Schwerpunkt
Wachsende Ostregion
Interview mit der Raumplanerin Wiebke Unbehaun : Unselbständige Mobilität
Kinder werden sehr oft mit dem Auto zur Schule oder Freizeitveranstaltung gebracht. Warum?
Unbehaun: Die Gründe sind vielschichtig. Im ländlichen Raum fehlt häufig die Abstimmung zwischen Schulanfangs- und -endzeiten und der Busankunfts- und -abfahrtszeiten. Häufig ist die Beaufsichtigung vor Schulbeginn ungeklärt, ebenso wie die „last-mile“ zwischen Wohnung und Haltestelle. Zum Teil fehlt es an Fuß- und Radwegen, auf denen Kinder selbständig und sicher unterwegs sein können, und die Bedienungsqualität im öffentlichen Verkehr entspricht nicht den Zielen und Zeiten der Freizeitaktivitäten. Nicht selten werden Fahrzeiten gegen Familienzeiten aufgerechnet. Dann stellt das Auto eine sichere und flexible Alternative zu Verkehrsrisiken, festen Abfahrts- und längeren Fahrzeiten dar.
Wer erledigt meist diese Wege mit den Kindern?
Unbehaun: Frauen haben signifikant mehr Bring- und Holwege als Männer. Die Wege von Personen, die für das Hinbringen und Abholen verantwortlich sind, sind zahlreicher und werden je nach Verkehrsangebot in vielfältiger Form zurückgelegt. Während im großstädtischen Umfeld für Bring- und Holwege unterschiedliche Verkehrsmittel wie Zufußgehen, Radfahren und der öffentlichen Verkehr genutzt werden, dominiert im ländlichen Raum das Auto. Häufig steht das Auto der betreuenden Person zur Verfügung. Nicht selten übernimmt diese nicht nur das Holen und Bringen der Kinder, sondern auch das von anderen erwachsenen Haushaltsmitgliedern.
Die MitfahrerInnen von heute sind die SelbstfahrerInnen von morgen. Kann gut gemeinte Hilfe ein Nachteil sein?
Unbehaun: Aus Angst vor Verkehrsunfällen und Gründen der Alltagsoptimierung legen immer weniger Kinder ihre Wege unabhängig von ihren Eltern zurück. Fehlende Übung kann zu späterer Unsicherheit im Straßenverkehr führen. Aktive eigenständige Mobilität schafft Selbstbewusstsein, senkt das Risiko für motorische Defizite und unterstützt die Selbstständigkeit und Kontaktfähigkeit der Kinder. Das Mobilitätsverhalten der Eltern bestimmt nicht nur direkt das Mobilitätsverhalten der Kinder, sondern beeinflusst nachhaltig deren spätere Verkehrsmittelwahl.
Was kann man Kindern mitgeben, damit sich Eltern sicherer fühlen?
Unbehaun: Autonome Mobilität schafft Selbstbewusstsein. Eltern sollten den natürlichen Bewegungsdrang und Wunsch nach Eigenständigkeit unterstützen und mit ihrem Kind gemeinsam schauen, was alleine bewältigt werden kann. Sichere Wege können gemeinsam ausgewählt und geübt werden. In kurzen Merksätzen können Verhaltensregeln für einzelne Verkehrssituationen leicht abrufbar umschrieben werden. Wenn es dann losgeht, sollte genügend Zeit für den Weg eingeplant werden.
www.bmvit.gv.at/verkehr/strasse/sicherheit/downloads/sichererschulweg.pdf