Politik
100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030 – Da geht noch was!
In nur 10 Jahren soll die erneuerbare Stromerzeugung um 27 Terrawattstunden (TWh) erhöht werden und damit zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen. Das entspricht in etwa einer Verdreifachung der bisher geförderten Ökostrommenge oder der Gesamtleistung aller großen österreichischen Laufwasserkraftwerke. Der überwiegende Teil davon soll aus Photovoltaik (11 TWh) und Windkraftanlagen (10 TWh) kommen, aber auch die Wasserkraft (5 TWh) und Biomasse (1 TWh) spielen eine Rolle.
1 Milliarde Euro jährlich
Die Förderkosten werden dabei mit 1 Milliarde Euro pro Jahr veranschlagt. Tatsächlich lassen sich die Kosten aber nicht seriös prognostizieren, da der Förderbedarf wesentlich vom stark schwankenden Stromgroßhandelspreis abhängt. Eine strenge Kostenobergrenze sieht das Gesetz nicht vor. Aufbringen sollen die Fördermittel auch in Zukunft die Stromverbraucher*innen über einen Aufschlag auf die Netzentgelte, dem sogenannten Erneuerbaren Förderbeitrag und der erneuerbaren Förderpauschale, die pro Zählpunkt zu zahlen ist.
Weniger Kosten und mehr grüner Strom
Private Haushalte sind schon heute überproportional mit den Förderkosten belastet und das Risiko der schwankenden Strompreise kann nicht von ihnen alleine getragen werden (siehe Kasten rechts). Die AK fordert daher eine Kostenbegrenzung für private Haushalte von rund 100 Euro pro Jahr (bei 3.500 kWh Jahresverbrauch). Damit eine solche Begrenzung möglich ist und dennoch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die ambitionierten Erneuerbaren Ausbauziele zu erreichen, ist ein Bündel an Maßnahmen notwendig.
Erstens, zumindest ein Teil der Fördermittel sollte nicht über die Stromrechnung der Verbraucher*innen, sondern über das Bundesbudget finanziert werden. Das gilt insbesondere für jenen Teil der Fördermittel, welcher die Grenze von jährlich einer Milliarde Euro übersteigt. Letzteres hätte auch den Vorteil von mehr Planungssicherheit für große Stromverbraucher*innen, wie die energieintensive Industrie.
Zweitens betrifft die Umsatzsteuer. Die privaten Haushalte kommen nicht nur für einen überproportionalen Teil der Förderkosten auf, sondern müssen dabei auch noch zwanzig Prozent Umsatzsteuer zusätzlich zahlen. Das heißt das Finanzministerium zieht sich nicht nur aus der Verantwortung zurück, wenn es um die Finanzierung der Energiewende geht, sondern verdient sogar noch daran. Das muss nicht sein. Wie ein Rechtsgutachten der AK zeigt, reicht eine einfache Formulierung im Gesetz aus, um diese Steuerlast zu beseitigen.
Drittens, Kreditgarantien. Die Kosten für erneuerbare Energieanlagen sind stark von den Finanzierungskosten, also von Zinskosten und Risikoaufschlägen, abhängig. Staatliche Kreditgarantien, wie sie bereits heute etwa vom Austria Wirtschaftsservice (aws) vergeben werden, könnten diese Kosten wesentlich senken. Das Kredit-Ausfallsrisiko für den Staat ist durch die Förderung der erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen vernachlässigbar gering.
Neues Fördersystem, alte Fehler
Und – last but not least – Viertens: Bei der Ausgestaltung des Fördersystems besteht noch wesentliches Verbesserungspotenzial, welches es erlaubt aus jedem Fördereuro noch mehr grünen Strom zu gewinnen. Dazu müssen die Mittel effizienter eingesetzt werden und die Anreize verstärkt werden, um die Anlagen bestmöglich in das Stromsystem integrieren zu können.
