Schwerpunkt

Klima und Gender

Tandem für ein gutes Leben: Geschlechtergerechte Klimapolitik

Die Gewerkschaftsbewegung weist seit Jahrzehnten darauf hin, dass Klimapolitik eine soziale Frage ist. Die Folgen der Erderhitzung betreffen nicht alle Menschen gleich. Ebenso wenig haben alle Menschen die gleichen Möglichkeiten mitzubestimmen und mitzugestalten, wie der Klimakrise begegnet werden soll. Eine wichtige Achse der Ungleichheit verläuft nicht nur entlang finanzieller Mittel zwischen „unten“ und „oben“, sondern auch zwischen Männern und Frauen. Der ungleiche Zugang zu Ressourcen, aber auch eine ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit führen dazu, dass Frauen in vulnerablen Bevölkerungsgruppen überrepräsentiert sind. Das bedeutet, sie können sich weniger vor den negativen Folgen klimatischer Veränderungen schützen und können gleichzeitig auch weniger auf die Gestaltung von politischen Maßnahmen Einfluss nehmen. 

Die Bekämpfung der Klimakrise ist aber zugleich auch eine Chance für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Die Neuausrichtung unseres heutigen Wirtschaftens und Arbeitens, die notwendig ist, um die Lebensgrundlagen für die nachfolgenden Generationen zu sichern, bietet große Potenziale. Mit einer an Gleichstellung orientierten Klimapolitik kommen wir der Vision eines guten Lebens für alle näher, in der das Wohlergehen der Menschen und der Schutz natürlicher Ressourcen im Mittelpunkt stehen. Ein wesentlicher Baustein dafür ist eine gut ausgebaute Grundversorgung und soziale Dienstleistungen. Es ist jedoch zu befürchten, dass gerade diese Bereiche angesichts der aktuellen Budgetsituation in Bedrängnis geraten. Wir zeigen am Beispiel Hitzebelastungen, wie Frauen und Männer unterschiedlich betroffen sind und machen danach deutlich, was zu gewinnen ist, wenn der Kampf gegen die Klimakrise mit dem Kampf für Geschlechtergerechtigkeit verbunden wird. 

1. Beispiel Hitzebelastung: Was bedeuten sie aus der Sicht von Frauen?

Durch die Klimaerwärmung ist die Hitzebelastung auch in Österreich in den letzten Jahren stetig gestiegen. Frauen sind nicht grundsätzlich hitzeempfindlicher als Männer. Ungleichheiten und Benachteiligungen führen jedoch dazu, dass Frauen in mancher Hinsicht stärker, aber auch in anderer Art und Weise betroffen sind. Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen.  

Hitzebelastungen führen zu mehr Gereiztheit und Stress und lassen deshalb auch den Aggressivitätspegel steigen. Dies führt dazu, dass während Hitzeperioden das Gewaltrisiko gegenüber Frauen deutlich ansteigt. Im Berufsleben spüren das vor allem Beschäftigte, die in ihrer Arbeit andere Personen betreuen, versorgen, transportieren oder bedienen, sei es im Einzelhandel, in der Pflege oder im Personenverkehr. Aber auch im privaten Umfeld kommt es vermehrt zu Übergriffen. Studien aus Spanien zeigen, dass es nach Hitzewellen zu einem deutlichen Anstieg von Partnergewalt kommt. In Madrid wurde beispielsweise drei Tage nach einer Hitzewelle ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko für Femizide beobachtet. 

Darüber hinaus leisten Frauen – ob bezahlt oder unbezahlt – den größten Teil der gesellschaftlich notwendigen und unerlässlichen Betreuungs- und Sorgearbeit. Hier kommt an heißen Tagen eine Hitze-Sorge-Spirale in Gang. Frauen müssen nicht nur mit steigender Eigen-Belastung umgehen, wenn etwa die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sinkt oder körperliche Tätigkeiten – wie das Heben oder Waschen von Patient:innen oder Angehörigen – immer beschwerlicher werden. Die Bedingungen verschärfen sich auch deshalb, weil Frauen oftmals für die besonders vulnerablen Gruppen (kleine Kinder, ältere oder erkrankte Personen usw.) Verantwortung tragen, deren Betreuungsbedarf bei großer Hitze steigt. Drittens spielt die Verfügbarkeit von sanitären Einrichtungen eine wichtige Rolle, insbesondere für Beschäftigte, die keinen festen Arbeitsort haben, wie in der mobilen Pflege oder in Verkehrsbetrieben. Die bei Männern gängige Praxis, den öffentlichen Raum für die Verrichtung ihrer Notdurft zu nutzen, ist für viele Frauen keine Option, da hier die Grenzen der Würde deutlich unterschritten werden und auch die Gefahr von Belästigungen besteht. Das Fehlen entsprechender Möglichkeiten hat zur Folge, dass Frauen vorsorglich weniger trinken. Das ist insbesondere bei großer Hitze ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko. 

2. Den Umbau gleichberechtigt mitgestalten

Obwohl Frauen stärker vom Klimawandel betroffen sind, sind sie in den etablierten nationalen und internationalen Gremien sowie in allen Bereichen, in denen Maßnahmen zur Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise entwickelt und beschlossen werden, unterrepräsentiert. Frauen engagieren sich zwar stärker für einen sozialen und ökologischen Umbau, gelangen aber seltener in Machtpositionen, um diesen auch mitzugestalten. Dies gilt insbesondere für Frauen aus nichtprivilegierten sozialen Klassen, Angehörige ethnischer Minderheiten, People of Colour, aber auch für Frauen mit Behinderungen. Die gleichberechtigte Teilhabe unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in politischen Gremien ist entscheidend, denn Studien zeigen, dass Lösungen einseitig ausfallen oder wichtige Folgeeffekte politischer Maßnahmen übersehen werden, wenn die Lebensrealitäten bestimmter sozialer Gruppen nicht repräsentiert sind. Auf betrieblicher Ebene erhöhen Betriebsrätinnen die Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung von gleichstellungspolitischen Maßnahmen, wie Studien aus Deutschland zeigen. 

