsiegel des Instituts für Baubiologie in Rosenheim zeichnet Produkte aus, die den Forderungen der Wohngesundheit und des Umweltschutzes gleichermaßen entsprechen müssen. Es berücksichtigt eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Ausgezeichnete Produkte sind z.B. Baustoffe, Dämmstoffe, Bauplatten, Holzwerkstoffe, Holz-böden, Bodenbeläge, Anstrichmittel und Putze. 
www.baubiologie.org

Das eco INSTITUT-Prüfsiegel kennzeichnet Materialien, die auf gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft wurden und weitestgehend umweltverträglich sind. Die Prüfung umfasst die ganze Produktlebenslinie. Das Prüfsiegel gibt es z.B. für Bodenbeläge (u.a. Teppich-, Holz- und Korkböden, Laminat) Holzwerkstoffe, Dämmstoffe, Ausbauplatten, Anstrich- und Beschichtungsstoffe, Paneele, Farben und Lacke, Klebstoffe und weitere Produktgruppen. www.eco-institut.de

Qualität am Bau

Da am Bau viele gefährliche und tödliche Unfälle durch Stürze und herabfallende Teile passieren, wird bei Schutzmaßnahmen auf der Baustelle hauptsächlich auf diesen Bereich geachtet. Wenig Beachtung finden die gesundheitlichen Belastungen durch Schadstoffe. Gerade im Innenausbau werden auf Baustellen viele umwelt- und gesundheitsschädliche Materialien verwendet, die organische Lösungsmittel, Weichmacher, Biozide, Schwermetalle, Formaldehyd und klimaschädliche Stoffe wie HFKW oder FKW freisetzen. Während der Bauphase kommt es für die ausführenden ArbeiterInnen teilweise zu stark erhöhten Belastungen durch Lösungsmittel. Ein Chemikalienmanagement kann diese Belastungen stark reduzieren. In der Ausschreibung werden ökologische Kriterien berücksichtigt – bei Baustellen der Stadt Wien ist z.B. die Umsetzung der „ÖkoKauf“-Kriterien verpflichtend. Die Produkte, die zum Einsatz kommen, werden vorab überprüft und – wenn erforderlich – durch ÖkoKauf-konforme Produkte ersetzt. Wichtig ist ein regelmäßiges und gut dokumentiertes Controlling auf der Baustelle. Laut Erfahrungen von „bauXund“ ist eine 90 %-ige Lösungsmittelreduktion sowie eine 100 %-ige HFKW-Reduktion ohne Mehrkosten bei den Gewerken durch ein solches Qualitätsmanagement ohne bauseitigen Mehraufwand möglich. 

„ÖkoKauf Wien“, das Programm für die ökologische Beschaffung der Stadt Wien, stellt ökologische Kriterienkataloge für Beschaffung bzw. Ausschreibungen gratis zur Verfügung, z.B. zu den Bereichen Dämmstoffe, Fassadenfarben, Holz und Metallbeschichtungen, Bitumenanstriche, Putze, Dichtmassen und Innenausbau. www.wien.gv.at/umweltschutz/oekokauf

„bauXund“ wiederum bietet Chemikalien- und Produktmanagement am Bau an und stellt eine Liste mit HFKW-freien Polystyrol-Dämmstoffen zur Verfügung. Weiters werden Baustellen bauökologisch begleitet und für Gebäudebewertungen auditiert. Eine Liste von Referenzprojekten findet sich auf der Homepage www.bauxund.at

PVC und Asbest

PVC ist ein stark umweltbelastender Kunststoff. Die Produktion des giftigen Chlorgases ist sehr energieaufwändig und gesundheitsschädlich. PVC sorgt bei der Herstellung, Verarbeitung, Verwendung und Entsorgung vor allem durch die Zusatzstoffe für viele Probleme, da diese in PVC in höherem Anteil enthalten sind als in anderen Kunststoffen. Daher sollte PVC möglichst vermieden werden. Dies betrifft vor allem Fensterprofile,  Wasser- und Abwasserleitungen, Elektroinstallationsmaterial, Folien, sowie Boden- und Wandbeläge. Letztere werden oft als „Vinyl“- oder „CV-Beläge“ bezeichnet. Aus diesen Belägen entweichen Weichmacher, die im Hausstaub nachweisbar sind und Gesundheitsrisiken mit sich bringen.

Asbest wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren (z.B. in Wellplatten, Fassaden und Kanalrohren) universell eingesetzt und in Bremsbelägen für Autos sowie als Dämmmaterial für Heizungen bis in die 1980iger Jahre verwendet. Asbest besteht aus feinsten Fasern, die über die Atemwege in den Körper gelangen können. Nach einer Latenzzeit von bis zu 40 Jahren kann Asbestose, eine Krebserkrankung, auftreten. Seit 1978 wurde Asbest nach und nach in den verschiedenen Anwendungen verboten, seit 2004 dürfen asbesthaltige Produkte weder wiederaufbereitet, wiederverwendet noch neu in Verkehr gesetzt werden. Bei Sanierungsarbeiten ist schon vor Beginn abzuklären, ob Asbestfasern frei werden könnten. Die Demontage und Entsorgung asbesthaltiger Bauteile muss durch befugte Sanierungs- und Entsorgungsunternehmen erfolgen. ¨