Schwerpunkt

Daseinsvorsorge

Privatisierungen sind kein Heilmittel

Der öffentliche Dienstleistungssektor, der etwa die Bereiche öffentliche Verwaltung, das Bildungswesen, das Gesundheitswesen, die Abfall- und Abwasserentsorgung, Post und Telekommunikation, aber auch die gesamte Energie- und Wasserversorgung sowie den öffentlichen Verkehr umfasst, ist sowohl quantitativ als auch qualitativ von hoher Bedeutung und kann dabei nur exemplarisch geschildert werden. So arbeiten alleine im öffentlichen Verkehr 84.000 ÖsterreicherInnen, 125.000 Menschen arbeiten als LehrerInnen an Schulen und mehr als 23.000 Personen finden ihr Auskommen in der Abfall- und Abwasserentsorgung. Dabei sind die Zahlen auch im internationalen Vergleich bemerkenswert, ist doch die Bedeutung des öffentlichen Sektors in Österreich besonders groß.

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Neben den direkt geschaffenen Arbeitsplätzen sichert der öffentliche Dienstleistungssektor durch seine Investitionen viele weitere (oft regionale) Arbeitsplätze: HandwerkerInnen profitieren beispielsweise von Reparaturarbeiten an Kläranlagen oder in Schulen, und die Industrie profitiert beispielsweise von neuen Aufträgen für Schienen und Schienenfahrzeuge.

Die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienstleistungssektor sind aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von sehr großer Bedeutung, sind doch die Arbeitsbedingungen und die Beschäftigungssicherheit im allgemeinen deutlich besser beziehungsweise höher als die im privaten Dienstleistungssektor.

Die verhältnismäßig guten Arbeitsbedingungen und die gute Ausbildung im öffentlichen Dienstleistungssektor machen sich aber nicht nur für die dort Beschäftigten bezahlt, sondern haben auch Auswirkungen auf die Struktur der gesamten österreichischen Wirtschaft. So lässt der öffentliche (Dienstleistungs-)Sektor sehr vielen Menschen eine gute Berufsausbildung zukommen, die auch noch Jahrzehnte später positive Auswirkungen auf die Arbeitsmarktchancen der Betroffenen hat. 

Darüber hinaus kann der öffentliche Dienstleistungssektor auch als antizyk­lisches beschäftigungspolitisches Instrument eingesetzt werden, indem in Zeiten mit besonders hoher Arbeitslosigkeit mehr neue MitarbeiterInnen eingestellt werden. 

Hohe Qualität und 
große Zufriedenheit

Eine im Jahr 2012 im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführte Sora-Umfrage zeigt auch, dass die ÖsterreicherInnen mit der Qualität der Daseinsvorsorge sehr zufrieden sind. Die Kundenrechte, Informationen über das Angebot, das Service bei Problemen und die Versorgungssicherheit bzw. Erreichbarkeit werden dabei fast durchgängig für die abgefragten Bereiche (Wasserversorgung, Telekommunikationseinrichtungen, öffentlicher Stadtverkehr, Postdienstleistungen, Bahnangebot und  Energieversorgung) als gut oder sogar sehr gut bewertet. Da öffentliche Dienstleistungen meist für alle gleichermaßen zur Verfügung stehen, entfalten diese auch eine positive Verteilungswirkung. Außerdem zeigen Analysen, dass die Lohnstreuung im öffentlichen Dienstleistungssektor geringer als im privaten Sektor ist.  

Die hohe Qualität der Daseinsvorsorge erfreut sich aber nicht nur hoher Akzeptanz bei der Bevölkerung und hilft soziale und ökologische Ziele der Gesellschaft zu erreichen, sondern ist 
ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen und trägt damit auch zum ökonomischen Wohlergehen eines Landes bei.

Privatisierungen 
kein Heilmittel

Trotzdem werden immer wieder Rufe laut, mehr Unternehmen des öffentlichen Dienstleistungssektors zu privatisieren und weitere Liberalisierungsschritte zu setzen. Im Kern werden dabei vor allem folgende Argumente vorgebracht:

Öffentliche Dienstleistungssektoren seien ineffizient und nur privatwirtschaftlich geführte Unternehmen auf echten Wettbewerbsmärkten könnten diese Ineffizienzen beseitigen. Die Beseitigung der Ineffizienzen könnte dann, bei gleichbleibender Qualität, dazu genützt werden, die Preise der öffentlichen Dienstleistungen zu reduzieren.  In enger Verbindung dazu wird teilweise sogar behauptet, dass Privatisierungen zu mehr Innovationen im öffentlichen Dienstleistungssektor führen könnten. Außerdem wird gerne darauf verwiesen, dass Privatisierungen helfen könnten, das Budgetdefizit zu reduzieren (siehe Kasten Seite 23).

