Schwerpunkt

Verteilungsgerechtigkeit

Emissionen und Ungleichheit: Wer trägt die Verantwortung?

Die Klimakrise ist eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Sie ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Krise. Die Folgen des Klimawandels treffen jedoch nicht alle gleich. So gehen rund zwei Drittel der Erderwärmung seit 1990 auf das reichste Zehntel der Weltbevölkerung zurück, während zugleich jene Menschen, die kaum bis gar nicht zum Klimawandel beitragen, am stärksten von den Auswirkungen betroffen sind. Die Weltgemeinschaft hat sich im Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Österreich seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2005 nahezu halbieren. Dafür braucht es dringend eine ehrliche Debatte darüber, wer welche Beiträge zur Reduktion der Emissionen leisten muss und wie das gelingt, ohne große Wohlstandsverluste zu verursachen. Denn Emissionen sind nicht nur zwischen den Ländern ungleich verteilt, sondern der größte Teil der Emissionsungleichheit geht auf die Unterschiede innerhalb der Länder, also Unterschiede zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, zurück. Ungleichheit ist somit nicht nur eine Folge, sondern auch eine Ursache der Klimakrise. 

Verantwortung der reichen Länder

Diese Ungleichheit lässt sich auf globaler Ebene deutlich erkennen. Bis heute verursacht der Globale Norden (Europa, Nordamerika und Teile Asiens) den Großteil der weltweiten Emissionen. Der Globale Süden trägt hingegen den größten Teil der Klimafolgen wie Dürren, Überschwemmungen oder Ernteausfälle, obwohl sein eigener Beitrag zu den Ursachen vergleichsweise gering ausfällt. 

Für die nationalen Klimaschutzbeiträge des Pariser Klimaabkommens werden die produktionsbasierten Emissionen dort erfasst, wo sie ausgestoßen werden. Auf den ersten Blick klingt das logisch: Wer etwas produziert, trägt die Verantwortung für die dabei entstehenden Emissionen. In einer globalisierten Wirtschaft werden jedoch viele Produkte, die im Globalen Norden konsumiert werden – von Kleidung bis Elektronik –, im Globalen Süden hergestellt. Die dabei entstehenden Emissionen erscheinen in der Klimabilanz der Produktionsländer und nicht in jener der Konsumländer. Reiche Staaten können so ihre Emissionen scheinbar senken, indem sie emissionsintensive Produktion auslagern („Carbon Leakage“). Für die Bekämpfung des Klimawandels leistet dies keinen Beitrag.

Demgegenüber werden bei den konsumbasierten Emissionen alle Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Produkts den jeweiligen Endkonsument:innen zugewiesen. Ein T-Shirt, dessen Rohstoffe aus Brasilien stammen, das in der Türkei produziert wurde und in Österreich verkauft wird, erscheint dann in der österreichischen Klimabilanz. Auf diese Weise zeigt sich, dass ein kleiner Teil der Weltbevölkerung für einen unverhältnismäßig großen Anteil der Emissionen verantwortlich ist. Pro Kopf verursachen Menschen in Nordamerika im Durchschnitt über elf Tonnen CO2 im Jahr, in Europa knapp acht Tonnen. In Südamerika liegt der Wert hingegen bei zweieinhalb Tonnen und in Afrika bei unter einer Tonne pro Person. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die einkommensstarken Länder mit dem höchsten Konsum am meisten zur Klimakrise beitragen. 

Große Unterschiede bei den Emissionen 

Die ungleiche Verteilung von Emissionen zeigt sich nicht nur zwischen Ländern, sondern auch innerhalb eines Staates. Auch hier verursachen die Wohlhabenderen deutlich mehr Emissionen als die Ärmeren. So verursacht das einkommensreichste Zehntel der Bevölkerung Österreichs im Durchschnitt drei- bis viermal so viele Emissionen wie das ärmste Zehntel.

Die Messung konsumbasierter Emissionen hat jedoch auch Schwächen. Sie lenkt aktiv von der Verantwortung der Unternehmen ab, indem sie die gesamten Emissionen Konsument:innen zuschreibt. Dabei werden Eigentumsverhältnisse ausgeblendet: Es wird nicht erfasst, wer fossile Produktion kontrolliert und davon profitiert. Stattdessen wird so getan, als könnten Konsument:innen durch ihre Kaufentscheidungen beeinflussen, wie ökologisch die Produkte hergestellt werden. Nachhaltigere Produkte sind für viele kaum leistbar. Hinzu kommt, dass Hersteller:innen ihre Produktionsprozesse oft grüner darstellen, als sie sind. Durch dieses „Greenwashing“ werden informierte Kaufentscheidungen erschwert. Wie Emissionen gemessen und zugerechnet werden, ist somit keine neutrale Entscheidung. Die Art der Berechnung bestimmt, wer zur Verantwortung gezogen wird.

