Schwerpunkt
Export von Umweltlasten
Wir exportieren Umweltbelastungen – Tendenz steigend!
Im Bericht „Wie geht’s Österreich?“ analysiert die Statistik Austria seit 2012 die Entwicklung von Wohlstand und Fortschritt (Link). 30 Schlüsselindikatoren ergänzen das Bruttoinlandsprodukt (BIP), um die Dimensionen „Materieller Wohlstand“, „Lebensqualität“ und „Umwelt“ für Österreich umfassend abzubilden. Um die Ressourcenfrage in der ökologische Nachhaltigkeit darzustellen, ist der inländischen Materialverbrauch DMC (Domestic Material Consumption) als Schlüsselindikator gewählt worden. Er setzt sich aus inländischer Materialentnahme aus der Natur plus physischer Importe minus physischer Exporte (jeweils ohne Wasser und Luft) zusammen. Doch was sagt es schon aus, wenn der DMC seit 1995 – so lange wurde „zurückgeschaut“ – schwächer als das BIP gewachsen ist (~ relative Entkopplung) und zwischen 2008 und 2010 sogar gefallen ist (~ absolute Entkopplung)? Ist letzteres nicht Resultat der Finanzkrise? Wieso bewerten die Studien-ExpertInnen von „Wie geht’s Österreich?“ (Seite 110) die kurzfristige Entwicklung beim DMC neutral und die langfristige eher negativ? Woher nehmen sie das? Welche Schlüsse kann man überhaupt aus dem DMC für Verbesserungsbedarf ziehen?Ähnlich „ratlos“ bleibt man auch nach der Lektüre des Kapitels „Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft“ im 10. Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamts (Seite 139 ff und 274 ff). Mit Kreislaufschließung und Ressourceneffizienz soll es dem Bericht zufolge gelingen können, dass ein Rückgang beim Ressourcenverbrauch, das heißt eine absolute Entkopplung vom BIP bewirkt werden kann. Das ist schwer zu glauben, klingt eher nach politischer Programmatik. Die konkreten Empfehlungen überzeugen nicht. Immerhin wird im Bericht deutlicher hervorgehoben, dass man auch die indirekten Materialflüsse im Ausland betrachten müsste, um Auslagerungseffekte besser abschätzen zu können.
Viele Fragen bleiben offen
Beide Berichte beanspruchen, relevante Informationen bereitzustellen. Keiner spricht das Grundproblem an: Daten zum Ressourcenverbrauch, der ja wesentlich über Importe gedeckt wird, verraten nur wenig zu den damit verbundenen Umweltbelastungen im Ausland. Vordringlich wäre es, diese einmal abzuschätzen. Nur so sind konsistentere Schlüsse für nötige umweltpolitische Schritte möglich. Dass sich Konsum und Produktion in Österreich auch im Ausland auf die Umwelt auswirken, sagt schon das Bauchgefühl. Die Frage ist nur, welche Auswirkungen es sind und wo sie anfallen, welches Gewicht sie haben und auf welche Bereiche des Konsums bzw. der Produktion sie zurückzuführen sind, wenn man nicht bei nichtssagenden Appellen zum sorgsameren und sparsameren Umgang mit Ressourcen, zu mehr nachhaltigem Konsum, stehen bleiben will.
Diese Grundfragen stellen sich im Grunde schon seit dem Erdgipfel 1992 in Rio, der den Fragen, wie tragfähig die Erde ist (Konzept vom Umweltraum) und wie man mit den globalen ökonomischen Ungleichgewichten fertig werden kann (Aspekt der globalen Gerechtigkeit), gewidmet war. Genau das steht heute im Blickpunkt des Global Footprint Network. Würden weltweit alle Länder so viele Ressourcen verbrauchen wie Österreich, wären gemäß Global Footprint Network dafür im Jahr 2009 rund drei Erden nötig gewesen. Rund 5,3 Global Hektar (gha) beträgt der durchschnittliche ökologische Fußabdruck jedes/r ÖsterreicherIn. Das sind die Flächen, die benötigt werden, um einerseits Ernährung, Konsum und Energiebedarf bereitzustellen, andererseits, um das bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehende CO2 durch Wälder und Ozeane zu binden. Das gibt eine Vorstellung von den globalen Ungleichgewichten, aber auch potenziellen künftigen Umweltzielen. Das Footprint-Konzept versteht sich als Näherung, beschränkt den Blick auf CO2-Emissionen und die Landnutzung. Die Wirkungen von Schadstoffen in Boden, Wasser oder Luft, Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Artenvielfalt lassen sich nicht erfassen.
Schweizer Pilotstudie
2011 hat das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU, www.bafu.admin.ch) erstmals die gesamte Umweltbelastung durch Konsum und Produktion in der Schweiz ermitteln lassen. Neben der Grundfrage, wie man überhaupt diese Gesamtbelastung ermitteln kann, sollte die Pilotstudie für das Bezugsjahr 2005 folgende Fragen beantworten:
- Wer sind die direkten Verursacher der Umweltbelastungen in der Schweiz? Welche Branchen sind wichtig und wie viel emittieren die privaten Haushalte? Für welche Umweltbelastungen sind sie verantwortlich?
