Schwerpunkt
Gute Planung
Politische Planung – Wie gelingt sie?
Ein Plan, so steht es im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm, ist „der Grund- und Umriss, der Entwurf […] zu einer Arbeit oder Unternehmung der verschiedensten Art, mag er nun aufgezeichnet, mündlich entwickelt oder nur in Gedanken gemacht sein.“ Es geht dabei also stets um beides: um ein Ergebnis, das uns vorschwebt, und um den Weg, auf dem dieses Ergebnis erreicht werden soll. Auch in der Politik begegnen uns Pläne auf Schritt und Tritt. Ja, wir können fast sagen, dass Politik mit der Erarbeitung und Umsetzung von Plänen gleichgesetzt werden kann.
Plänen im allgemeinen und politischen Plänen im Besonderen ist gemeinsam, dass sie ein angestrebtes Ziel oder Ergebnis definieren und einen Weg vom gegebenen Ausgangspunkt zum Ziel festlegen. Dabei müssen Chancen und Risiken dieses Weges stets im Auge behalten werden.
Die spezifischen Probleme der politischen Planung lassen sich an drei Handlungsfeldern veranschaulichen: Anhand der klimapolitischen Planung kann das Problem der Langfristigkeit mancher Ziele erläutert werden; anhand der Planung des Infrastrukturausbaus das Problem der Koordination von Planungsprozessen; und anhand der Raumplanung die Herausforderung des Ausgleichs zwischen divergierenden Interessen.
Klimapolitik: Herausforderung Langfristigkeit
In der Klimapolitik besteht die größte Herausforderung wohl in der Langfristigkeit der Planung. Das Klimaabkommen von Paris nennt „die zweite Hälfte des Jahrhunderts“ als Zeitraum, in dem Klimaneutralität erreicht werden soll, in dem also die Emissionen an Treibhausgasen netto null erreichen sollen. Die EU will dieses Ziel im Jahr 2050 erreichen – für Regierungen, die in Perioden von vier oder fünf Jahren denken, ein weit entferntes Ziel. Andererseits ist die Herausforderung auch riesengroß, denn es geht um nicht weniger als den Abschied von einem Wirtschaftssystem, das auf der Nutzung fossiler Energieträger beruht.
Das bedeutet einen fast vollständigen Umbau der Wirtschaft. Denn die Produktionsanlagen von Unternehmen, die Heizungssysteme der meisten Häuser, die Autos, mit denen wir fahren, die Lastwagen, Flugzeuge und Schiffe sind fast alle darauf ausgelegt, fossile Energieträger einzusetzen. Raffinerien zur Verarbeitung von Rohöl, Kokereien zur Umwandlung von Kohle in Koks, die großen kalorischen Kraftwerke, in denen durch Verbrennung von Kohle oder Erdgas Strom erzeugt wird, werden nicht mehr gebraucht, wenn keine fossilen Energieträger mehr eingesetzt werden.
Bei der Stromerzeugung kann Österreich zwar wegen der geographisch günstigen Bedingungen für Wasserkraft etwa drei Viertel des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen decken. Aber Strom macht nur einen Teil des Energieverbrauchs aus. Im Verkehr stammen immer noch etwa 90 Prozent der Energie aus Erdöl, und auch beim Heizen wird nur etwa ein Drittel erneuerbare Energie eingesetzt, die restlichen zwei Drittel sind vor allem Heizöl und Erdgas.
Das Ziel der Klimaneutralität der EU bis 2050 bedeutet also, dass all diese Industrieanlagen, Kraftwerke, Fahrzeuge, Heizsysteme in spätestens 27 Jahren nicht mehr in Betrieb sein dürfen. Sie müssen ersetzt werden, teilweise durch völlig andere Technologien. Für die Größe dieser Aufgabe ist die verbleibende Zeit äußerst kurz.
