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Serbien: Arbeits- und Rohstoffkolonie der Kfz-Industrie?

Neben der Hauptstraße des ostserbischen Bergbaustädtchens Bor steht ein großes Plakat: „Mining for a better future“. Folgt man der Straße ein paar hundert Meter bis zum Ortsrand, sieht man, was der chinesische Konzern Zijin Mining unter einer „besseren Zukunft“ versteht: eine riesige Abraumhalde.

In Bor wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts Kupfer abgebaut. Während der Besatzung durch Nazideutschland mussten insgesamt 80.000 Zwangsarbeiter die Hälfte des deutschen Kupferbedarfs decken. Im Jugoslawien der Nachkriegszeit wurde der Kupferabbau durch den Arbeiterselbstverwaltungsbetrieb RTB, der bis zu 20.000 Beschäftigte zählte, massiv ausgebaut und modernisiert. Es gibt sogar bis heute eine eigene Montan-Hochschule. Gleichzeitig wurde die Weiterverarbeitung des Kupfers vorangetrieben. Nach dem Zerfall von Jugoslawien blieben die Investitionen aus und ein Niedergang setzte ein.

Aufgrund seiner guten elektrischen Leitfähigkeit ist Kupfer allerdings ein wichtiger Rohstoff für die anstehende Dekarbonisierung und die Energiewende. Der Bedarf wächst kontinuierlich. Im Jahr 2018 verkaufte der serbische Staat 63 Prozent des Bergbaubetriebs an die chinesische Firma Zijin Mining. Für das Erz aus den bestehenden Tagebauen wurde die Schmelzanlage erneuert und mit einem besseren Filter ausgestattet. Zudem eröffnete Zijin Mining ein unterirdisches Bergwerk, das Erz mit besonders hohen Kupfer-, aber auch Arsengehalten fördert und direkt nach China versendet. Serbische Gewerkschafter klagen über die mangelhafte Belüftung der Mine und die stagnierenden Löhne. Die Umweltsituation wird generell als schlecht eingeschätzt. Dem Vernehmen nach beschäftigt der Konzern auch rund 10.000 chinesische Arbeiter, mit denen die Kommunikation schwierig sei.

Ist man in der Umgebung der Mine unterwegs, fällt auf, dass die Produktion massiv ausgeweitet wird. Zijin Mining will Bor zur größten Kupfermine Europas machen. In der Gemeinde Krivelj wurden Rathaus und Postamt kurzerhand in das Büro von Zijin Mining für Umsiedlungsfragen umgewandelt. Die Hälfte der Einwohner:innen ist inzwischen weggezogen. Der Abbau ist bis an den Ortsrand herangerückt.

Der Run auf Lithium

Lithium ist derzeit der gefragteste Rohstoff für den Bau von Autobatterien. Rund zwei Drittel der weltweiten Produktion werden für die Erzeugung von Akkumulatoren verwendet. Rund ein Prozent der weltweiten Lithiumressourcen befindet sich in Serbien. Darauf haben sowohl die EU als auch die deutsche Kfz-Industrie ein Auge geworfen.

Die Landschaft des Jadar-Tals nahe der Grenze zu Bosnien erinnert mit ihrem fruchtbaren Hügelland und den relativ wohlhabenden Dörfern an die Südsteiermark. Hier plant der anglo-australische Bergbaukonzern Rio Tinto einen Untertagebau mitten im bewohnten Gebiet. Es wird mit einem Platzbedarf von mehreren hundert Hektar gerechnet und auch der Wasserverbrauch wird enorm sein. Rio Tinto führt bereits Probebohrungen durch und kauft beispielsweise in Gornjek Nedelice Häuser auf. Im Dorf gibt es seit vier Jahren ein permanentes Widerstandscamp. Die Aktivist:innen klagen, dass sie als „Staatsfeind Nr. 1“ gesehen werden. Sie fühlen sich von der EU im Stich gelassen und verweisen süffisant darauf, dass die offiziellen Lithium-Ressourcen in Deutschland viermal höher sind als jene in Serbien.

Arbeitsintensive Zulieferung für die Kfz-Industrie

Insgesamt arbeiten derzeit rund 95.000 Menschen in der serbischen Kfz-Industrie. Es gibt allerdings kaum heimische Unternehmen. Ausländische Firmen haben – angelockt durch hohe Subventionen und ein niedriges Lohnniveau – zwar Zulieferbetriebe errichtet, die liefern aber nur an die großen Player und bilden keine durchgehende Lieferkette.

So errichtete der chinesische Reifenhersteller Linglong in Zrenjanin die größte Reifenfabrik Europas. Die Hauptabnehmer: Renault und Volkswagen. Im Jahr 2021 wurde bekannt, dass das ohne Baugenehmigung errichtete Werk von 500 vietnamesischen Arbeiter:innen unter katastrophalen und sklavenähnlichen Bedingungen gebaut wurde. 

Bei einem Treffen mit Gewerkschaftsvertreter:innen der drei Zulieferbetriebe Yura, Yanfeng und IMI zeigten sich fast identische Probleme. Für die Schaffung von Jobs zahlt der serbische Staat zwischen 7.000 und 10.000 Euro pro Arbeitsplatz. Im Gegenzug müssten die Unternehmen diese 

Beschäftigten deutlich über dem Mindestlohn bezahlen. Das ist aber kaum der Fall. Die Gehälter schrammen an den gesetzlich verordneten 500 Euro entlang. Nur durch Bonuszahlungen für Überstunden, das Vermeiden von Krankenständen und mit Sonderschichten können diese Hungerlöhne aufgebessert werden. Hauptsächlich sind Frauen beschäftigt, die im Sommer unter der Hitze in den Werkshallen leiden. Beim Unternehmen Yura musste einmal neben Gehaltverbesserungen sogar für saubere WCs und Klopapier gestreikt werden. Der allgemeine Tenor: Die Arbeits- und Sozialgesetze sind schlecht und werden obendrein weder kontrolliert noch eingehalten. Aber auch hier sieht man nicht in den handelnden Unternehmen den Hauptfeind, sondern in der korrupten Regierung von Aleksandar Vučić.