AK-Studie: Freihandel: Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge
Öffentliche Dienstleistungen in der EU stehen unter Druck: Die Verhandlungen zu Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA = Comprehensive Economic and Trade Agreement) oder den USA (TTIP = Transatlantic Trade and Investment Partnership) können eine Aushöhlung der öffentlichen Daseinsvorsorge bedeuten – sie schaffen jedenfalls einen starken Liberalisierungsdruck. Bereits über drei Millionen Menschen in Europa haben eine BürgerInneninitiative gegen TTIP und CETA unterzeichnet.
Dienstleistungen der Daseinsvorsorge gehören in die öffentliche Hand und müssen vom gesamten Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen werden – etwa Bildung, Gesundheits- und soziale Dienstleistungen, Abwasser- und Müll-entsorgung, Energie, Verkehr, kulturelle und audio-visuelle Dienstleistungen und Wasserversorgung. Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen CETA wurden im September 2014 offiziell abgeschlossen. Sie dauerten fünf Jahre und wurden weitgehend im Geheimen geführt. Seit über einem Jahr wird in der Öffentlichkeit intensiv über mögliche Auswirkungen von Freihandelsabkommen diskutiert, wird CETA doch als Blaupause für das derzeit verhandelte Abkommen mit den USA (TTIP) gesehen. Die vorliegende Studie klärt, wie weit CETA rechtliche und politische Gestaltungsspielräume für die Organisation, Erbringung und Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen, insbesondere auch der Gemeinden, beeinträchtigt. In Hinblick auf Dienstleistungen und Investitionen stellt CETA – in den Worten der EU-Kommission – „das umfassendste Handelsabkommen dar, das die EU bisher abgeschlossen hat“.
Das Spannungsverhältnis zur Daseinsvorsorge wird dadurch verschärft, dass CETA mit dem Kapitel zum Investitionsschutz auch ein Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (Stichwort: ISDS) vorsieht. InvestorInnenklagen im Zusammenhang mit behaupteten Verletzungen von Investitionsschutzstandards (wie z.B. dem Prinzip der gerechten und billigen Behandlung oder dem Gebot der Entschädigung für sog. „indirekte Enteignungen“) können hohe staatliche Entschädigungszahlungen nach sich ziehen. Zugleich können derartige Klagen eine abschreckende Wirkung entfalten, welche die Regelungsfreiheit und den Gestaltungsspielraum für die Daseinsvorsorge indirekt einengt (sog. „regulatory chill“).
Beeinträchtigungen
CETA wirft daher eine Frage von grundlegender Bedeutung für die Daseinsvorsorge auf: Beeinträchtigen die Liberalisierungspflichten und Investitionsschutzregeln in ihrem Zusammenspiel rechtliche und politische Spielräume für die Gestaltung öffentlicher Dienstleistungen? Entsteht also durch CETA ein zusätzlicher Druck zur Öffnung für mehr Wettbewerb? Werden Vorgaben zum Umfang und zur Qualität von öffentlichen Dienstleistungen eingeschränkt, die eine gemeinwohlorientierte Organisation und Erbringung dieser Leistungen sicherstellen sollen? Insgesamt zeigt die Studie, dass CETA erhebliche rechtliche und politische Auswirkungen für die Daseinsvorsorge in Österreich haben kann. Davon, dass der Spielraum Österreichs und der anderen Mitgliedstaaten in der Daseinsvorsorge durch CETA völlig unberührt bleiben wird, wie dies die Kommission postuliert („Member states are entirely free …“), kann keine Rede sein.