Schwerpunkt
Gute Planung
Ein gerechter Wandel erfordert Planung und soziale Sicherheit
Der Klimawandel ist die Folge maßloser Ausbeutung von Natur und von Menschen. Die Dimension der Ausbeutung im fortgeschrittenen Kapitalismus hat zu einer historisch einzigartigen Umweltzerstörung und Verteilungsungerechtigkeit geführt. Beides muss aufhören. Der notwendige Umbau unserer Wirtschaftsweise wirkt in alle Lebensbereiche, er ist nur möglich mit der Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten. Die wird es aber nur geben, wenn die Menschen die Sicherheit haben, gut durch die Transformation zu kommen oder von ihr im besten Fall zu profitieren.
Die Geschichte hat gezeigt: Das Soziale kann nicht dem Markt überlassen werden. Sogenannte Marktlösungen führen dazu, dass viele Menschen keine guten Leistungen oder keinen ausreichenden Schutz bekommen. Ein hoher Anteil der Mittel fließt statt den Bürger:innen oder den Versicherten zugute zu kommen, so in die Werbung und Profite privater Konzerne. Das zeigt sich beispielsweise im Bereich privater Pensionsvorsorge: Dort schlagen Verwerfungen auf den Finanzmärkten unmittelbar auf die Leistungen durch. Für die Betroffenen bedeutet das massive Einkommenseinbußen und nicht selten ein Abrutschen in die Armut.
Sozialpolitik im Zeichen der Krise
In Österreich konnten massive Verschiebungen der Altersvorsorge in Richtung Kapitalmärkte bislang verhindert werden – auch durch den Widerstand von Arbeiterkammer und Gewerkschaften. Aber auch wenn der österreichische Sozialstaat weiterhin gut ausgebaut ist und prinzipiell die Versorgung in allen Lebenslagen sicherstellt, gibt es Lücken. So liegt die Mindestpension („Ausgleichszulage“) unter der Armutsschwelle, ebenso die Mindestsicherung/Sozialhilfe. Bei den arbeitslosen Menschen haben 9 von 10 einen Tagsatz, der die Armutsschwelle nicht überschreitet.
Jetzt kommen soziale Risiken als Folge der Klimakrise hinzu. So entstehen neue Gesundheitsrisiken dadurch, dass die Sommer immer heißer und die Winter immer weniger kalt sind. Die Hitze belastet Kinder und ältere Menschen sowie jene, die unter Herz-Kreislauf- oder chronischen Krankheiten leiden. Die Wärme verlängert die Allergieperiode, verschärft damit Atemwegserkrankungen und sorgt für das Einschleppen neuer tropischer Krankheiten wie etwa Malaria. Das Gesundheitssystem muss diese Risiken evaluieren und die Versorgung der Betroffenen sicherstellen.
Vermehrte Extremwetterlagen zerstören auch Infrastruktur. So sorgten heuer massive Unwetter in Kärnten und Tirol mit Starkregen, Sturm und Hagel für Überschwemmungen und Vermurungen und damit Schäden in Millionenhöhe. Das betrifft auch Straßen und Bahnlinien, womit viele Menschen nicht mehr zu ihrem Arbeitsplatz, oder von diesem zurück nach Hause kommen. Aber auch private Häuser und Wohnungen sowie Unternehmen sind betroffen. Für die unmittelbaren Folgen der Klimakrise muss das Arbeitsrecht den Beschäftigten Schutz bieten, wenn Wetterextreme die Arbeit selbst oder den Weg zum Arbeitsplatz verunmöglichen.
Sicherheit in der Transformation
Die sozial-ökologische Transformation bringt große Umbrüche, die manche Berufe verschwinden und neue entstehen lassen. Hier muss es einen Rechtsanspruch auf den Erwerb neuer, nachgefragter Kompetenzen geben. Auf Betriebsebene ist die Mitbestimmung der Belegschaften sicherzustellen. Neue Arbeitszeitmodelle (z.B. Siesta/Mittagsruhe) und eine Verkürzung der Wochen-Arbeitszeit in Richtung „gesunder Vollzeit“ ermöglichen ein gutes Leben, das nicht über ein Maximum an Konsum definiert wird. Dabei darf aber natürlich nicht auf die Qualität der Arbeitsplätze vergessen werden. Die hohen arbeitsrechtlichen Standards der Industrie dienen hier durchaus als Messlatte.
Zu beschäftigungsfördernden Maßnahmen in der Transformation gehört auch der Ausbau sozialer Dienstleistungen. Dieser trägt dazu bei, dass das Leben der Menschen durch dringend benötigte Leistungen in Bereichen wie Kinderbetreuung, Pflege oder Bildung verbessert wird und tausende ressourcen- und klimaschonende Arbeitsplätze in den Regionen geschaffen werden. Dabei sind aber nicht nur für den Ausbau die notwendigen Mittel sicherzustellen, gerade auch auf Gemeindeebene. In vielen Bereichen muss es zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen kommen, die ebenfalls eine entschlossene Aufstockung der öffentlichen Budgets erfordern.
