Schwerpunkt
Klimaresiliente Infrastruktur
„Intakte Flusslandschaften sind ein Schutzschild“
Wie erleben Sie die Auswirkungen der Klimakrise in Ober-Grafendorf?
Die Klimakrise ist spürbar angekommen. Extreme Wetterereignisse – von langen Trockenphasen bis zu plötzlichen Starkregen – treten häufiger und intensiver auf. Das hat direkte Auswirkungen auf die Landwirtschaft, unsere Infrastruktur und auch auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.
Welche Herausforderungen entstehen dadurch für die Gemeinde?
Wir müssen unsere Infrastruktur klimaresilient gestalten. Das betrifft nicht nur das Wassermanagement, sondern auch den Schutz unserer Siedlungsräume. Gleichzeitig müssen wir bei der Raumplanung und im Dialog mit Bürger:innen neue Prioritäten setzen, um langfristige Schäden zu vermeiden und die Lebensqualität zu sichern.
Welche konkreten Maßnahmen sollen nach dem Hochwasser 2024 an der Pielach gesetzt werden?
Bei den Starkregenereignissen im September 2024 wurde das Ortsgebiet durch massive Oberflächenwasserabflüsse gleich zwei Mal überflutet. Neben der Belastung der Pielach waren es vor allem überforderte Entwässerungssysteme und fehlende Rückhalteräume, die zur Überschwemmung geführt haben. Derzeit wird ein umfassender Regenwasserplan durch ein externes Fachbüro neu erstellt, der eine fundierte Grundlage für künftige Maßnahmen im Bereich Oberflächenentwässerung, Retention und Versickerung bietet. Bereits jetzt ist jedoch klar: Ein 1000-jährliches Starkregenereignis wie 2024 kann durch eine Gemeinde allein nicht vollständig abgefedert werden – weder finanziell noch infrastrukturell. Es werden daher gemeinsam mit dem Land Niederösterreich punktuelle Renaturierungen entlang der Pielach vorbereitet. Wo es umsetzbar ist, soll dem Fluss mehr Raum gegeben und Engstellen entschärft werden – stets in enger Abstimmung mit den Eigentümer:innen und unter Bedachtnahme auf die bestehende Nutzung. Bereits umgesetzt wurden in der Marktgemeinde unter anderem Drain-Garden-Systeme in Straßenbereichen, die zur lokalen Versickerung von Regenwasser beitragen und bei Starkregen für Entlastung sorgen.
Wie wird dies in der Gemeinde angenommen? Gab es Widerstände?
Veränderung bringt immer auch Diskussionen mit sich. Gerade dort, wo bestehende Nutzungsinteressen betroffen sind, braucht es Aufklärung und Dialog. Dennoch spüren wir insgesamt eine hohe Bereitschaft, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Die Bevölkerung erkennt, dass Vorsorge besser ist als teure Schadensbehebung im Nachhinein.
Bahnt sich hier ein Kulturwandel an, bei dem Landwirtschaft, Betriebe und Private auf mögliches Bauland verzichten?
Ja, wir beobachten einen beginnenden Kulturwandel. Immer mehr Menschen erkennen, dass intakte Natur- und Flusslandschaften nicht nur ökologisch wertvoll, sondern auch ein Schutzschild für uns alle sind. Die Umwidmung von Flächen wird heute viel kritischer hinterfragt – gerade im Hinblick auf nachhaltige Raumplanung und Katastrophenschutz.
Wie gelingt es Ihnen, die Beteiligten zu überzeugen?
Wir setzen auf offene Kommunikation, sachliche Information und transparente Entscheidungsprozesse. Es ist wichtig, dass alle Betroffenen verstehen, warum bestimmte Schritte notwendig sind – und welche Vorteile langfristig damit verbunden sind. Das gelingt uns zunehmend auch durch die Einbindung von Expert:innen und durch Förderprogramme, die Betroffene entlasten.
Renaturierung als eine sinnvolle Daseinsvorsorge?
Renaturierung bedeutet nicht nur Hochwasserschutz, sondern auch Lebensqualität. Mit mehr Grün- und Wasserflächen schaffen wir Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen und gestalten attraktive Naherholungsräume für unsere Gemeindebürger:innen. Gleichzeitig investieren wir damit in eine lebenswerte Zukunft, in der Sicherheit, Umweltbewusstsein und Standortqualität Hand in Hand gehen. FJ