Emissionen und Vermögen: Eine neue Berechnung

Vor dem Hintergrund der Diskussion um eine faire und wirksame Klimapolitik rücken zunehmend neue Arten der Berechnung der Verantwortung für Emissionen in den Mittelpunkt. Diese gehen über den reinen Konsum hinaus und machen stattdessen Macht- sowie Eigentumsverhältnisse sichtbar.

Für Österreich hat eine aktuelle Studie der AK Wien erstmals sogenannte kapitalbasierte Emissionen berechnet. Diese von den Ökonomen Lucas Chancel und Yannic Rehm entwickelte Art der Berechnung verknüpft Emissionen direkt mit dem Vermögen von Individuen. Wer beispielsweise Anteile an einem Industriekonzern besitzt, trägt anteilig die Verantwortung für dessen Emissionen. Bei kapitalbasierten Emissionen wird die Verantwortung aufgeteilt. Individuen tragen die Verantwortung für ihren direkten Verbrauch fossiler Brennstoffe wie Diesel für den PKW oder Gas zum Heizen. Kapitalbesitzer:innen tragen zusätzlich die Verantwortung für die Emissionen, die aus ihrem Vermögen an Unternehmen und Immobilien entstehen. Wer Produktionsmittel besitzt, hat reale Entscheidungsmacht, profitiert von Gewinnen emissionsintensiver Branchen und kann zugleich beeinflussen, was, wie und wo produziert wird. 

Kapitalbasierte Emissionen machen deutlich, wie eng Vermögen und Emissionsverantwortung miteinander verknüpft sind – und dass die Last der Emissionen sogar noch ungleicher verteilt ist, als bei konsumbasierten Berechnungen. In Österreich verursachen die Haushalte der unteren Hälfte der Vermögensverteilung nur rund 17 Prozent der Emissionen, während das vermögendste Zehntel mit 56 Prozent, mehr als die Hälfte verantwortet. Besonders konzentriert ist es an der Vermögensspitze: Das oberste Prozent der Haushalte verursacht allein 37 Prozent der Emissionen. Emissionsverantwortung ist damit alles andere als gleichmäßig verteilt. Sie spiegelt die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit der Gesellschaft wider.

Klimapolitik muss gerecht verteilt sein

Die extreme Ungleichheit der Emissionen ist kein Zufall, sondern ein direktes Ergebnis gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Die Erkenntnisse aus der Berechnung kapitalbasierter Emissionen haben weitreichende politische Implikationen und erfordern ein Umdenken: Klimapolitik darf sich nicht nur auf das Konsumverhalten konzentrieren, sondern muss auch gezielt Vermögen und Profite in den Blick nehmen. Vermögende investieren oft in profitable, aber sehr emissionsintensive Aktivitäten, was im Konflikt mit den gesamtgesellschaftlichen Klimazielen steht. Um diesen Zielkonflikt zu lösen und die gesellschaftliche Akzeptanz der notwendigen Transformation zu sichern, braucht es eine Klimapolitik, die Verteilungsgerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt.  

  1. Klimagerechte Steuerpolitik auf Kapital und Vermögen, etwa eine progressive Vermögenssteuer auf emissionsintensive Vermögenswerte oder eine höhere Besteuerung von Kapitalgewinnen aus fossilen Anlagen.
  2. Klare ordnungspolitische Leitplanken, wie das tatsächliche Aus des Verbrennungsmotors, Verbote besonders klimaschädlicher Produkte und strengere Energieeffizienzstandards. 
  3. Eindämmung von klimaschädlichen Luxus­praktiken wie Privatjets, Business-Class-Flügen oder Superyachten.

Letztlich ist die Frage der Verantwortung für Emissionen nicht allein durch Daten oder Messmethoden zu beantworten. Sie ist zutiefst politisch und muss als gesellschaftlicher Aushandlungsprozess verstanden werden. Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen zum sozialen und ökologischen Umbau beitragen. Bisher wurde die Verantwortung oft einseitig auf Konsument:innen abgewälzt, während Kapitalbesitzer:innen im Hintergrund bleiben durften. Neben konsumbasierten müssen daher auch kapitalbasierte Emissionen berücksichtigt werden. Diese machen sichtbar, wie stark Vermögende unter anderem durch Kapitalbesitz zur Klimakrise beitragen. Dies eröffnet die Chance, gerechtere und wirksamere Politikinstrumente zu entwickeln, die den Umbau breiter abstützen und seine Legitimität stärken.