Damit die Mitgliedstaaten genug tun, um gemeinsam das gesteckte Ziel zu erreichen, wurde in der sogenannten Governance-Verordnung der EU (2018/1999/EU) vereinbart, dass die Mitgliedstaaten Pläne vorlegen sollen, wie sie diese Ziele in die Realität umsetzen wollen. Diese sogenannten „Nationalen Energie- und Klimepläne“ sollen jeweils für zehn Jahre gelten und alle fünf Jahre überarbeitet werden. Gleichzeitig soll regelmäßig überprüft werden, ob die Fortschritte ausreichen. Auf diese Weise wird das langfristige Ziel – Dekarbonisierung bis 2050 – auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt und in handhabbare Schritte zerlegt. Die Festlegung von Zwischenzielen kann auch dazu beitragen, dass der Weg überschaubarer wird. Das erhöht wiederum das Vertrauen in die Machbarkeit des Ziels. Dadurch kann es gelingen, das Problem der Langfristigkeit der Zielsetzung in den Griff zu bekommen.
Infrastrukturausbau: Herausforderung Koordination
Ein anderes Beispiel für Planungsprozesse ist der Infrastrukturausbau für Verkehr und Energie. Vor allem die Übertragungsnetze für Elektrizität sowie der Ausbau der Straßen- und Schienennetze müssen den vielfältigsten Anforderungen genügen. Die Herausforderung, die anhand dieses Beispiels gut illustriert werden kann, ist die Koordination von Planungen zwischen diesen Interessensgruppen.
Bei der Elektrizität geht es etwa darum, dass der Ausbau der erneuerbaren Energieträger – vor allem große Windparks – dazu führt, dass Stromleitungen benötigt werden, wo bisher keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung stehen. Aber auch die Sicherheit der Versorgung mit Elektrizität erfordert einen fortgesetzten Ausbau der Übertragungsleitungen.
Ein Beispiel, das besonders viel Aufmerksamkeit bekam, ist die sogenannte Salzburgleitung, mit der eine Lücke im österreichischen Übertragungsnetz geschlossen werden soll. Sie wird von der APG errichtet, der „Austrian Power Grid“, die das österreichische Übertragungsnetz betreibt. Als wichtige Ost-West-Verbindung in Österreich ist die Salzburgleitung laut APG ein Schlüsselprojekt, um einen effizienten Austausch zwischen überschüssigem Windstrom aus Ostösterreich und den Pumpspeicherkraftwerken im Westen zu gewährleisten. Das Verfahren für die Genehmigung dieser Hochspannungsleitung dauerte mehr als sechs Jahre, bevor im Jahr 2019 mit dem Bau begonnen werden konnte.
Derart lange Verfahren sind ein Problem, weil sie viel Geld und Ressourcen kosten und der notwendige Ausbau der Infrastruktur verschleppt wird. Das Zauberwort, um diese Interessen unter einen Hut zu bringen, lautet „Planungskoordination“.
Damit ist gemeint, dass die Gebietskörperschaften gemeinsam – also der Bund mit den Bundesländern und den Gemeinden – einen grundlegenden Entwurf der Infrastruktur erarbeiten, der die geplanten Vorhaben in ihren Grundzügen enthält. Wenn es dann um den konkreten Bau eines der Vorhaben geht, müssen Bund, Länder und Gemeinden einander informieren und einbinden. Darüber hinaus ist es aber auch nötig, dass etwa eine Gemeinde die anderen Ebenen informiert, wenn sie ein Wohngebiet ausweisen will, das eine vereinbarte Stromleitung in der Umgebung unmöglich machen würde. Für eine wirksame und effiziente Planung ist es also unbedingt nötig, im gesamten Planungsprozess auf die Koordination zwischen den beteiligten Ebenen zu achten.
Raumordnung: Herausforderung Interessenabwägung
Die dritte Herausforderung bei der Planung ist schon angeklungen: der Ausgleich der Interessen zwischen den Beteiligten. Er kann am Beispiel der Raumordnung illustriert werden. Diese legt fest, wie der Raum genutzt werden soll: auf welchen Flächen Landwirtschaft betrieben wird, wo sich Industrieunternehmen oder Einkaufszentren ansiedeln sollen, wo Wohngebiete errichtet werden sollen etc. Die Kompetenz dazu liegt primär bei den Gemeinden, die Landesebene hat die Rolle einer Aufsicht.
