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Grünes Reisen

Interview mit Christian Baumgartner, response & ability Gmbh.: Nachhaltiges Reisen ist möglich

Was verstehen Sie unter nachhaltigem Reisen?

Nachhaltiges Reisen hat vier Komponenten: Erstens die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten, zweitens wirtschaftliche Einkommen für die Bevölkerung in den Zielgebieten zu schaffen, drittens zur kulturellen Identität beitragen und viertens sozial verträglich sein – das betrifft im Speziellen die Arbeitsbedingungen im Tourismus, aber auch ganz allgemein die Berücksichtigung der Menschenrechte.

Die größte ökologische Belastung des Tourismus liegt in der Mobilität – ohne die Verreisen natürlich nicht möglich ist. Dennoch sollte der CO2-Fussabdruck so gering wie möglich sein, sei es durch klimaverträgliche Verkehrsmittel oder, wenn sich das Fliegen nicht vermeiden lässt, durch eine CO2-Kompensation, etwa über www.atmosfair.de.

Die Verantwortung der Umwelt und den Menschen gegenüber sollte man auch im Urlaub nicht zu Hause lassen. Riesige All-In Anlagen, die austauschbare Küche und keine Kontakte mit Land und Leuten bieten, tragen eher zur Urlaubs-Enttäuschung bei. Kleinere Unterkünfte dagegen schaffen Einblick ins Land und echte Urlaubserlebnisse.

Gibt es einen Trend in diese Richtung? Wie groß ist der Anteil?

Ja, es gibt eindeutig eine stärkere Nachfrage nach nachhaltigen Angeboten – allerdings nicht unter diesem Titel. Menschen suchen mehr regionale Produkte und authentische Erlebnisse. Gesundheit und Entschleunigung wie eine intakte Urlaubsumwelt werden wichtiger. Aber als ‚nachhaltig‘ vermarktete Urlaubsprodukte würden wenig gekauft werden, weil die wenigsten wissen, was sich dahinter verbirgt. Nachhaltigkeit taugt nicht fürs Marketing. Da es kein gemeinsames Label für nachhaltiges Reisen gibt, ist der wirkliche Anteil der interessierten UrlauberInnen schwer einzuschätzen. Man spricht von 30–40 % in Europa, das entspricht in etwa der Größe der sozialen Schicht der LOHAS, der Menschen die einen Lifestyle of Health and Sustainability pflegen.

Was würde es brauchen, damit nachhaltiges Reisen zum Normalfall wird?

An erster Stelle eine ehrliche Strategie für nachhaltigen Tourismus! Der Neue ‚Plan T – Masterplan für Tourismus‘ in Österreich sagt zwar, dass Österreich zur nachhaltigsten Destination der Welt werden will – aber nicht alle genannten Schritte sind konkret. Wir brauchen auch bessere – mehr auf Nachhaltigkeit ausgerichtete – Erfolgsindikatoren für den Tourismus, jenseits der Nächtigungszahlen. Die unterschiedlichsten Förderprogramme wie auch die Vergabe öffentlicher Gelder sollten einen ehrlichen Nachhaltigkeitscheck integrieren. Eine einfache Forderung zur Reduktion der CO2-Emissionen, die zudem auch mehr Erholung verspricht, wäre: Nur jedes zweite Jahr zu fliegen und dafür doppelt so lange zu bleiben. Dies scheitert oft an unflexiblen Urlaubszeitmodellen. Auch eine CO2-Steuer würde deutlich mehr Nachhaltigkeit im Tourismus bringen. Gefordert sind also gesamtgesellschaftliche Anpassungen, nicht nur kleine Korrekturmaßnahmen.