Schwerpunkt
Fleischkonsum
Interview: Wieviel Fleisch verträgt die Welt?
Bedingt der Fleischkonsum die Intensivlandwirtschaft?
Geßl: Fleischkonsum bedingt eine landwirtschaftliche Nutztierhaltung, bzw. umgekehrt. Nutztierhaltung muss man sich als einen Deal zwischen diesen und den BäuerInnen vorstellen: für unseren Genuss schenken wir den Tieren das Leben, als Gegenleistung dürfen diese von uns eine artgemäße Tierhaltung verlangen. Im Sinne einer globalen Glücksbilanz ist Nutztierhaltung nur dann zulässig, wenn die Bilanz positiv ist. In der Realität führt unser hoher Fleischkonsum aber zum Gegenteil: um den enormen Fleischhunger stillen zu können, muss die Produktion immer billiger und damit schlechter werden. Die Mindesthaltungsbedingungen, die im Tierschutzgesetz festgelegt sind, sollen Tierleid verhindern. Tiergerecht oder gar die Umsetzung einer Idylle spielt es aber bei diesen Fleischbergen nicht.
Ist Fleischproduktion ohne Antibiotika- und Hormoneinsatz möglich? Gibt es eine kritische Tiermedizin?
Geßl: Selbstverständlich kann eine moderne Tierhaltung ohne Medikamenteneinsatz auskommen. Hormon- und Antibiotikagaben zur Leistungssteigerung sind in der EU grundsätzlich verboten. Sehr wohl werden aber bei den häufig auftretenden Gesundheitsproblemen bei Fleischtieren vom Tierarzt Antibiotika verschrieben. Die Mengen der in der EU eingesetzten Veterinärantibiotika sind jedenfalls besorgniserregend hoch. Kritische TiermedizinerInnen gibt es, sie werden überwiegend von Bio-BäuerInnen für die selten aber doch notwendigen Behandlungen im Betrieb angefordert.
Wie steht es um das Tierwohl in der Bio-Landwirtschaft?
Geßl: Die Bio-Tierhaltung wird über die EU-VO 834/2007 einheitlich geregelt und jährlich kontrolliert. Die Vorschriften sind nach Erkenntnissen der Nutztierverhaltensforschung ausgearbeitet und garantieren weitgehend tiergerechte Bedingungen. Nicht garantieren kann sie allerdings idyllisierte Bilderbuchvorstellungen. So gibt es auch in der Bio-Tierhaltung Teilbereiche, die noch Entwicklungsspielraum nach oben lassen. Zum Beispiel dürfen Rinder und Ziegen noch enthornt werden. Die Bio-Landwirtschaft arbeitet aber an guten Lösungen für diese „Baustellen“.
Warum werden Bio-Fleischprodukte so wenig nachgefragt?
Geßl: Die Nachfrage nach Bio-Fleisch ist ob der doch deutlichen Preisdifferenz nach wie vor bescheiden. Wenn sich alle Menschen, die sich am Stammtisch über die ach so argen Tierhaltungsbedingungen aufregen, konsequent, also zu Hause, im Gasthaus und in der Betriebskantine für Biofleisch und -wurst entscheiden, dann wäre schon viel gewonnen.