Typische Probleme der Raumordnung bestehen darin, dass am Rand eines Siedlungsgebietes ein Supermarkt auf der „grünen Wiese“ errichtet wird, während im Zentrum der Gemeinde Geschäfte leer stehen. Damit geht ein Verlust von Grünraum einher, und es kommt zu steigender Verkehrsnachfrage. Auch die Widmung neuer Wohngebiete möglichst im Grünen führt zu ähnlichen Effekten. Bei derartigen Widmungen stoßen unterschiedliche Nutzungsansprüche und Interessen aufeinander: Grundeigentümer sehen einen Wertzuwachs; die Errichter der Wohnhäuser oder des Supermarkts sind an möglichst wenig Einschränkungen des Projekts interessiert; demgegenüber sehen Erholungssuchende den Verlust von Grünraum; die Versorgungssituation im Zentrum verschlechtert sich; die Gemeinde hat zwar eventuell höhere Steuereinnahmen, muss aber auch Erschließungskosten tragen.
Die Rolle des Interessenausgleichs zeigt sich in den Raumordnungsgesetzen der Länder. So heißt es etwa in Oberösterreich, dass die Raumordnung die „bestmögliche Nutzung und Sicherung des Lebensraumes im Interesse des Gemeinwohles“ zu gewährleisten hat und dabei die „wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft sowie den Schutz der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen“ zu beachten hat.
Eine planerische Entscheidung wird umso eher akzeptiert, je klarer und transparenter diese Interessenabwägung erfolgt. In Österreich fehlt ein bundesgesetzlicher Rahmen für die Raumordnung. Daher lohnt ein Blick in die Schweiz, wo die Raumplanungsverordnung die Behörden verpflichtet, bei der Raumplanung die Interessen gegeneinander abzuwägen, „indem sie (a) die betroffenen Interessen ermitteln; (b) diese Interessen beurteilen und dabei insbesondere die Vereinbarkeit mit der anzustrebenden räumlichen Entwicklung und die möglichen Auswirkungen berücksichtigen; (c) diese Interessen auf Grund der Beurteilung im Entscheid möglichst umfassend berücksichtigen.“ Eine so verstandene, transparente und möglichst objektive Interessenabwägung ist dazu angetan, die Qualität von Planungen wesentlich zu verbessern und ihre Akzeptanz sicherzustellen.
Was kann politische Planung leisten?
Manche Pläne in der Politik haben einen schlechten Ruf. Besonders die detaillierten Wirtschaftspläne der kommunistischen Staaten gelten vielen heute als Grund für den Untergang der Sowjetunion. Auch Japan entwickelte unter der liberal-demokratischen Partei bis 1980 die Wirtschaft auf der Basis von Fünfjahresplänen. Indien arbeitete bis 2017 mit Fünfjahresplänen. Bis heute gibt es in China Fünfjahrespläne; der derzeit gültige, vierzehnte Fünfjahresplan gilt für die Jahre 2021 bis 2025 und enthält unter anderem das Ziel der Klimaneutralität Chinas bis 2060. Im Gegensatz zu früheren Plänen erfolgt die Steuerung kaum mehr im Detail, sondern auf einer übergeordneten Ebene.
Auch die EU arbeitet in hohem Maß mit staatlichen Planungsinstrumenten. Der europäische Grüne Deal ist „die Wachstumsstrategie, mit der die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, in der im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist.“
Viel hängt davon ab, dass der Plan der Klimaneutralität wirklich umgesetzt wird. Die Chancen dafür sind umso größer, je mehr Vertrauen in den Plan besteht und je besser er in überschaubare Teilschritte aufgeteilt wird. Gleichzeitig ist es nötig, die Schritte auf den verschiedenen Ebenen abzustimmen. Je klarer die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zielsetzungen und je klarer die Zuständigkeiten geregelt sind, desto leichter fällt die notwendige Koordinierung der Planung. Damit hängt auch die adäquate Einbeziehung der betroffenen Interessen zusammen. Ein politischer Plan braucht Legitimität. Je transparenter die Interessen der Betroffenen einbezogen werden und je offener sie im Licht der Gesetze abgewogen werden, desto eher wird der Plan als demokratisch angesehen.