3. Gesellschaft und Wirtschaft anders gestalten – Sorgearbeit und Klimakrise

Eine Gesellschaft und insbesondere ihre Wirtschaft basiert einerseits auf der Nutzung und teilweise auch Ausbeutung natürlicher Ressourcen, andererseits kann sie nur dann funktionieren, wenn Menschen versorgt, Kinder begleitet und gebildet und Kranke gesund gepflegt werden. Das gegenwärtige Wirtschaftssystem setzt beides als selbstverständlich voraus und eignet sich sowohl die Rohstoffe der Erde als billige und oftmals kostenlose Ressource an als auch die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit. Die negativen Folgen dieser Übernutzung sind deutlich spürbar: etwa im Verlust der Biodiversität und zerstörten Ökosystemen oder in der aktuellen Care-Krise, die sich in Versorgungslücken, Personalnot und der Mehrfachbelastung von Frauen zeigt.

Veränderung können wir erreichen durch eine Abkehr von der ressourcenintensiven Ökonomie, die vor allem auf Profitmaximierung abzielt, hin zu einer Wirtschaft, die das Wohlergehen der Menschen und den Schutz der natürlichen Ressourcen in den Mittelpunkt stellt. Soziale Dienstleistungen spielen dabei eine zentrale Rolle, weil sie unverzichtbare Care-Arbeiten in einer gesellschaftlich organisierten Form erbringen. Ohne eine gute öffentliche Gesundheitsversorgung, frühkindliche Bildung und Betreuung, Langzeitpflege, Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung und vieles mehr würden die meisten von uns erheblich an Lebensqualität einbüßen. Gleichzeitig bieten soziale Dienstleistungen vielen Menschen sinnstiftende und zugleich – im Verhältnis zu vielen Produktionssektoren – ressourcenschonende bezahlte Tätigkeiten, die einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einer klima­neutralen Gesellschaft leisten. Es bedarf daher öffentlicher Investitionen in den Ausbau des sozialen Dienstleistungssektors mit entsprechend guten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Die Bekämpfung der Klimakrise und die Gleichstellung der Geschlechter können so Hand in Hand gehen. 

Ein gut ausgebautes, qualitativ hochwertiges und klimafittes Gesundheits- und Sozialsystem sind von zentraler Bedeutung, damit die durch den Klimawandel steigenden Anforderungen an Betreuung und Sorgearbeit nicht auf die Schultern von Frauen und Privathaushalten geladen werden. Gute Arbeitsbedingungen und eine faire Entlohnung in diesem Sektor bedeuten zudem mehr Lohngerechtigkeit und finanzielle Unabhängigkeit von Frauen. Der flächendeckende Ausbau von qualitativ hochwertigen und leistbaren Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder und ein größeres Engagement der Männer entlasten Frauen und eröffnen ihnen mehr Möglichkeiten, den Umbau der Gesellschaft mitzugestalten und mitzubestimmen. Derzeit haben Frauen, weil sie zwei Drittel der Haus- und Sorgearbeit übernehmen, weniger freie Zeit am Tag als Männer.

4 . Sechs Schritte in eine gleichberechtigte und nachhaltige Gesellschaft

Aus Sicht der Arbeiterkammer ergeben sich sechs zentrale Forderungen für eine Gleichstellungspolitik, die mehr Klimagerechtigkeit ermöglicht: 

  • Es braucht eine gleichberechtigte Mitbestimmung und Beteiligung von Frauen in allen Gremien und Prozessen, die mit klima- und umweltpolitischen Entscheidungen betraut sind.
  • Gender-Mainstreaming und Gender-Budgeting muss als Leitprinzip bei allen klima- und umweltpolitischen Maßnahmen zur Anwendung kommen. (siehe Schwerpunktartikel 4)
  • Kürzere Arbeitszeiten und mehr bezahlte Pausen: Eine neue, gesunde Vollzeit ist ein wichtiger Ansatzpunkt, mit dem auch Belastungen durch Hitze am Arbeitsplatz geringgehalten werden können. 
  • Es braucht klimafitte Arbeitsplätze und ein entsprechendes klimafittes Arbeitsrecht, um Beschäftigte vor Hitze zu schützen.
  • Notwendig sind auch öffentliche Investitionen, um Kindergärten, Pflegeeinrichtungen, Spitäler usw. klimafit zu machen und eine Personaloffensive in Gesundheits- und Sozialberufen, um Beschäftigte zu entlasten.
  • Klimagerechtigkeit braucht mehr Sorgegerechtigkeit: Das bedeutet eine gleiche Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit, indem Privathaushalte durch qualitätsvolle, leistbare und flächendeckende Care-Angebote entlastet werden und Männer einen gerechten Anteil der Haus- uns Sorgearbeit übernehmen.

Wenn der Kampf gegen die Klimakatastrophe erfolgreich sein soll, muss er spürbare gesellschaftliche Verbesserungen bringen. Gerade in der Ausweitung der Geschlechtergerechtigkeit liegt eine große Chance. Die deutliche Aufwertung von Tätigkeiten des Kümmerns und Versorgens und die Gleichstellung von Frauen und Männern, sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privaten, sind Voraussetzungen für ein gutes Leben für alle.