Schwerpunkt

Industrie & Umwelt

Umweltauswirkungen der Industrie

Der rasante wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg ging mit einer schnellen Ausweitung der industriellen Produktion einher. Die Maßnahmen zum Schutz der Umwelt hielten mit dieser Entwicklung nicht Schritt.

DSC_4557.jpg
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg galten rauchende Schlote als Zeichen der wieder erstarkenden Wirtschaft. Doch der Smog in London und in anderen Großstädten machte bald klar, dass etwas gegen die Luftverschmutzung getan werden musste. Atemwegserkrankungen führten zum vorzeitigen Tod von tausenden Menschen. Die ersten Maßnahmen, die gesetzlich beschlossen wurden, betrafen die Verwendung von Kohle zum Heizen. In den siebziger Jahren wurde erkannt, dass die Schadstoffe aus Abgasen von Industrie, Hausbrand und Verkehr auch langfristige und weiträumige Schäden an der Umwelt verursachten. So wurde erst nach und nach verstanden, dass die Versauerung skandinavischer Seen von Stickoxiden und Schwefeldioxid stammte, die über große Distanzen aus England und Mitteleuropa dorthin verfrachtet wurden. Auch die Schäden an Bäumen, die sich auf großen Flächen in Mitteleuropa zeigten – damals etwas dramatisch als „Waldsterben“ bezeichnet –, konnten auf diese Luftschadstoffe zurückgeführt werden.

Ebenso besorgniserregend waren damals die Bilder von Flüssen, auf denen dicke Schaumteppiche trieben und in denen eine Unzahl von Fischen verendete. Es wurde deutlich, dass die Umwelt nicht eine unbeschränkte Kapazität hatte, die Schadstoffe der Menschen aufzunehmen, ohne dabei Schaden zu nehmen.

UNO-Konferenz 1972

Die Konferenz der UNO über die Umwelt des Menschen, die 1972 in Stockholm stattfand, war die erste Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Umwelt. Sie wird heute als Beginn der internationalen Umweltpolitik angesehen. Im selben Jahr stand Umweltpolitik erstmals auch auf der Tagesordnung eines Europäischen Rates: Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Paris wurde beschlossen, dass die Kommission ein Aktionsprogramm für die Umwelt entwickeln solle. Ende 1973 war das Programm fertig. Es umfasste unter anderem Vorhaben, die auf die „Verminderung, Beseitigung oder Verhütung von Schadstoffemissionen und anderen Umweltbelästigungen“ in den umweltbelastenden Industriezweigen abzielten.

Drei Industriezweige wurden in diesem ersten Umweltaktionsprogramm besonders hervorgehoben, nämlich die Papier- und Pappeindustrie, die Eisen- und Stahlindustrie sowie die Titandioxiderzeugung. Letztere war insbesondere wegen der Entsorgung von schwefelsäurehaltigen Abfällen im Meer, der sogenannten „Dünnsäureverklappung“, ins Zentrum der Kritik geraten. Die Abwässer der Papierindustrie, die vielerorts ohne Kläranlagen in die Flüsse geleitet wurden, führten oft zu „gekippten“ Gewässern, in denen alle höheren Tiere wegen Sauerstoffmangel verendeten. Das Hauptproblem der Eisen- und Stahlindustrie war die hohe Staubbelastung der Luft.

„Seveso-Richtlinie“

Aber nicht nur die übliche Emission von Schadstoffen führte zu Problemen. Am 10. Juli 1976 kam es nördlich von Mailand zu einem Unfall in einer Chemiefabrik, bei dem unter anderem große Mengen an chlorierten Dibenzodioxinen (verkürzt als „Dioxine“ bezeichnet) in die Umwelt gelangten und Tiere und Menschen vergifteten. Dies war Auslöser für die europäische Gesetzgebung, die schwere Unfälle in Industrieanlagen verhindern sollte. Nach dem Namen der am stärksten betroffenen Gemeinde wurde diese EG-Richtlinie, die 1982 erlassen wurde, als „Seveso-Richtlinie“ bekannt. Unter dem Eindruck dieses Unfalls und der Probleme, die unter anderem dadurch entstanden waren, dass die Betreiber die Bevölkerung nur unvollständig und verspätet informierten, enthielt die Richtlinie Bestimmungen, wie in bestimmten chemischen Betrieben die möglichen Gefahren zu analysieren und wie Behörden und Bevölkerung über mögliche Gefahren zu informieren sind.

