Kontroverse: Ökostrom: Fixe Einspeisetarife langfristig beibehalten?
Pro: Das Einspeistarifsystem ist sicher nicht perfekt. Ich sehe keines, das effizienter und billiger ist.
Langsam sollte es allen klar werden, dass wir in einem Energiesystem leben und wirtschaften, welches nicht nachhaltig ist und zukünftige Generationen enorm belastet. Wir vergeuden (verbrennen) wertvolle fossile Rohstoffe (Öl, Gas, Kohle) und ruinieren das Klima worunter die Lebensgrundlagen zukünftig belastet sind. Weltweit wird knapp 80 Prozent der Energie fossil erzeugt. Die Energiewende hin zum Einsatz erneuerbarer Energien und zu mehr Effizienz kann nicht länger warten. Schon unsere Enkelkinder (ihnen vererben wir die Perspektive, eine Klimaerwärmung um 4° C sowie eine Ressourcenknappheit mit fatalen Folgen erleben zu müssen) werden uns fragen, ob wir es nicht gewusst haben oder ob uns ein kurzfristiger wirtschaftlicher Vorteil wichtiger war als ihre Zukunft.
Preistreiber bei Energie waren in den letzten Jahren eindeutig fossile Energieträger, während die jährlichen Kosten für die Förderung von Ökostrom mit rund 300 Millionen Euro sich kaum verändert haben. Seit 2003 haben sich die Kosten für den Import von fossilen Energieträgern nach Österreich (Öl und Gas) mehr als verdreifacht. Allein im letzten Jahr hat ein österreichischer Haushalt im Durchschnitt 200 Euro mehr für Heizöl ausgegeben. Im Schnitt betragen die gesamten Energiekosten für einen Haushalt mittlerweile 3.000 Euro pro Jahr (inkl. Wärme, Strom, Treibstoffe). Im vergangenen Jahrzehnt stieg der Strompreis mit plus 18 Prozent deutlich langsamer als die Preise aller anderen Energieformen. 2012 ist der Strompreis mit plus 0,8 Prozent um zwei Drittel unter der allgemeinen Inflationsrate von 2,4 Prozent gelegen. Der Ökostromzuschlag lag mit 44 Euro im Jahr 2012 für einen Haushalt unter zehn Prozent der gesamten Stromkosten.
Solange Schäden der Stromerzeugung bei fossilen Anlagen (Umweltschäden in den Förderländern, Folgekosten des Klimawandels), die Kosten für Treibhausgasemissionen skandalös niedrig sind, Risikokosten und Endlagerkosten bei Atomanlagen vom Steuerzahler und hunderten zukünftiger Generationen zu tragen sind, ist es energiepolitisch zweckmäßig und gesamtwirtschaftlich sinnvoll, das bestehende Einspeisesystem in Österreich aufrecht zu erhalten. Der Vergleich mit anderen Modellen zeigt eindeutig, dass erneuerbare Energieträger schneller gebaut, günstiger finanziert und damit effizienter umgesetzt werden können, ohne Überförderung zu riskieren. Die Gesamtkosten für den Strommarkt sind damit gut kalkulierbar. Das Tarifsystem schafft einen relativ guten planbaren Rahmen, wodurch auch Private in Photovoltaik-, Windkraft- und Biomasseanlagen investieren können. Österreich hat mit einer relativ kurzen Laufzeit für den garantierten Einspeisetarif von 13 Jahren gegenüber Deutschland schon einen hohen Anteil Markt im System und damit keine Veranlassung Experimente zu machen.
Gerade die stärker dezentrale Energieproduktion mit erneuerbaren Quellen schafft Einkommensmöglichkeiten und Arbeitsplätze. In der Diskussion über die Energiewende in Österreich und anderen Ländern habe ich oft den Eindruck, dass das weniger willkommen ist, als jährlich eine steigende Energieimportrechnung nach Russland, Saudi Arabien oder Nigeria zu zahlen. Es geht auch um mehr Energieunabhängigkeit.
Con:
Energiewende ist eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe,
deren Kosten auf alle gerecht zu verteilen sind
Unser Energiesystem ist im Wandel – am deutlichsten sichtbar ist dieser Transformationsprozess in der Stromwirtschaft: Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen am Brutto-Stromverbrauch liegt 2011 in Österreich bei knapp 65 Prozent (Statistik Austria), der Anteil des Ökostroms bei 9,3 Prozent (Ökostrombericht 2012). Verantwortlich für diesen Aufschwung des Ökostroms in den letzten 10 Jahren sind primär hohe Subventionen, die jährlich in diese Technologien fließen. Für den Ökostrom erhalten die Produzenten fixe Abnahmepreise für einen Zeitraum über 13 bis 15 Jahren garantiert. Finanziert werden diese Fördermittel, durch alle StromverbraucherInnen, allerdings nicht gleichermaßen: Die privaten Haushalte, die nur knapp ein Viertel des Stroms verbrauchen, zahlen zwischen 35 und 40 Prozent der Ökostromkosten. Während die Industrie, die 20 Prozent des Stroms verbraucht, nur rund sechs Prozent der Ökostromförderkosten bezahlt. Diese Schieflage ist nicht den Ökostromerzeugern anzulasten, sondern Ausdruck der Bevorzugung der Industrie durch die Politik. Verantwortung tragen die Ökostromerzeuger hingegen für die Verwendung der Ökostrommittel, die die Einzelinteressen einzelner Ökostromtechnologien widerspiegeln: So erzielen derzeit Windkraftbetreiber zweistellige Umsatzrenditen. Der größte private Betreiber wurde vor kurzem mit folgenden Worten zitiert: „Es ist eine angenehme Art Geld zu verdienen. Immerhin ist unser Umsatz staatlich garantiert.“ (Trend, März 2013) Am anderen Ende der Förderskala finden sich wirtschaftlich unrentable Biogasanlagen, die mit überhöhten Förderungen seit Jahren künstlich am Leben gehalten werden (APA, 23.07.2012). Diese Fehlallokationen von Fördermittel führen zu immer höheren Kosten – 2015 sollen sich die Kosten bereits auf rund 550 Millionen Euro belaufen. Kosten, die am Ende auf die StromverbraucherInnen abgewälzt werden und dies überproportional stark auf die privaten Haushalte. Hinzu kommen noch weitere Kosten für den zusätzlichen Netzausbau und den zunehmenden Bedarf an Ausgleichsenergie. Und nun rufen konventionelle Gas-Kraftwerksbetreiber immer lauter nach Subventionen, als Anreiz für ihre Bereitstellung von Reserveleistungen. Denn hohe Gaseinstandspreise und niedrige Preise an den Strombörsen – bedingt durch das vermehrte Angebot subventionierten Ökostroms – reduzieren derzeit die wirtschaftliche Rentabilität dieser Anlagen.
Noch deutlicher kann sich der Bedarf an einer Reform des bisherigen Förderregimes wohl nicht zeigen. Denn die Transformation des Energiesystems ist eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe, deren Kosten auf alle gerecht verteilt werden müssen, genauso wie der Nutzen allen zugutekommen soll. Das erfordert einen gesamthaften, systemischen Blick auf das Energiesystem: Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat kosteneffizient, im Gleichklang mit den erforderlichen Energie-Infrastrukturen und mit dem Ziel der Heranführung der Erzeugertechnologien an die Marktreife zu erfolgen. Damit einher geht, dass Subventionen für Technologien auch einmal auslaufen. Das erfordert ein Förderregime, das vorrangig auf Investitionsförderungen basiert.