AK-Studie: Neue Gentechnik – Grundlagen für kommende politische Debatten
Das Veränderungspotenzial bei der neuen Gentechnik ist deutlich größer, als bei bisherigen Verfahren: Von kleinen Punktmutationen in der Zelle bis zum Einbringen mehrerer Eigenschaften und Verändern komplexer Merkmale sowie ganzer Stoffwechselwege. Nutztiere sollen z.B. so verändert werden, dass sie mehr Fleisch oder Milch mit veränderten Inhaltsstoffen produzieren oder virusresistent werden. Die Studie selbst fokussiert auf die aktuelle Diskussion rund um die Pflanzenzucht. Die Einleitung bringt einen Überblick über die bisherige Debatte zur neuen Gentechnik auf europäischer Ebene. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte im Juli 2018 klar, dass die durch die neuen Gentechnikverfahren hergestellten Produkte gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind und damit der EU-Gentechnikgesetzgebung unterliegen. Dies bedeutet eine umfassende Risikoabschätzung dieser GV-Produkte vor einer Marktzulassung, sowie die Kennzeichnung als GVO-Produkte. Der EuGH begründet dies damit, dass die neuen GVOs, mit ähnlichen Risiken verbunden sein könnten wie herkömmlich erzeugte GVOs.
Konsument*innen- und Umweltschutzgruppen begrüßten diese EuGH-Entscheidung. Einige Stakeholder und Mitgliedstaaten stehen diesem Urteil aber sehr kritisch gegenüber. Sie haben den Wunsch, einige Methoden der neuen Gentechnik mit der herkömmlichen Züchtung gleichzustellen – wie dies z.B. in den USA oder Kanada der Fall ist. Aber wäre es wissenschaftlich gerechtfertigt, bestimmte Anwendungen oder Techniken aus dem Gentechnikrecht auszunehmen oder ein eigenes Regelwerk zu schaffen? Was würde dies für Konsument*innen hinsichtlich Kennzeichnung oder Wahlfreiheit bedeuten? In der Studie wird die derzeitige rechtliche Lage für Gentechnik dargestellt. Im Fokus steht dabei der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, die Wahlfreiheit sowie die Anbauverbote bzw. -beschränkungen von GVOs. Anschließend werden unterschiedliche rechtliche Szenarien und deren Auswirkungen auf die gentechnikfreie Produktion (gentechnikfreie Kennzeichnung, Biolandbau) beleuchtet. Klar ist: Bei einer Deregulierung einzelner Anwendungsbereiche müsste der Umfang dieser sehr genau definiert werden, um Unklarheiten zu vermeiden und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Eine Neuregulierung auf Basis der eingesetzten Technik würde zudem unberücksichtigt lassen, dass mit ein und derselben Technik (z.B. CRISPR/Cas) kleine und große Änderungen erzeugt werden können. Eine Deregulierung hätte aber auf jeden Fall zur Folge, dass weder Risiken für die menschliche Gesundheit noch für die Umwelt bewertet werden würden. Dies würde auch bedeuten, dass Produkte mit dem Gentechnik-frei Label und biologisch produzierte Produkte nicht mehr Gentechnik-frei im derzeitigen Sinn wären. In den Schlussfolgerungen wird darauf hingewiesen, dass die derzeit in der EU etablierten Kontrollsysteme für GVOs es ermöglichen, auch auf unerwartete negative Auswirkungen bei GVOs zu reagieren und z.B. gegebenenfalls Produkte wieder vom Markt zurückzurufen, sowie die Wahlfreiheit der Konsument*innen zwischen konventionellen und gentechnikfreien Produkten zu sichern. Vorschläge für Änderungen in der Gentechnikgesetzgebung sollten, so sie kommen, gut durchdacht sein.