Schwerpunkt
Raum für gutes Leben
Interview mit Hans Emrich : „Life-Work-Live-Balance“ für Stadt und Land
Welche Hindernisse gibt es für eine ökologisch sinnvolle Gestaltung im Bereich der Raumplanung/Flächennutzung?
Raumplanung ist Ausdruck unserer Gesellschaft: Die RaumplanerInnen liefern Entscheidungsgrundlagen, alle Beschlüsse werden aber von unseren demokratisch legitimierten Vertreterinnen gefasst – den Politikerinnen. Es hängt alles an deren Mut: Auf Landesebene bei der Gestaltung der Raumplanungs-Gesetze und auf Gemeinde-Ebene bei der täglichen Umsetzung.
Leider beherrschen Einzelinteressen und Besitzstands-Wahrer viel zu oft die öffentliche Diskussion und geben damit die Linie für die Politik vor. Menschen, denen eine nachhaltige Zukunft wichtig ist, verschaffen sich noch zu wenig Gehör. Für eine ökologisch sinnvolle Gestaltung unserer Umwelt brauchen wir: Engagement von Menschen, denen eine gute Zukunft am Herzen liegt und vor allem politischen Mut!
Welchen Beitrag kann die Raumplanung zum Klimaschutz leisten?
Wir müssen anerkennen, dass unsere Umwelt endlich ist und dass es Grenzen gibt, auch in Bezug auf Wachstum. Hier sind wir alle gefordert, zukunftstaugliche Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, besonders Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Stichworte dazu: Kreislaufwirtschaft oder die Umstellung von kurzfristiger Rentabilitätsrechnung auf Lebenszykluskosten.
Da beim Autoverkehr Jahr für Jahr mehr Energie verbraucht und mehr Schadstoffe ausgestoßen werden, müssen wir neben dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs (ÖV), unsere Städte und Gemeinden so gestalten, dass es möglichst wenig erzwungene Mobilität gibt – nach dem Motto: Die „Stadt der kurzen Wege“. Weiters sollte grundsätzlich jeder Umbau einer Kreuzung auf den ÖV sowie den Fuß- und Radverkehr ausgerichtet werden.
Was sind positive Ansätze für wachsende Agglomerationen, wie können diese verwirklicht werden?
Städte sind aus der Perspektive des Energiesparens und der CO2-Reduktion bei weitem die effizienteste Siedlungsform. Wenn sie gut geplant und verwaltet sind, bieten sie auch eine erstaunlich hohe Lebensqualität, wie das Beispiel Wien mit der internationalen Einstufung als lebenswerteste Stadt zeigt. Schafft man dieses Wachstum gut zu organisieren, können Städte und Stadträume ihren BewohnerInnen interessantere Angebote machen. Diese reichen von vielfältigen sozialen Einrichtungen, Bildungsangeboten, attraktivem öffentlichen Verkehr bis zu einem sehr abwechslungsreichen Kunst- und Kulturangebot.
Worauf kommt es in strukturschwachen Regionen an?
In diesen Gemeinden braucht es eine Perspektive, also Gründe, warum es gut ist, weiterhin dort wohnen zu wollen. Aufbauend auf den Stärken des jeweiligen Ortes und der Menschen, die den Ort ausmachen, gilt es diese Identität herauszuarbeiten und gut nachvollziehbar, laufend zu kommunizieren. Es muss öffentliche Orte geben, an denen sie erlebbar ist und es braucht Anlässe sich dort zu treffen. Darüber hinaus ist für eine entsprechende Lebensqualität ein Mindestmaß an Einrichtungen erforderlich, wie Nahversorgung, Kindergarten, Schule, Gastronomie oder Angebote von Vereinen. Das bedeutet u.a. weniger Geld in Siedlungsentwicklung und neue Baulandflächen an den Ortsrändern zu stecken, sondern verstärkt in attraktive Wohnungsangebote in zentralen Bereichen.