Die ersten beiden Umweltaktionsprogramme der EG betonten vor allem die notwendigen gemeinsamen Ziele im Umweltschutz und warnten vor Produktionseinbußen in Folge der Umweltzerstörung. Mit dem dritten Umweltaktionsprogramm 1983 zeigte sich eine Änderung in der Argumentation: Nun ging es auch um das Ziel, dass gemeinschaftliche Regeln im Umweltschutz helfen sollten, die Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten hintanzuhalten. Diese Argumentation wurde danach immer bedeutender. Anlässlich des Beitritts Österreichs zur EG im Jahr 1995 forderte die Wirtschaftskammer ganz in diesem Sinn, dass zukünftig in Österreich keine Gesetze mehr erlassen werden sollten, die über die Mindestforderungen der EG im Umweltschutz hinausgehen.

Die zunehmend strengen Regeln im Umweltschutz haben zu einem Rückgang der Umweltbelastung durch die Industrie geführt. So gingen etwa die Schwefeldioxidemissionen in Österreich seit den 1980er Jahren bedeutend zurück, teils durch den Einsatz von Filtertechnologie, teils durch Brennstoffumstellung. Auch der Rückgang der Gewässerbelastung durch die Papierindustrie ist eine der Erfolgsgeschichten des Umweltschutzes in Österreich, ebenso wie die Verringerung des Ausstoßes von Schwermetallen.

Umwelttechnik-Industrie

Diese Maßnahmen haben auch einen neuen Wirtschaftszweig ins Leben gerufen, die Umwelttechnik-Industrie. Diese stellt die Filter und die Reinigungstechnik her, die für die Erreichung der Umweltschutzstandards notwendig ist, sie konzipiert die Neuanlagen, die ältere, belastendere Produktionsweisen durch ressourcenschonende Verfahren ersetzt. Für diese Sparten sind ambitionierte Umweltschutzstandards jedenfalls förderlich.

Die Umweltbewegung der siebziger und achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts erreichte aber nicht nur, dass der Schadstoffausstoß der Industrie sank, sondern auch, dass die Qualität der Umwelt regelmäßig gemessen und dass über diese Ergebnisse berichtet wird. Europaweit wurden Umweltministerien und Umweltbehörden gegründet. Regelmäßig soll die Öffentlichkeit über den Zustand der Umwelt informiert werden. Das Interesse der BürgerInnen an umweltrelevanter Information wurde im Allgemeinen als vorrangig gegenüber Betriebsgeheimnissen und gegenüber der Amtsverschwiegenheit eingestuft. In den USA wurde ein derartiges Gesetz 1986 erlassen, die entsprechende EG-Richtlinie stammt aus 1990, das österreichische Umweltinformationsgesetz (UIG) aus 1993. 

Diese Erfolge fortzuführen ist keine einfache Aufgabe. In reichen Ländern gehören die unmittelbar ins Auge springenden Umweltbelastungen der Vergangenheit an. Weitere Verringerungen der Schadstoffbelastungen sind möglich, aber schwieriger. Es braucht dazu die Weiterentwicklung von technologischen Verfahren, aber auch Unternehmen, die in diese Verfahren investieren können.

Globaler Umweltschutz

Eine Globalisierung des Umweltschutzes zeigt dabei mehrfachen Nutzen: in den Entwicklungsländern senkt sie die Gefährdung der Bevölkerung durch Schadstoffe und verbessert die Situation an den Arbeitsplätzen. Für die Unternehmen in den entwickelten Staaten bedeutet sie eine ausgeglichenere Wettbewerbsposition, da der Preisdruck auf Kosten der Umwelt zurückgedrängt wird. Und sie begünstigt die Weiterentwicklung im technischen Umweltschutz und bei ressourcenschonenden Produktionsweisen. In diesem Sinn kann ein Eintreten für weltweite Umweltschutzstandards einen Beitrag zur Sicherung der industriellen Basis in Österreich und in der EU leisten.