Schwerpunkt
Recht auf Wasser
Interview: Brunnenvergifter unterwegs
Worum geht es im „Fall Korneuburg“?
Burtscher: Undichte Leitungen und Abwasserbecken bei dem in Leobendorf angesiedelten Pestizidhersteller Kwizda-Agro führten zu einer massiven Grundwasserkontamination mit Pestiziden. Anrainer beobachteten massive Verkrüppelungen ihrer mit Grundwasser gegossenen Gartenpflanzen. Das damals schon bekannte Insektizid Thiamethoxam konnte diese Schäden nicht erklären. Das rief den ORF Schauplatz und GLOBAL 2000 auf den Plan. Diese untersuchten das Wasser umgehend und entdeckten den Unkrautvernichter Clopyralid. Die Pestizidkontamination lag 570-fach über dem bislang höchsten in Österreich gemessenen Grenzwert.
Wer sind die Betroffenen? