Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Bestehende strenge Regeln auch für neue Gentechnik-Züchtungen?

Pro: Allen Versuchen bestehende EU-Gentechnikregeln für die neue Gentechnik aufzuweichen, ist konsequent entgegenzutreten – Sicherheit geht vor. 

Gentechnik Lebensmittel müssen reguliert und gekennzeichnet werden. Die Mehrheit der Konsument:innen steht dem Einsatz von Gentechnik kritisch gegenüber. Damit sie frei wählen können, welche Lebensmittel sie kaufen, braucht es klare Kennzeichnung. Wer gegen den erklärten Willen von Konsument:innen Gentechnikprodukte  ohne Kennzeichung als GVO auf den Markt bringt, riskiert es, deren Vertrauen in Bio- und gentechnikfreie Lebensmittel zu verspielen. 

Um es klarzustellen: Derzeit bestehende Gentechnikregeln sind kein Verbot für Gentechnik in der Landwirtschaft – auch nicht bei neuer Gentechnik. Sie stellen vielmehr die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln, sowie die Vorsorge und Wahlfreiheit für Konsument:innen und Produzent:innen in den Mittelpunkt. Auch bei neuer Gentechnik wird das Erbgut der Pflanze verändert, unabhängig davon, ob ein fremdes Gen eingeführt wird oder nicht. Studien zeigen, dass auch hier unerwünschte Effekte auftreten können. Daher ist ein Risikocheck unverzichtbar, damit fehlerhafte Produkte, z.B. solche die Allergene auslösen, frühzeitig aussortiert werden. Kennzeichnung und lückenlose Rückverfolgbarkeit sind für die Wahlfreiheit und die Zuordnung von möglichen Schäden wichtig. Ernährung ist ein hochsensibler Bereich, der höchste Sicherheitsstandards erfordert. Aus AK-Sicht sind die jetzigen Regeln – nämlich strenge Risikoabschätzung und Rückverfolgbarkeit mit GVO-Kennzeichnung – die einzig geeigneten Maßnahmen, Konsument:innen adäquat zu schützen.

Con: Die unterschiedlichen Methoden lassen kein „One size fits all“ zu. Daher braucht es einen wissenschaftlichen und transparenten Dialog 

Bei den neuen Züchtungsmethoden handelt sich um keine einheitliche, sondern um eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien. Einige davon kommen den gentechnischen Veränderungen, wie sie in der Richtlinie 2001/18/EG geregelt sind, sehr nahe. Andere unterscheiden sich in ihrer Methodik wenig von klassischer Züchtung. 

Wo sollte man also die Linie ziehen? Eine Antwort bietet die Richtlinie selbst: Demnach handelt es sich um Gentechnik, wenn das genetische Material eines Organismus so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. Wird also keine fremde Erbsubstanz eingebracht, wären die Methoden keine Gentechnik. Bei mutagenetischen Verfahren (z.B. einzelnen Formen von Crispr/Cas9) werden keine fremden Gene in die DNA eingeführt. Gemäß der Formulierung wären sie keine Gentechnik. Aber gerade Crispr/Cas9 zeigt klar, dass jede Methode einzeln zu beurteilen ist. Saatgut Austria begrüßt daher den von der EU-Kommission initiierten Dialog. Denn zweifellos bergen einige dieser Verfahren Potenziale für die Landwirtschaft, etwa bei der Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten sowie gegen Hitze und Trockenheit. Werden sie nicht als Gentechnik eingeordnet, sollten sie aber keinesfalls patentierbar sein. Nur dann können sie zur Lösung künftiger Herausforderungen und zur Reduktion des Ressourceneinsatzes beitragen.