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Güterverkehr wohin

Güterverkehr in Österreich – klimafit bis 2040?

Österreich muss bis 2040 klimaneutral sein. So will es das Programm der österreichischen Bundesregierung. In diesem Herbst wird ein neuer Masterplan den Weg zu einem nachhaltigen Güterverkehr aufzeigen, dessen CO2-Emissionen in den letzten Jahrzehnten durch die Decke schossen. In knapp zwanzig Jahren soll die notwendige Antriebsenergie von Kraftfahrzeugen, Lokomotiven und Binnenschiffen für den Gütertransport nicht mehr CO2 ausstoßen, als für ihre Produktion notwendig ist. 

Eine nüchterne Feststellung vorweg: Der angekündigte Masterplan für Güterverkehr ist vermutlich so verbindlich wie all seine Vorgänger – nämlich gar nicht. Wie der Gesamtverkehrsplan Österreich (2012) wird er ein Planungsdokument sein, das im Wesentlichen auf die Kooperation von Stakeholdern und Gebietskörperschaften hoffen muss. Umzusetzen hat er allerdings den Green Deal der EU, der mit klimafitten Vorschriften tatsächlich ernst macht. Energieeffizienz und Verfügbarkeit von Energie aus sauberen Quellen werden daher zwangsläufig auf der Tagesordnung stehen.

Das Umweltbundesamt (UBA) stellt fest, dass Österreich im Jahr 2040 auch mit großen Anstrengungen nur eine bestimmte Menge an erneuerbarer Energie zur Verfügung haben wird. Diese ist niedriger als der derzeitige Gesamtenergiebedarf. Laut UBA bedeutet das für den Verkehr eine Reduktion auf ein Drittel und impliziert möglichst energieeffiziente Verkehrsträger auch im Güterverkehr. Hier ist die Schiene der Straße bei Weitem überlegen. Das bedeutet ein Nullwachstum bei der, auf der Straße transportierten Warenmenge. Ein geringfügiges Wachstum im gesamten Güterverkehr darf stattfinden, muss aber auf der Schiene erfolgen. Die Gretchenfrage ist daher, wie soll das alles funktionieren?

Dem Güterverkehr auf der Schiene kommt hier eine wichtige Rolle zu. Laut Masterplan soll sein Marktanteil, sofern die EU sich schienenfreundlicher aufstellt, von 31 Prozent bis auf 40 Prozent ansteigen. Das impliziert eine Steigerung von derzeit 28 auf 35 Mrd. Tonnenkilometer auf der Schiene im Jahr 2040. Inwieweit das gelingen kann, ist fraglich. Letztlich wird es auf dem Schienennetz eng, zusätzliche Züge haben nicht immer Platz. 

Güterwaggons statt Schnellbahn?

Die Kommission hat einen Entwurf zur Optimierung der Transeuropäischen Netze präsentiert. Ziel ist es, den internationalen Personen- und Güterverkehr auf der Schiene zu fördern. Maßnahmen wie die schnellere Einführung des Europäischen Zugsicherungssystems (ETCS) sowie der raschere Infrastrukturausbau sind sicherlich zu begrüßen. Der alleinige Fokus auf internationale oder auf Hochgeschwindigkeitsverkehre birgt aber auch Risiken. In Europa wird auf der Schiene vielfach im sogenannten Mischbetrieb gefahren. Das bedeutet, dass unterschiedliche Verkehre (Güter- und Hochgeschwindigkeitsverkehre, Regionalzüge) auf derselben Infrastruktur fahren. Dies erfolgt mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Je höher die Differenzen bei den Zuggeschwindigkeiten sind, desto schwieriger wird die Sicherstellung des Mischbetriebes, letztlich fehlen die Möglichkeiten des Überholens. Insgesamt können dann weniger Züge je Trassenkilometer fahren – auch im Güterverkehr. Das Erhöhen der Geschwindigkeit einzelner Züge kann daher das Einhalten von Taktfahrplänen erschweren. Gerade der Taktverkehr ist aber für verlässliche Umsteigeknoten und -zeiten für die Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr unverzichtbar. Netzausbau und Fahrgeschwindigkeiten sollten sich daher weiterhin nach den Erfordernissen der Taktfahrpläne und der Netzauslastung richten.

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Der alleinige Fokus auf hohe Geschwindigkeiten gefährdet die Mobilitätsbedürfnisse der  Hauptkund:innen der Bahn: den Millionen täglichen Arbeitspendler:innen und Schüler:innen. Internationale Verbindungen nutzen EU-weit nur 7 Prozent der Reisenden. Mehr Trassen für den grenzüberschreitenden Verkehr und Verkehre mit hohen Geschwindigkeiten bedeuten daher weniger Trassen und weniger Züge für 93 Prozent der Reisenden. Eine Verschlechterung der Bedingungen im Regionalverkehr konterkariert somit die Ziele des Green Deals und stellt einen Rückschritt für eine zukunftsweisende Verkehrspolitik dar, insbesondere in den boomenden Agglomerationen. 