- Welche Bereiche des Konsums privater Haushalte sind die treibenden Kräfte für Umweltbelastungen, wenn man auch die Lieferketten zur Bereitstellung der Güter einbezieht? Wie umweltintensiv sind die verschiedenen Bereiche des privaten Konsums?
Den gesamten Lebensweg der Produkte in die Betrachtung miteinzubeziehen war deswegen wichtig, weil viele Güter in die Schweiz importiert werden und so eine Betrachtung der bloß im Inland anfallenden Umweltbelastungen zu kurz greift. Methodisch geht die Studie über den klassischen Ansatz, Umweltindikatoren zu definieren und zu einem Gesamtbild verbal zu verdichten – so wie dies auch die Statistik Austria macht –, deutlich hinaus. Die BAFU-Studie leistet eine ökologische Input-Output-Analyse der ganzen Volkswirtschaft: Sie verknüpft ökonomische Input-Output-Informationen zu den verschiedenen Bereichen des Konsums und der Produktion in der Schweiz mit den jeweiligen Umweltbelastungsdaten, wobei diese für die importierten Güter über Ökobilanzdaten abgeschätzt wurden. Alle Umweltbelastungen sollen erfasst werden. Um diese zu einer Gesamtbelastung zusammenzufassen, wurden sie mit der Methode der ökologischen Knappheit (Link ) als sogenannte Umweltbelastungspunkte (UBP) quantifiziert. UBP bewerten unterschiedliche Emissionen in Boden, Wasser und Luft sowie den Verbrauch von natürlichen Ressourcen. Treibhausgase werden ebenso betrachtet wie die Gewässerverschmutzung bis hin zur Landnutzung.
Ergebnisse
Auffallendstes Ergebnis der Studie ist, dass Importe etwa 60 Prozent der gesamten Umweltbelastung der Schweiz ausmachen. Dies verdeutlicht die Abhängigkeit der Schweiz von den natürlichen Ressourcen und Produktionsprozessen im Ausland. Die ökologisch relevantesten Konsumbereiche sind dabei Ernährung und Wohnen mit jeweils 28 Prozent sowie Mobilität mit zwölf Prozent.
Nicht nur insgesamt fällt der große Anteil der im Ausland anfallenden Umweltbelastungen auf: In den meisten Konsumbereichen ist dieser bedeutend größer als der Anteil der Umweltbelastungen in der Schweiz. Nur der Konsumbereich Mobilität verursacht etwas mehr Umweltbelastungen in der Schweiz als im Ausland. Im Konsumbereich Ernährung fallen viele Umweltbelastungen im Ausland an, weil große Mengen an Nahrungs- und Futtermitteln für die Schweiz im Ausland produziert werden. Im Bereich Wohnen – der die Kategorien Wohnen/Energie, Wohnungsbau sowie Möbel/Haushaltsgeräte aus der Studie zusammenfasst – fallen rund die Hälfte der Umweltbelastungen in der Schweiz an. Diese werden insbesondere durch den Heizenergie- und den Elektrizitätsverbrauch verursacht. Bei der Produktion von Baumaterialien, Möbeln und Haushaltsgeräten werden auch im Ausland große Mengen natürlicher Ressourcen verbraucht und Schadstoffe ausgestoßen.
Zu beachten ist, dass nur zehn Prozent der gesamten Umweltbelastung direkt bei den privaten Haushalten (Heizung und Pkw) anfallen. Interessant ist auch die Betrachtung der Umweltintensität pro ausgegebenem Schweizer Franken (CHF). Das lässt abschätzen, wie eine Veränderung der Konsumausgaben auf die Umwelt wirkt: Pro ausgegebenem CHF werden in der Ernährung und Mobilität weitaus am meisten Umweltbelastungen verursacht.
Die Analyse der Umweltbelastung in der Schweiz nach den verschiedenen Wirtschaftsbranchen (ohne Exporte) zeigt, dass Landwirtschaft (30 Prozent), Energiewirtschaft, Abfallwirtschaft, Gastgewerbe und Transportgewerbe am stärksten ins Gewicht fallen.
2014 hat das BAFU nach der gleichen Methode die Entwicklung der Schweizer Umweltbelastungen zwischen 1996 und 2011 untersuchen lassen: Signifikantestes Ergebnis ist, dass die Umweltbelastung im Inland deutlich abgenommen hat, aber durch die zunehmenden Umweltbelastung im Ausland weitgehend kompensiert worden ist. Der im Ausland verursachte Anteil ist von rund 56 Prozent im Jahr 1996 bis auf rund 73 Prozent im Jahr 2011 gestiegen. Um ein naturverträgliches Maß zu erreichen, müsste die Gesamtbelastung halbiert werden. Für Österreich dürfte man ähnliche Ergebnisse erwarten.