Betrieb

Essen in der Arbeit: Fair, gesund und frisch

Immer öfter bleiben Töpfe und Pfannen während der Woche in den Küchen privater Haushalte kalt, weil ihre Besitzer außer Haus essen, unterwegs und in der Arbeit. Ernährungsgewohnheiten sind vom Alltag geprägt. E-Mails checken und nebenbei essen, untertags auf Sparflamme leben und abends den Magen füllen und Kochabstinente, die vornehmlich zu Fertiggerichten greifen. Die eigene Aufmerksamkeit gegenüber dem Essen und der Faktor Zeit sind wichtige Taktgeber im Essverhalten.  

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Die Betriebsküche ist eine Wohlfahrtseinrichtung für MitarbeiterInnen, damit diese in der Arbeit tagsüber und in der Schicht warm essen können. Ein Recht darauf haben MitarbeiterInnen in den Betrieben nicht, aber die gelungenen Beispiele aus der betrieblichen Praxis belegen die gesundheits- und motivationsfördernde Wirkung einer zeitgemäßen Betriebsverpflegung. Betriebliche Gesundheitsprogramme bieten dabei die beste Voraussetzung, dass gesunde Ernährung nachhaltig ins Bewusstsein der MitarbeiterInnen dringt und sich die gesunde Küche weiter entwickeln kann.  

Ein gutes Beispiel dafür ist die Betriebsverpflegung bei Mars Austria OG, wo sich das Betriebsrestaurant an den jährlichen Schwerpunkten des Gesundheitsplanes orientiert. Karin Haindl, Personalabteilung: „Aktivitäten setzen wir in den Bereichen „Iss gesund“, „Sei aktiv“, „Bleib in Balance“ oder „Sorge vor“, wobei das Projekt “Iss gesund“  bereits in das vierte Jahr geht.“ Betriebsrat Wilhelm Weigl: „Als es um den Stresspegel in der Produktion ging, entwickelte unser Betriebskantinenteam mit der Arbeitspsychologin Mental Power Menüs, die drei Wochen hindurch zu einem gestützten Preis unseren MitarbeiterInnen angeboten und sehr gut angenommen werden.“  
Dort wo es BetriebsrätInnen, aber noch keine gesicherte Verpflegung gibt, können diese über das Thema Wohlfahrtseinrichtung die Möglichkeit schaffen, dass es während der Arbeitszeit, auch 24 Stunden hindurch, ein Essensangebot gibt. Die Grundlage dafür bietet  § 95 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), in dem die Mitwirkung geregelt ist. Der Betriebsrat kann sogar eine Kantine zugunsten der ArbeitnehmerInnen und ihrer Familienangehörigen alleine errichten und verwalten. Für solche Unterstützungs- und Wohlfahrtseinrichtungen darf er eine Betriebsratsumlage einheben. 

Angesichts der Verpflegungssituation an vielen Arbeitsplätzen kann es nicht hoch genug geschätzt werden, überhaupt eine Kantine zu haben und dort warme Speisen zu bekommen. Vielen Berufstätigen bleibt nur der  Supermarkt, der Kebab-Stand oder das nächste Wirtshaus, weil es im näheren Umfeld an anderen Angeboten fehlt – oder sie nehmen Essen von zuhause mit.

Bei der Lenzing AG ist man stolz auf die Betriebsküche. Arbeiter-Betriebsratsvorsitzender Rudolf Baldinger: „Ich bin froh, dass wir uns bei der Lenzing AG das eigene Betriebsrestaurant erhalten haben und modernisieren konnten. Eine eigene Betriebsküche hat insofern eine große Bedeutung, weil man alles selbst beeinflussen kann. Alle, die hier in der Lenzing AG arbeiten, können ein warmes und gesundes Essen einnehmen, auch bei Spät- und Nachtschicht.“

Zeit zum Essen

Im Jänner 2013 wurden im Auftrag der Techniker Krankenkasse in Deutschland 1.000 Personen ab 18 Jahren zu ihrem Ernährungsverhalten befragt. Nach dieser Umfrage ist ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland überzeugt, dass gesunde Ernährung am Arbeitsplatz nicht möglich ist. Als Gründe wurden u. a. schlechte Bedingungen am Arbeitsplatz, begrenzte Essensauswahl und zuwenig Zeit genannt. Von einer dreißigminütigen Mittagspause bleibt oft nur wenig Zeit zum Essen. Schnelle EsserInnen sind häufig dicker, das ist wissenschaftlich belegt. Wer langsam isst, nimmt  weniger Kalorien auf. Die Botschaft ans Gehirn, um zu signalisieren, dass es genug ist, benötigt bis zu 20 Minuten. Wer also schnell isst, verpasst den Sättigungspunkt.