Bisher erhielten die geförderten Anlagenbetreiber Investitionszuschüsse oder einen fixen Abnahmepreis (Einspeisetarif) für jede in das Netz eingespeiste Kilowattstunde Strom. Auch in Zukunft wird es für kleine bis mittlere Anlagen (PV bis 20 kW bzw. optional bis 500 kW, Wind- und Wasserkraft bis 1 MW) Investitionsförderungen geben. Größere Anlagen sollen in Zukunft anstelle von Einspeisetarifen sogenannte Marktprämien erhalten. Das bedeutet, dass die Anlagenbetreiber ihren Strom selbst verkaufen und zusätzlich als Aufschlag auf den Verkaufspreis eine Förderung in Form der Marktprämie erhalten. Die Höhe dieser Marktprämie wird über Ausschreibungen ermittelt oder behördlich festlegt. Sie gilt 20 Jahre und wird regelmäßig an die Strom-Marktpreisentwicklung angepasst. Sinkt der durchschnittliche Strom-Marktpreis so steigt die Prämie dementsprechend. Die Anlagenbetreiber sind somit keinem Marktpreisrisiko ausgesetzt, haben aber dennoch stärkere Anreize zur Marktintegration als bisher. Oder anders gesagt, es macht nun mehr Sinn Anlagen zu errichten, die übers Jahr gesehen vielleicht weniger, dafür aber zum richtigen Zeitpunkt mehr Strom produzieren (Ost-West- statt Südausrichtung bei PV-Anlagen, Schwachwindanlagen etc.).
Das Wie ist nicht trivial
Doch weder die Festlegung der Höhe der Marktprämie noch die Ausgestaltung dieser sind trivial. Über die Höhe der Marktprämie werden schlussendlich zwei Regelungen des EAG entscheiden. Und zwar die Bestimmung zur Festlegung der Höchstpreise bei wettbewerblichen Ausschreibungen und die behördliche (administrative) Festlegung der Prämie in jenen Bereichen, wo man den Anlagenbetreibern keine Ausschreibung zumuten will. Und hier liegt auch eine ganz zentralen Schwachstelle des Gesetzesentwurfs. Denn das Gesetz lässt über weite Strecken offen, wie die Höhe des Höchstpreises und der administrativen Prämie bestimmt werden sollen. Dies hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Förderhöhe nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprach. So stellt etwa der Rechnungshof fest, „dass Anlagen an einem guten Standort in der Praxis innerhalb von 13 Jahren eine Verzinsung von über 11 Prozent erwirtschaften können. Dies ist nahezu die doppelte Verzinsung, die (…) im Rahmen des Ökostromgesetzes 2012 mit 6 Prozent angenommen wurde.“ Das entspricht einer Eigenkapitalrendite von mehr als 20 Prozent pro Jahr. Um zu verhindern, dass private Haushalte – wie bereits in der Vergangenheit – unter dem Titel Erneuerbarer Förderung die überhöhten Kapitalrenditen einiger Weniger finanzieren, fordert die AK ein restriktives behördliches Verfahren zur Festlegung der Fördertarife. Ein ähnliches Verfahren wird bereits heute zur Bestimmung der Strom- und Gasnetzentgelte angewandt und auch in Deutschland legt die Bundesnetzagentur die maximale Tarifhöhe fest. Im Falle hoher Strompreise sollte die Marktprämie zudem auch negative Werte annehmen können, damit überhöhte Marktprämien zurückzuzahlen sind. Denn nur durch eine solche „symmetrische“ Ausgestaltung der Marktprämie kann verhindert werden, „dass die Risiken niedriger Strompreise sozialisiert, die Profite hoher Strompreise aber privatisiert werden.”
Am Geld wird es nicht scheitern
An der monetären Förderung wird es nicht scheitern, solange auch auf die Kostenverteilung geachtet wird. Auf dem Weg zu 100 Prozent erneuerbarem Strom gibt es jedoch noch eine Reihe weiterer Herausforderungen. Das betrifft etwa den Netzausbau. Zur Integration der neuen Anlagen und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit sind in den kommenden Jahren massive Investitionen in die Digitalisierung und den Ausbau der Infrastruktur notwendig. Insbesondere im Übertragungsnetz gilt es Stakeholder frühzeitig einzubinden und lange Genehmigungsverfahren zu straffen. Für abertausende erneuerbare Energieanlagen wird es die entsprechenden Flächen brauchen. Hier sind die Länder gefordert, mit angemessenen, klaren und einheitlichen Regeln den richtigen Weg zu finden, um die Akzeptanz der Bevölkerung nicht zu verlieren und ausreichend Flächen zu schaffen. Das Erneuerbaren Ausbaugesetz wird nun im Nationalrat verhandelt und hoffentlich bald mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit beschlossen. Ein wichtiger Schritt, dem noch viele folgen müssen, um 2030 das Ziel zu erreichen.