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Knapper Boden

Bodenpolitik im städtischen Bereich

Österreich wächst. Gemäß den aktuellen Bevölkerungsprognosen wird die österreichische Bevölkerung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich steigen. Dies jedoch nicht gleich verteilt über das gesamte Bundesgebiet, sondern mit starker Fokussierung auf städtische Agglomerationsbereiche. Das heißt, Landeshauptstädte und ihre Umlandbereiche, die sogenannten Speckgürtel, boomen. Ländliche, strukturschwache Regionen müssen teils deutliche Bevölkerungsrückgänge bewältigen. Diese Entwicklung, die für alle Bundesländer mit Ausnahme von Kärnten vorhergesagt wird, wird besonders deutlich und ausgeprägt für Wien und die gesamte Ostregion prognostiziert.

Wien wächst

Nach langen Jahren der Stagnation wächst Wien seit dem Jahr 2000 wieder um mehr als 15.000 Einwohner pro Jahr. Neueste Prognosen lassen erwarten, dass Wien bereits im Jahre 2030 wieder die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze überschreiten könnte. Das würde ein Mehr an Wohnbevölkerung in der Größe von Graz (ca. 270.000) bedeuten. Zuletzt hatte Wien nach 1900 solch hohe Bevölkerungszahlen gehabt. 

Graz steht für diese Einwohnerzahl eine Fläche von rund 125 km2 zur Verfügung. Das Wiener Stadtgebiet mit seinen rund 415 km2 wird hingegen unverändert bleiben. Das heißt, zentrale Herausforderungen für die zukünftige städtische Entwicklung sind die Fragen: Wo und wie wird dieses Wachstum stattfinden? Welche Reaktionsmöglichkeiten ergeben sich für die Stadt? Ist dieses Wachstum überhaupt auf dem vorhandenen Stadtgebiet abdeckbar?  

Ungleichverteilung

Die Stadtstruktur Wiens ist charakterisiert durch ein zumindest statistisch ausgewogenes Verhältnis zwischen bebauten Flächen und Verkehrsflächen einerseits und Grün- und Wasserflächen andererseits. Die Detailbetrachtung der Bezirke macht aber eines sehr deutlich: Rahmenbedingungen und Ausgangslagen sind nicht überall gleich. 

Der größte Wiener Gemeindebezirk, die Donaustadt, weist einen Grünflächen- und Gewässeranteil von mehr als 55 Prozent auf. Nur etwas mehr als ein Viertel der Bezirksfläche ist verbaut. Im Gegensatz dazu werden Bezirke innerhalb des Gürtels – wie etwa Mariahilf, Neubau und die Josefstadt – durch eine dichte Bebauung geprägt. Die Grünflächenanteile in diesen Bezirken liegen etwa nur bei rund zwei Prozent. 

Trotzdem verfügt z. B. Mariahilf mit elf öffentlichen Gärten, Parks und Spielplätzen über eine ansprechende Versorgung mit nutzbaren Freiflächen, die bei Betrachtung der statistischen Kennzahlen so nicht erwartbar wäre. Daran zeigt sich aber auch deutlich: Qualität, Ausstattung und Optimierung für die NutzerInnen ist hier oftmals wichtiger als Quantitäten in der Fläche.

Um den Baulandbedarf abzudecken, wurden seit den 1990er Jahren seitens der Stadt verstärkt Umwidmungspotenziale großer zusammenhängender Flächen genutzt, deren Umwidmung aufgrund geänderter wirtschaftlicher oder verkehrstechnischer Rahmenbedingungen möglich wurde. Betroffen davon waren große, ursprünglich betrieblich genutzte Bereiche wie z.B. das Schlachthofgelände, vormals ausschließlich verkehrstechnisch genutzte Bereiche wie Bahnhofsareale mit Rangier- und Logistikflächen, sowie überwiegend landwirtschaftlich genutzte Bereiche wie z. B. ehemalige Gärtnereien.

Viele der großen zusammenhängenden städtischen Flächen mit Entwicklungspotenzial wurden deshalb in den letzten Jahren und Jahrzehnten bereits umgewidmet und befinden sich zum Teil bereits in Realisierung und Entwicklung bzw. wurden bereits entwickelt und einer neuen Nutzung zugeführt. Daneben schränken Mobilisierungsprobleme aus Sicht der Stadtentwicklung sinnvolle Entwicklungsmöglichkeiten ein. So gelang es der Stadt Wien z. B. im Bereich Rothneusiedl nicht, die für eine gesamthafte Entwicklung des Gebietes notwendigen Flächen zu erwerben.

