Editorial: Öffentlich verkauft
Daseinsvorsorge soll Dienstleistungen und Infrastrukturen allen Menschen gleichermaßen zu leistbaren Preisen und in hoher Qualität zur Verfügung stellen. Dahinter steckt der öffentliche Auftrag, für das Dasein der Menschen im Sinne des Gemeinwohls und für sozialen Ausgleich zu sorgen. Niemand soll von Trinkwasser, Mobilität, Energie, Kommunikation oder Bildung und Krankenversorgung und anderen öffentlichen Dienstleistungen ausgeschlossen werden. Die Daseinsvorsorge soll ein Bereich sein, der nicht der kurzfristigen Profitmaximierung, sondern einem langfristig orientierten demokratischen Auftrag gehorcht. Diesem müssen auch Arbeitsbedingungen und Einkommen in diesem Sektor genügen. Die konkreten Formen der Daseinsvorsorge sind nicht in allen Bereichen und EU-Ländern gleich. Aber das Bekenntnis zu öffentlichen Dienstleistungen als Aufgabe des Staates ist ein gemeinsames europäisches Erbe. Oder doch nicht? Die Liberalisierungs- und Privatisierungswellen versuchen, die Daseinsvorsorge den Märkten zu unterwerfen und privaten Anlegern Zugang zu öffentlichem Eigentum zu verschaffen.
Die Daseinsvorsorge ist ein verlockendes Gebiet für private Unternehmen: Gesicherte Aufträge, gesicherter Absatz, gesicherte Finanzierung und ein riesiges Auftragsvolumen. Der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler spricht dabei von einem jährlichen Volumen von mehr als 100 Milliarden Euro. Ein lukratives Geschäft! Die EU begründet ihre Liberalisierungs-Forderungen mit Kosteneffizienz und mehr Transparenz. Dagegen ist dann schwer etwas einzuwenden, wenn es in Fällen der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand daran mangelt. Aber die realen Erfahrungen mit Liberalisierung und Privatisierung verfehlen das Ziel: Leistungen werden teurer, langfristige Investitionen unterbleiben, und gespart wird vor allem zulasten der Beschäftigten. Lösung: Öffentliche Dienstleistungen in öffentlicher Hand transparenter machen und die demokratische Kontrolle stärken, sonst wird öffentliches Eigentum verkauft und zerstört und das europäische Sozialstaatsmodell verliert eine unverzichtbare Säule.