Doch stimmen diese Argumente überhaupt? Das erste Argument ist zumindest sehr zweifelhaft, wird doch geflissentlich verschwiegen, dass private Unternehmen Gewinne machen wollen und meist hohe Ausgaben für Werbung haben. Damit eine Privatisierung wirklich zu Preissenkungen führen kann, müssen also die durch die Privatisierungen hervorgerufenen Effizienzgewinne (so vorhanden) höher als die zusätzlich entnommenen Gewinne und die zusätzlichen Werbeausgaben ausfallen. Die Datenlage zeigt aber, dass dies meist nicht der Fall ist. So kommt auch eine Umfrage aus dem Jahr 2008 zu dem Ergebnis, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen der Meinung ist, dass mit Ausnahme des Telekommunikationssektors, Privatisierungen im Dienstleistungssektor zu steigenden Preisen geführt haben. Darüber hinaus führen Privatisierungen und Liberalisierungen auch nicht automatisch zu wettbewerbsintensiveren Märkten. In manchen Fällen kommt es nach Privatisierungen und Liberalisierungen sogar zu einer verstärkten Unternehmenskonzentration und damit zu weniger Wettbewerb.

Dazu kommt, dass die Frage, ob der öffentliche Dienstleistungssektor wirklich ineffizienter agiert als der private Dienstleistungssektor, eine ungeklärte ist. Grundsätzlich haben Unternehmen in Wettbewerbsmärkten nämlich zwei Möglichkeiten zu konkurrieren: Sie können einerseits versuchen, die Arbeitskosten möglichst weit zu drücken (etwa über eine Arbeitsverdichtung bei den einzelnen Beschäftigten, Personalabbau und/oder Lohnsenkungen), oder sie können darum konkurrieren, welches Unternehmen innovativer ist und somit die bessere Qualität liefert. Starke Lohnregelungen, die in öffentlichen Unternehmen meist die Regel sind, verhindern Konkurrenz über die Arbeitskosten und befördern damit Wettbewerb über die Qualität und haben daher auch eine innovationsfördernde beziehungsweise eine die Produktivität steigernde Wirkung.

Privatisierungen führen also meist nicht zu Preissenkungen. Dafür ziehen Privatisierungen oft versteckte Kosten nach sich, weil die öffentlichen Unternehmen soziale oder ökologische Aufgaben, die sie vorher übernommen haben, nach der Privatisierung aus Kostengründen einstellen.  Spart etwa ein Unternehmen, indem es weniger in die Lehrausbildung investiert, muss der Staat vermehrt Gelder in staatliche Lehrwerkstätten investieren. Für das Unternehmen mag dies ein Gewinn sein, aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive handelt es sich um ein Nullsummenspiel. 

Auch die Aussage, dass Privatisierungen helfen können, dass Budgetdefizit zu senken, ist höchst zweifelhaft. Betrachtet man die Privatisierungen der letzten Jahre, so zeigt sich, dass die letzten Privatisierungen den öffentlichen Haushalten mehr Geld gekostet haben als sie eingebracht haben (siehe Kasten Seite 23). 

Neben diesen finanziellen Überlegungen gibt es allerdings noch grundsätzlichere Überlegungen, warum weitere Privatisierungen im öffentlichen Dienstleistungssektor negative Folgen hätten. Viele Angebote der Daseinsvorsorge sind auch deshalb in öffentlicher Hand, weil eine marktförmige Organisation gar nicht möglich wäre, da es sich um ein natürliches Monopol handelt. Dies ist etwa bei Stromnetzen, Wasserversorgungseinrichtungen oder dem Schienenangebot eines Landes der Fall. Darüber hinaus bedeuten Privatisierungen auch einen Steuerungs- und Kontrollverlust für den Staat, was nichts anderes bedeutet, als dass der Staat weniger Möglichkeiten hat, seine Politiken umzusetzen. Staatliche Unternehmen können ja auch dafür verwendet werden, verstärkt soziale und ökologische Ziele zu verfolgen. 

Privatisierungen: Gefahren für Beschäftigte

Für die ArbeitnehmerInnen bedeuten Privatisierungen meist Personalabbau, sinkende Löhne und steigenden Arbeitsdruck. So ist beispielsweise in Österreich die Beschäftigung in der Elektrizitätswirtschaft zwischen 1995 und 2006 um 25% zurückgegangen. Im Post- und privaten Kurierdienst hat die Beschäftigung sogar um 29% abgenommen. Und auch der Organisationsgrad der Gewerkschaften liegt im privaten Dienstleistungssektor deutlich unter dem des öffentlichen Dienstleistungssektors. So liegt der Organisationsgrad beim ehemaligen deutschen Postmonopolisten bei etwa 80%, während der Organisationsgrad bei privaten Konkurrenten kaum mehr als zehn Prozent betragen dürfte. 

Aus sozialer, ökologischer wie auch aus ökonomischer Sicht spricht daher vieles gegen Privatisierungen bei öffentlichen Dienstleistungen. Entgegen den geschürten Hoffnungen sind die Privatisierungsresultate weder was den Preis, noch was die Qualität der Dienstleistungen betrifft zufriedenstellend. Besonders dramatisch sind die Auswirkungen für die betroffenen ArbeitnehmerInnen, die die Privatisierungen mit Entlassungen, niedrigeren Löhnen und steigendem Druck bezahlen müssen.