Interview mit wiener Umweltstadträtin Mag.a Ulli Sima: 20 Jahre Gentechnikfreiheit in Österreich
Sie waren beim Gentechnik-Volksbegehren Gentechnik-Expertin für GLOBAL 2000. Wie verlief die Diskussion zum Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft vor 20 Jahren?
Das waren „wilde“ Debatten. Zum einem war das Thema anfangs natürlich nicht so bekannt, zum anderen haben die Gentech-Lobbyisten mit allen Mitteln versucht, allen einzureden, wie toll gentechnisch manipulierte Lebensmittel denn seien und welch Vorteile diese für die Landwirte bringen würden.
Wir haben eine breite Allianz gebildet, aus Umweltschützern, Konsumentenschützern, Tierschützern, der Kirche, den Bergbauern und vielen anderen. Gemeinsam haben wir die Debatte rasch umgedreht und herausgearbeitet, welche Gefahren für Mensch und Umwelt drohen und dass wir alle Versuchskaninchen einer mächtigen Gentech-Industrie wären.
Es ist schon bemerkenswert, wie einhellig heute die Meinung der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch der Landwirte ist: Man will keine Gentechnik auf Feldern und Tellern!
Nach dem großen Erfolg des Volksbegehrens: Wie wurden die Forderungen umgesetzt?
Wir können stolz sein: Bis heute gibt es keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich und keine Freisetzungen. Alle in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen sind in Österreich verboten.
Und so muss das auch bleiben! Als in Wien für die Landwirtschaft zuständige Stadträtin ist mir das Thema natürlich besonders wichtig und wir lassen da auch keinen Millimeter locker.
Wo sehen sie nach wie vor Handlungsbedarf, um Gentechnikfreiheit für KonsumentInnen zu garantieren?
Während es bei Lebensmitteln in ganz Österreich eine klare Sachlage gibt, gibt es bei Futtermitteln nach wie vor Handlungsbedarf. Denn tierische Produkte, bei denen gentechnisch veränderte Futtermittel wie Gen-Soja zum Einsatz kamen, müssen nicht gekennzeichnet werden. Es gibt aber auch hier positive Entwicklungen: Die Donau Soja Initiative treibt den Anbau europäischer gentechnikfreier Sojasorten voran. Diese Initiative hat u.a. viel zum sehr deutlichen Anstieg der gentechfreien Sojaanbauflächen in Europa beigetragen, was wiederum den Preis der europäischen Sojabohne nach unten befördert hat, weshalb gentechnikfreie Soja wieder deutlich billiger geworden ist als in den Jahren zuvor.
Welche Herausforderungen beim Thema Gentechnik sehen sie heute?
Die nächste Gefahr lauert in Form der „new plant breeding technologies“ (NPBT), wo versucht wird, durch die Hintertür genmanipulierte Produkte auf den Markt zu bringen. Es werden dabei Gensequenzen ausgeschnitten und anderswo eingebracht oder Gensequenzen „ausgeschalten“ – das Genom wird „umgeschrieben“. Diese neuen Techniken lassen sich im Nachhinein nicht nachweisen. Die Industrie macht Druck, dass diese nicht den strengen Gentechnik-Regelungen unterliegen. Das ist völlig inakzeptabel, wir KonsumentInnen dürfen keine Versuchskaninchen werden, strenge Kontrollen und Kennzeichnung derart behandelter Lebensmittel sind unerlässlich. Wien hat auf EU-Ebene diese Forderungen bereits kundgetan und wir werden hier nicht nachgeben!