Leben

Was beeinflusst den Lebens­mittel­konsum?

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Rund ein Drittel des aus Haushalten resultierenden Umweltschadens kann auf den Konsum von Lebensmitteln zurückgeführt werden. Damit diese ökologischen Auswirkungen reduziert werden können, muss auch die uralte Frage der Verantwortung geklärt werden. Auf der einen Seite wird den KonsumentInnen vorgeworfen, dass sie sich nur an den billigsten Produkten orientieren. Auf der anderen Seite heißt es, die ProduzentInnen und Handelsketten würden mit ethisch fragwürdigen Methoden KonsumentInnen in die Irre führen. Was beide Seiten aber einigt, ist die Beschränkung der Diskussion auf Faktoren, die unmittelbar mit dem Essen zu tun haben. Andere Faktoren – wie die Arbeitsteilung der Geschlechter, Flexibilisierung der Arbeitszeit und Mobilität –, werden weitgehend ignoriert. In der Folge soll gezeigt werden, wie diese scheinbar unabhängigen Bereiche den Konsum beeinflussen und wie dadurch die Frage der Verantwortung in einem neuen Licht erscheint.

Geschlechtliche Arbeitsteilung

Das Einkaufen von Lebensmitteln wird in allen europäischen Ländern noch immer vorwiegend von Frauen erledigt. Während sich 14 Prozent der Männer in Österreichs Haushalten nicht für den Lebensmitteleinkauf zuständig fühlen, sind es bei Frauen nur rund ein Prozent. Dennoch steigt die Beteiligung von Männern, was nicht zuletzt an der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen liegt. Die steigende Anzahl an Haushalten mit zwei Erwerbspersonen hat dabei einen interessanten Nebeneffekt auf die Praxis des Lebensmitteleinkaufs: Dadurch, dass den Haushalten weniger Zeit zum Einkaufen während der Woche bleibt, hat sich die Beschaffung von Lebensmitteln vermehrt auf die Wochenenden verschoben. Dieser Prozess ist aus ökologischer Sicht aus zweierlei Gründen bedeutsam: Zum einen wird aufgrund der geringeren Einkaufsfrequenz mehr eingekauft (siehe Kasten), wodurch sich die KonsumentInnen stärker am Preis und Umfang des Produktsortiments orientieren. Die KonsumentInnen neigen bei Großeinkäufen stärker zu günstigen Angeboten, da der Aufpreis für beispielsweise Bio-Produkte stärker ins Gewicht fällt. Zum anderen zeigen Studien, dass WochenendkäuferInnen öfter zu Fertigprodukten greifen.

Mobilität

Bei Großeinkäufen am Wochenende gewinnt auch der Umfang des Produktsortiments eines Supermarkets an Bedeutung. Ohne Frage können dabei kleine Lebensmittelläden nicht mit den Hypermärkten außerhalb der Stadt- und Dorfzentren konkurrieren. Die Verdrängung der Lebensmittelmärkte durch große Supermärkte (siehe Grafik) ist in diesem Kontext zu sehen. Dieser Prozess wäre ohne ein verändertes Mobilitätsverhalten nicht möglich gewesen. Das Auto ist Grundvoraussetzung für die Erreichbarkeit der großen Supermärkte und ermöglicht erst den Transport großer Einkaufsmengen. Damit begünstigt das veränderte Mobilitätsverhalten die Verbreitung von „Lebensmittel-Wüsten“ – Gebieten, in denen der Zugang zu frischen Lebensmitteln fehlt – und macht das Einkaufen nur mehr mit dem Ausstoß von Schadstoffen möglich.

Flexibilisierung der Arbeitszeit

Der Konsum von Fertigprodukten wird auch noch durch eine andere Tendenz begünstigt. Der Anteil der industriell verarbeiteten Produkte an den gekauften Lebensmitteln liegt bei der Hälfte der ÖsterreicherInnen bei mindestens zehn Prozent. Bei jedem Fünften sind es mindestens 30 Prozent verarbeitete Produkte. Beachtlich ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jemand vorverarbeitete Produkte konsumiert, mit dem Alter sinkt und mit dem Bildungsniveau steigt. Mit der tatsächlich gearbeiteten Zeit hingegen kann kein Zusammenhang nachgewiesen werden. Wozu sind Fertigprodukte dann da? Der wahre Vorteil von Fertigprodukten lässt sich erst in ihrem Wert für das alltägliche Zeitmanagement erkennen. In einer Welt, in der durch die Zunahme an Werkverträgen und prekären Arbeitsverhältnissen die Flexibilität der Arbeitszeit steigt, ist es für Familie und Bekannte von entscheidender Bedeutung, die freien Zeitfenster untereinander abstimmen zu können. Fertigprodukte erlauben es durch ihr ständiges „Zurverfügungsein“ Zeit für soziale Aktivitäten zu schaffen. Kurz: Ob jemand Fertigprodukte konsumiert oder nicht, hat weniger mit Faulheit als mit der Flexibilität der Arbeitszeit zu tun.

Mit der geschlechtlichen Arbeitsteilung, Mobilität und Flexibilisierung der Arbeitszeit sind nur drei Bereiche angesprochen, die wesentlichen Einfluss auf den Lebensmittelkonsum ausüben, doch in der Debatte um nachhaltigen Konsum völlig untergehen. Unabhängig vom Gegenstand ist im Kontext der Nachhaltigkeit aber die Berücksichtigung der Auswirkungen einer Entwicklung oder Maßnahme auf scheinbar unabhängige Bereiche essenziell. Damit ließen sich Verantwortliche finden, die in der gegenwärtigen Diskussion ungenannt bleiben.