Begrenztes Potenzial

Das Umwidmungspotenzial von großen, zusammenhängenden Entwicklungsgebieten wird deshalb – von einigen Flächen (z.B. Kasernenareale) abgesehen – in Zukunft deutlich abnehmen. Die Reaktionsmöglichkeiten der Stadt werden sich in Richtung kleinteiligerer Projekte verschieben. Mit den derzeit von der Stadt definierten Entwicklungsflächen kann selbst bei vollständiger Realisierung der erforderliche Bedarf im besten Fall für das nächste Jahrzehnt abgedeckt werden. Das heißt: Unter gleichbleibenden stadtentwicklungspolitischen Rahmenbedingungen wird in wenigen Jahren die für das prognostizierte Bevölkerungswachstum notwendige Baulandreserve nicht mehr zur Verfügung stehen. Ein Missverhältnis zwischen Baulandbedarf und verfügbaren Baulandflächen zu vermeiden, muss aber oberstes Ziel der Stadtentwicklung bleiben. 

Nicht zuletzt auch deshalb, weil städtische Qualität nicht nur Vorsorge und Abdeckung des erforderlichen Wohnraumbedarfs bedeutet. Für eine funktionierende, qualitativ hochwertige städtische Struktur bedarf es auch der Bereitstellung der erforderlichen sozialen Infrastruktur wie Schulen und Gesundheitseinrichtungen, adäquater Arbeitsplätze, der Anbindung mit hochwertigen öffentlichen Verkehrsmitteln sowie der Vorsorge eines qualitativ hochwertigen öffentlichen Raumes. 

Auf den Raum zwischen den Nutzungen – den öffentlichen Raum – muss besonderes Augenmerk gelegt werden. Denn er ist es, der städtische Qualität maßgeblich mit beeinflusst und städtische Interaktion fördert und unterstützt bzw. verhindert.

Baulandmobilisierung

Zur Abdeckung des Baulandbedarfs wird es unumgänglich sein, auf neue – jetzt noch nicht definierte – Flächen zuzugreifen und diese zu mobilisieren. Hierfür wird es auch erforderlich sein, Werkzeuge zur Baulandmobilisierung in das Bau- und Bodenrecht der Stadt zu implementieren. So z. B. könnte durch die Einführung einer Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ die Flächenverfügbarkeit für den geförderten Wohnbau unterstützt werden. Denn schon jetzt steht der Verwertung von potenziell sinnvollen Stadterweiterungsflächen oft eine mangelnde Verfügbarkeit entgegen. Letztlich geht es neben der Lokalisierung und Verwertung von unbebauten Flächen wie z. B. Baulücken nicht zuletzt auch um die Frage der Nachverdichtung bestehender Baulichkeiten und ihrer Adaptierung. Aufstockung, Dachgeschoßausbau und Ergänzung der baulichen Strukturen sind einige der Reaktionsmöglichkeiten. Verschiedene Stadtgebietstypen eröffnen dabei unterschiedliche Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten.

Lebensqualität ausbauen

Verdichtungspotenziale in gut mit Infrastruktur versorgten Gebieten zu lokalisieren und verfügbar zu machen kann auch mithelfen, die Kosten für die öffentliche Hand gering zu halten. Eine bessere Auslastung bestehender Infrastruktur kann hierfür einen wichtigen Beitrag leisten. Klar ist jedoch auch: Je dichter eine Stadt ist, desto mehr Qualität muss es im öffentlichen und im privaten Raum geben und umso größer ist die Verantwortung städtischer Planung. Erreichbar wird dies nur durch eine Betrachtung, die über Einzelprojekte hinausgeht und Auswirkungen und Einschränkungen aus Sicht des Stadtteils beurteilt sowie die Interessen der Anrainerbevölkerung bzw. bestehender Nutzungen ausreichend berücksichtigt. Nur so kann verhindert werden, dass kleinteilige bauliche Ergänzungsmaßnahmen negative Auswirkungen auf den Bestand und seine NutzerInnen haben. Ziel muss eine lebenswerte städtische Struktur sein.

Ob die bereits definierten neuen Stadtentwicklungsflächen und zeitlichen Planungsvorgaben ausreichen, um den Bedarf abzudecken, wird die tatsächliche Bevölkerungsentwicklung zeigen. Jedenfalls wird die Mobilisierung eines Vielfachen der Fläche des Flugfelds Aspern eine herausfordernde stadtentwicklungspolitische Aufgabe.