Wer mehr als sechs Stunden pro Tag arbeitet, dem steht nach dem Arbeitszeitrecht jedenfalls eine halbstündige Pause zu. Diese kann allerdings, wenn es im Interesse des Arbeitnehmers liegt oder wenn es aus betrieblichen Gründen notwendig ist, in zwei Pausen zu je 15 Minuten oder drei Pausen zu je zehn Minuten geteilt werden. Wer es dann noch schafft, sich während des Arbeitstages gesund zu ernähren, muss über ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein, eine gute Essensorganisation und über hohe Disziplin verfügen. Der Griff zu Fast Food ist für viele verlockender, aber nicht die Lösung, denn bevorzugte schnelle Essensangebote sind oft ungesund. Auch der gesunde Snack kann beim anhaltenden Trend außer Haus zu essen eine gesunde, warme Mahlzeit nicht ersetzen.

Der Österreichische Ernährungsbericht 2012 empfiehlt, die Verpflegung am Arbeitsplatz den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe anzupassen. Während der Energiebedarf zwischen einzelnen Berufsgruppen sehr unterschiedlich ist, ist jener an Nährstoffen weitgehend der gleiche. Büroangestellte, die bei der Arbeit körperlich wenig aktiv sind, bräuchten daher eine nährstoffdichte Kost, also eine mit einem hohen Nährstoffgehalt und einem dabei im Verhältnis niedrigen Kaloriengehalt. 

Know-how im Verpflegungsbereich, Aus- und Weiterbildung in der Küche, Einbindung der EssensteilnehmerInnen, MitarbeiterInnenbefragungen, Fortführung eines Gesundheitsprogramms, das alles verlangt nach Engagement und verursacht auch Kosten.  An vielen Ecken lässt sich in der Betriebsküche sparen, aber wie bei jedem arbeitsintensiven, von Arbeitsspitzen getriebenen, kreativen Arbeitsplatz, setzt die Erwartung an Qualität beim Sparen Grenzen.

Der 2011 von der Gewerkschaft PRO-GE herausgebrachte „Essensreport, 24 Stunden genussvoll FAIR essen im Betrieb“, stellte  Praxisbeispiele aus der Betriebsverpflegung vor, die anschaulich das große Potenzial aufzeigen, das in einer gesunden und nachhaltigen Ernährung steckt. Ein wesentlicher Punkt, der sich durch die Beispiele wie ein roter Faden zieht, ist, dass mit gesundheitsbewusster Ernährung auch der Anspruch an die Qualität der Lebensmittel wie Frische, aus der Region, der Saison entsprechend und mit Herkunftsnachweis steigt. Damit ergibt sich eine wichtige Schnittstelle zum Thema Nachhaltigkeit in der Großverpflegung.

Nachhaltige Küche 

Das Thema Nachhaltigkeit in der Küche wird immer intensiver beforscht. Zwei dieser Forschungsprojekte, Nachhaltiger Speiseplan in Großküchen (UMBESA) und Sustainable Kitchen (SUKI) wurden von der Ressourcen Management Agentur (RMA) in Kooperation mit österreichischen und tschechischen Partnerinstitutionen durchgeführt, ein weiteres SUKI-Projekt wurde schon abgeschlossen. 
Mag. Hans Daxbeck von der RMA: „Die Ergebnisse der Projekte SUKI und UMBESA zeigen, dass eine Umstellung zu einem nachhaltigen Speiseplan die Umwelt und auch das Klima entlastet, d.h. die Berücksichtigung der Kriterien, frisch, regional, saisonal, bio, weniger Fleisch in der Speiseplangestaltung wirkt sich positiv sowohl auf die Qualität, als auch auf die Kosten aus. Es zeigt sich aber auch, dass es nicht die eine Lösung gibt. Ein nachhaltiger Speiseplan erfordert eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen und bedarf einer längerfristigen Perspektive in der Umsetzung.“ 

Noch ist das Thema Nachhaltigkeit in den Küchen nicht spürbar angekommen, doch über eine gesunde Küche gemeinsam mit betrieblichen Gesundheitsprogrammen und Selbstverpflichtungen bei den Einkaufskriterien gelangen frische Produkte aus der Region, ein höherer Bio-Anteil und ein ausgewogenes Speisenangebot vermehrt auf den Tisch. Das tut dann auch der Umwelt gut.