Politik
Unter den Füßen wird es knapp: Boden ist wertvoll
In der öffentlichen Diskussion um den Bau der „Dritten Piste“ wurde der Klimaschutz als zentrales Argument des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) gegen den Bau breit erörtert. Etwas unbeachtet blieb dabei ein weiteres Argument des BVwG, das öffentliche Interesse am Bodenschutz: „Die hohe Bodeninanspruchnahme des Vorhabens widerstrebt insgesamt dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung“. Der Bau der dritten Piste würde 661 Hektar hochwertigen landwirtschaftlichen Ackerboden für die Pflanzenproduktion unbrauchbar machen. Der Boden ist eine knappe Ressource, die nicht reproduziert werden kann und der bisherige Bodenverbrauch spiegelt sich auch in der Entwicklung der Bodenpreise wider. So ist laut einem Gutachten zum Bau der „Dritten Piste“, das dem OGH-Urteil zugrundeliegt, in einem Zeitraum von 10 Jahren der Quadratmeterpreis von rund 8 Euro/m2 landwirtschaftliche Nutzfläche auf rund 18 Euro/m2 gestiegen. Im Gegensatz dazu ist, Österreich gesamt betrachtet, eine fallende Preisentwicklung zu beobachten. Während einige Landwirte vom hohen Verkaufspreis ihrer Grundstücke profitieren, sehen andere die Verfügbarkeit ausreichenden Bodens für die zukünftige Generation schwinden.
Bodenverbrauch in Österreich
Aktuelle Daten des Umweltbundesamtes zeigen, dass im Durchschnitt einer Drei-Jahres-Periode 2013 – 2015 der Bodenverbrauch bei 16,1 ha/Tag liegt: Davon werden 7,0 ha für Bau- und Verkehrsflächen und 9,1 ha für Betriebs-, Erholungs- und Abbauflächen genutzt. Laut dem Bericht „Wie geht´s Österreich“ von Statistik Austria nahm die gesamte Flächeninanspruchnahme (Bau- und Verkehrsflächen, Sportanlagen, Infrastrukturflächen) in den Jahren 2001 bis 2015 um 23,1 % zu, was einer Zunahme von 1.043 km² für diese Jahre entspricht. Damit wuchs die Flächeninanspruchnahme im Beobachtungszeitraum deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung (+7,3 %).
Bereits im Jahr 2002 wurde bei der Erstellung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie die ungebremste Entwicklung des Bodenverbrauchs erkannt und der Zuwachs dauerhaft versiegelter Flächen auf 2,5 Hektar/Tag als Ziel festgelegt.
Die Steigerung des Lebensstandards und der Traum vom Eigenheim im Grünen sind die ursächlichsten Gründe für den hohen Bodenverbrauch. So ist laut Statistik Austria die durchschnittliche Fläche einer Wohnung im Hauptwohnsitz von 86,3 m2 im Jahr 1994 auf 99,2 m2 im Jahr 2016 gestiegen ist. Das Einfamilienhaus mit Garten stellt mit zwei Dritteln der Wohngebäude die beliebteste Wohnform für die ÖsterreicherInnen dar und trägt erheblich zur Zersiedelung bei. Ein klares Bekenntnis zu verdichtetem Bauen, um Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig der Zersiedelung entgegenzuwirken, fehlt in Österreich. Aber selbst wenn es ein solches gäbe, würde es bei den Menschen im ländlichen Raum wohl auf wenig Akzeptanz stoßen – zu groß ist der Wunsch nach dem eigenen Einfamilienhaus mit Garten. Großflächige Einkaufszentren am Stadtrand und Betriebsansiedelungen auf der grünen Wiese tragen ebenfalls zum Bodenverlust bei. Was auf den ersten Blick für die Gemeinden gewinnbringend erscheint, verursacht auf lange Sicht oft hohe Kosten für die Allgemeinheit. So ist mit der Flächenwidmung für neuen Wohnraum und Gewerbebetriebe am Dorf/Stadtrand oft eine Verödung des Ortskernes verbunden. Das Umweltbundesamt schätzt die verbaute, ungenutzte Fläche inklusive Gewerbeflächen und leerstehender Häuser auf insgesamt 40.000 Hektar, das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Wien. Leerstehende Gebäude wirken unattraktiv und weitere Wege zu den Geschäften bedingen mehr Individualverkehr. Daher sollte der sorgsame Umgang mit Grund und Boden zu den wesentlichen Anliegen einer zukunftsorientierten Siedlungsentwicklung zählen. Dafür wären hoheitliche Rahmenbedingungen, die eine optimale Flächennutzung verlangen, sinnvoll.
