Editorial: Verfahren und ausgebremst
Nein, es geht in diesem Heft nicht schon wieder um den Autoverkehr. Es geht vielmehr um die Frage, wo denn die Probleme wirklich liegen bei Genehmigungsverfahren für öffentliche Infrastrukturen. Starkstromleitungen, Autobahnen und Flughäfen – überall ist der juristische „Wurm“ drinnen. Die Verfahren dauern anscheinend immer länger und alle reden von Verfahrensbeschleunigung. Irgendwie geht nichts mehr weiter. Sowohl Gegner als auch Befürworter hoffen, dass die zuständigen Gerichte in ihrem Interesse entscheiden. Aber sind die Entscheidungen dann auch im öffentlichen Interesse, im Interesse der Allgemeinheit? Und was ist das überhaupt, wer legt das öffentliche Interesse fest? In einer Demokratie sollten die gewählten Vertreter den gesetzlichen Rahmen so gestalten, dass er eine faire Abwägung verschiedener öffentlicher und privater Interessen ermöglicht. Die Politik muss klar sagen, wo und wie auf Lärm-, Boden oder Klimaschutz beim Ausbau öffentlicher Infrastrukturprojekte Rücksicht zu nehmen ist. Allgemeine Verfassungsbestimmungen helfen da nicht weiter, es braucht klare Genehmigungsvoraussetzungen und Gewichtungen in den jeweiligen Fachgesetzen. Am Beispiel der Energieinfrastruktur wird das Dilemma besonders deutlich: Auf der einen Seite erfordern ökologischer Wandel im Energiesystem und Versorgungssicherheit einen Ausbau der Netze, auf der anderen Seite bremsen schlecht abgestimmte und unklare Bestimmungen in Landes- und Bundesgesetzen rasche und auch ökologisch sinnvolle Lösungen. Dabei ist der Nutzen öffentlicher Infrastrukturen aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen weitgehend unumstritten. Dass Genehmigungsverfahren gerade in diesem Bereich vor allem bei komplexen Projekten im Schneckentempo dahin schleichen, sehen die meisten ähnlich. Wer aber die drängende Frage beantworten will, wie derartige Verfahren zu beschleunigen sind ohne dass grundlegende Parteienrechte und gesetzliche Verpflichtungen im Bereich Umwelt- und Naturschutz verletzt werden, muss sich auf eine sachliche Analyse und Debatte einlassen. Der bloße Ruf nach „Verfahrensbeschleunigung“ hilft nicht und bremst rechtssichere Lösungen aus.