Digitalisierung als Chance für die Schiene

Die DAK, die „digitale automatische Kupplung“ für Schienenfahrzeuge, ist weitaus mehr als eine rasche Möglichkeit, Waggons und Loks aneinander zu hängen. Sie steigert auch die Effizienz der Verkehre. Über die Möglichkeit von „Zusatzgoodies“, wie die Stromversorgung, Zugschlusskontrolle, höhere Geschwindigkeit, automatisierte Wagenkontrolle usw., werden Verbesserungen erreicht. Ein besonders bedeutender Vorteil ist die digitale Einbindung aller Fahrzeuge in das europäische Zugsicherungssystem. Damit können bedeutende Steigerungen bei der Trassenauslastung erzielt, sowie die Infrastruktur besser und effizienter genutzt werden. Über die DAK wird nicht nur die Attraktivierung der Eisenbahnen erreicht. Sie stellt auch einen wichtigen Baustein bei der Erreichung der Ziele des Green Deals dar. Laut Österreichischen Bundesbahnen kann so eine Reduktion zwischen 10 und 20 Millionen CO2 pro Jahr erzielt werden. 

Die DAK ist ein Gemeinschaftsprojekt zahlreicher Bahnen und Hersteller:innen. Die Österreichischen Bundesbahnen waren federführend an deren Entwicklung beteiligt. Die erste Versuchsphase ist für 2026 geplant.

Elektrisch auf der Straße in die Klimaneutralität

Die Hauptlast beim Warentransport liegt derzeit auf dem Straßengüterverkehr, mit einem Anteil von rund 60 Prozent der Verkehrsleistung, also der transportierten Tonnen je Kilometer. Zwei Drittel des Warentransports erfolgen auf Österreichs Straßen dabei auf Entfernungen unter 150 Kilometer und sind daher nur schwer auf Bahn und Binnenschiff zu verlagern. 

Der Masterplan Güterverkehr soll zwar im Herbst vorgestellt werden, die wichtigsten Eckpunkte sind aber schon durchgesickert. Batteriebetriebene Lkw sollen demnach die gewünschte Klimaneutralität gewährleisten.  Leichte Nutzfahrzeuge bis 18 Tonnen sollen in Österreich ab 2030 nur mehr emissionsfrei neu zugelassen werden. Ab 2035 soll dies auch für Lkw über 18 Tonnen gelten. Der Masterplan verschweigt aber ein grundsätzliches Henne-Ei-Problem: Ohne ausreichende Ladeinfrastruktur gibt es keine E-Lkw und ohne ausreichend viele E-Lkw auf Straßen errichtet niemand eine passende Ladeinfrastruktur. Bis dato gibt es außer vagen Herstellerzusagen kein „Verbrenner-Verbot“ der EU bei Lkw. Bei der Ladeinfrastruktur zeichnet sich nur eine dürftige Mindestabdeckung auf Autobahnen und Schnellstraßen durch EU-Vorschriften ab. Ein großer Wurf bei der Ladeinfrastruktur für regionale Güterverkehre und Logistikhubs fehlt überhaupt. 

Schwachpunkt des Masterplans ist, dass er bei der Umsetzung vage bleibt. Eigentlich müssten jetzt schon für die nächsten fünf Jahre verbindliche Vorgaben gemacht werden, beispielsweise für den kleinen Lieferverkehr in Ballungszonen, wo emissionsfreie Fahrzeuge zur Verfügung stünden. Das Ziel, den Lkw-Verkehr im Jahr 2040 auf das heutige Niveau zu begrenzen, bleibt somit völlig offen. Hier bräuchte es eigentlich einen umfassenden Maßnahmenmix, der bei der Umsetzung von Kostenwahrheit, Raumordnung, Regulierung, Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping und Maßnahmenvollzug wirklich alle Register zieht.

Über die Zielerfüllung entscheidet aber nicht die Verkehrspolitik allein, sondern es ist eine grundlegende Änderung unserer Wirtschaftsstruktur notwendig, die das Verkehrswachstum der letzten Jahrzehnte beendet. Darüber hinaus müssen öffentliche Haushalte eine betriebsfähige und nachhaltige Verkehrsinfrastruktur sicherstellen. Gerade das Beispiel Deutschland zeigt, wohin die falsch verstandene Sparpolitik der letzten Jahrzehnte geführt hat: Autobahnen haben eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit, das Schienennetz ist marode und fast alle Schleusen im Netz der deutschen Bundeswasserstraßen sind in einem unzureichendem Erhaltungszustand. Die zentrale Lage Deutschlands als Verkehrsdrehscheibe in der Mitte Europas behindert Österreichs Wirtschaft vor allem im Schienengüterverkehr bei komplexen Lieferketten massiv und ist eine Hypothek bei Verlagerungszielen für einen klimafitten Güterverkehr. 

Ambitionierte Ziele brauchen unverzüglich Taten  

Österreich muss noch einiges unternehmen, um verbindlichen EU-Zielen bei der Reduktion der Emissionen im Verkehr entsprechen zu können. Alternative Antriebe auf der Straße können dazu sicherlich einen Beitrag leisten. Für eine tatsächliche Verkehrswende und für die erforderliche Einsparung der Gesamtenergiemenge im Verkehr braucht es aber mehr. Es muss auf energieeffizientere Verkehrsträger gesetzt werden, die Digitalisierung des Bahnverkehrs sowie der Schieneninfrastrukturausbau müssen forciert werden. Auf der Straße heißt das einen verbindlichen Fahrplan für Dekarbonisierung, der ohne Verzögerung beim Lieferverkehr in Ballungszonen beginnen muss.