Beeinträchtigungen für die Umwelt
Durch die Versiegelung der Böden gehen wichtige Schutzfunktionen des Bodens für Mensch und Umwelt verloren. So trägt der Boden wesentlich zur CO2-Speicherung und somit zum Klimaschutz bei. Bei nicht nachhaltiger Nutzung kehrt sich dieser Vorteil genau ins Gegenteil um: Das im Boden gespeicherte CO2 wird wieder an die Luft abgegeben. Boden ist ein wichtiger Wasserspeicher und dient dazu Nähr- und Schadstoffe zu filtern, neutralisieren und/oder zu binden. Biodiversität geht verloren, wenn Lebensräume zerschnitten werden. Laut dem Bericht „Wie geht’s Österreich?“ von Statistik Austria stellt die mit der Flächeninanspruchnahme einhergehende Bodenversiegelung eines der größten Umweltprobleme dar und ist ein nahezu irreversibler Prozess.
Um die wichtigen Funktionen des Bodens für die Umwelt EU-weit zu erhalten, setzt sich die Europäische BürgerInneninitiative „People4soil“ – ein Zusammenschluss von über 500 Umweltorganisationen – dafür ein, auf EU-Ebene spezifische Gesetze für den Bodenschutz einzuführen. Laut ihren Recherchen sind seit 1990 in der EU eine Million Hektar fruchtbarer Boden verloren gegangen. Ein bereits ausgearbeiteter Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission für eine Bodenrahmenrichtlinie zum Schutz des Bodens wurde im Jahr 2014 wieder zurückgezogen, aufgrund der Sperrminorität verschiedener EU-Mitgliedsstaaten – darunter auch Österreich und Deutschland. Der von der AK unterstützte Entwurf der Kommission sah vor, Prioritätsgebiete des Bodenschutzes auszuweisen und eine Basis für konkrete Maßnahmen, ein Meldesystem an die EU sowie einen Rahmen für Sanktionen zu schaffen. „People4soil“ kritisiert unter anderem den intensiven Gebrauch von Pestiziden und Chemikalien sowie Monokulturen. Sie führt aus, dass diese Art der Landwirtschaft die Bodenstruktur sowie dessen Ökologie zerstört, was zur Bodenerosion beiträgt. So dauert es beispielsweise 500 Jahre um einen 2,5 cm hohen fruchtbaren Boden aufzubauen. Nur mit nachhaltiger Bewirtschaftung kann ein gesunder und aktiver Boden vor Überschwemmung und Vermurung schützen. Ob das Problem der Bodenversiegelung aufgrund der subsidiären Zuständigkeiten in der Raumordnung aufgegriffen werden kann, ist eher fraglich. Hierzu sind wohl eher nationale Lösungen notwendig.
Lösungen möglich
Eine besondere Rolle um den zukünftigen Flächenverbrauch zu reduzieren, haben die Bundesländer – sie sind für Raumordnung und Bodenschutz zuständig – und die Gemeinden – ihnen obliegt die Flächenwidmung. Im Bundesland Salzburg sollen mit der Novelle des Raumordnungsgesetzes Maßnahmen zur Schonung der Ressource Boden beschlossen werden. So soll mit der Einführung eines Infrastruktur-Bereitstellungsbeitrags erreicht werden, dass zukünftig Bauland rascher aktiv genutzt wird. Dieser Beitrag ist gestaffelt gestaltet und beträgt beispielsweise für gewidmetes Bauland in der Größe von 500m2 – 1.000m2 jährlich 1.400 Euro. Weiters ist für neu ausgewiesenes Bauland eine Befristung von 10 Jahren vorgesehen. Wird in dieser Zeit nicht gebaut, dann fällt dieses Land wieder in seine ursprüngliche Widmung, zum Beispiel Grünland, zurück. Insgesamt wäre eine bundesweite nachhaltige Siedlungsentwicklung, die Bodenversiegelung eindämmt und strategische Planung ermöglicht, auch in Österreich dringend erforderlich. Bauland das bereits ausgewiesen ist, sollte der entsprechenden Nutzung zugeführt werden. Damit könnten mittel- und langfristig der Bodenverbrauch reduziert, sowie leistbares Wohnen ermöglicht und aktiver Bodenschutz betrieben werden.