Und nicht zuletzt braucht es eine Form der sozialen Absicherung, die die Sicherheit gibt, zu jeder Zeit ein gutes Auskommen zu haben, sei es in Phasen der Familiengründung, der beruflichen Neuorientierung oder im Ruhestand. Zu diesem Zweck müssen nicht nur die Geldleistungen des Sozialstaats auf ein Niveau gehoben werden, das Armut wirksam verhindert. Er muss auch den Zugang zu klimaschonenden Formen der Mobilität, der Energieversorgung und des Wohnens zu leistbaren Bedingungen sicherstellen.
Planungs- und Gestaltungsansätze der Politik
Der ÖGB geht in seinem Positionspapier (siehe Kasten rechts) noch weiter. Da viele klimapolitische Maßnahmen in der Vergangenheit nicht ausreichend auf ihre sozialen Wirkungen geprüft wurden, fordert er die Bundes- und Landesregierungen dazu auf, gemeinsam mit den Vertretungen der Arbeitnehmer:innen eine „Just Transition”-Strategie zu entwickeln. Nicht weniger als ein Mainstreaming des Konzepts ist das Ziel: Im Sinne eines Impact Assessments von klimapolitischen Maßnahmen sollen nicht nur die Auswirkungen auf Arbeitsplätze oder Ansätze zur Bekämpfung negativer Folgen analysiert werden. „Just Transition“ soll auch in die Zielbestimmungen einschlägiger Gesetze, etwa das Umweltförderungsgesetz, aufgenommen werden. Die Strategie selbst soll eine Roadmap enthalten, wie das Ziel der österreichischen Bundesregierung, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen, verwirklicht werden kann und welche flankierenden Maßnahmen es dafür braucht.
Auf einer operativen Ebene geht es dabei nicht zuletzt um die Gestaltung des Strukturwandels durch aktive Regional- und Industriepolitik. Offensichtlich ist, dass die Umstellung der Wirtschaft auf erneuerbare Energieträger viele Chancen bietet, diese aber im Sinne eines gerechten Wandels in der Region nur ausgeschöpft werden können, wenn sich die Politik mit den relevanten Stakeholdern strategisch darauf vorbereitet. Damit die österreichischen Industrieregionen auch in die Wertschöpfungsketten der Zukunft – wie Wasserstoffinfrastruktur oder Batteriezellenfertigung – eingebunden sind, müssen Strategien und Maßnahmen der Forschungs- und Technologiepolitik „missionsgetrieben“ ineinandergreifen und den Boden für eine erfolgreiche Bewältigung des Strukturwandels bereiten. Auf regionaler Ebene sind dafür neue Governance-Mechanismen zu schaffen, die die Entwicklung von Gesamtkonzepten sowie die Abstimmung unterschiedlicher Förderbereiche (u.a. „Just Transition Fonds“ der EU) und Politikfelder erleichtern.
Unterstützt werden könnte der gesamte Transformationsprozess von einer auf Fragen der „Just Transition“ spezialisierten Agentur auf Bundesebene, sei es als neue Einrichtung oder als Erweiterung bestehender Institutionen wie des Klima- und Energiefonds. Sie würde bei der Erstellung der nationalen Strategie beratend zur Seite stehen und die Umsetzung mit regelmäßigen Berichten begleiten. Auch hier müssten die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer:innen an prominenter Stelle eingebunden werden, der ÖGB schlägt ein sozialpartnerschaftlich besetztes Steuerungsgremium vor.
Ansätze der Unternehmen
Je klarer der politische Rahmen definiert ist, desto leichter fällt es auch den Unternehmen, sich auf die notwendige Transformation einzustellen und ihre Chancen für gute Beschäftigung zu nutzen. Um den Wandel auch auf betrieblicher Ebene strategisch zu begleiten, fordert der ÖGB daher, auch im Betrieb Dekarbonisierungsroadmaps als mittel- bis längerfristiges Planungsinstrument zu verankern. Die Betriebsräte müssten von Anfang an eng in den Erstellungsprozess einbezogen werden. Dabei soll möglichst detailliert ausgearbeitet werden, welchen Herausforderungen man im Zuge der Transformation wahrscheinlich begegnen wird und mit welchen Maßnahmen diese bestmöglich abgefedert oder bewältigt werden können. Werden die Roadmaps regelmäßig evaluiert und aktualisiert, könnten sie nicht nur dem Management und den Beschäftigten frühzeitig Orientierung geben, etwa in Bezug auf Investitions- oder Qualifizierungsbedarfe. Auch Fördergeber müssten die Mittelvergabe zukünftig daran knüpfen.
Natürlich stellt sich abschließend die Frage, wer das alles bezahlen soll, nicht zuletzt die vielen Ansprüche an den öffentlichen Sektor. Aber auch wenn das paradox klingt: Geld ist mehr als genug da. Dem jüngst erschienenen Allianz Global Wealth Report 2022 zufolge wuchs das globale Finanzvermögen 2021 zum dritten Mal in Folge zweistellig. Eine Millionärssteuer ist ebenso das Gebot der Stunde wie eine Steuer auf die Übergewinne der Energie- und Erdölkonzerne, die aufgrund der aktuellen Teuerungen einen unverdienten Geldregen auf Kosten der Allgemeinheit genießen. Beides würde mehrere Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen. Und in jedem Fall gilt: Handeln ist teuer, aber die Kosten des Nichtstuns sind unleistbar.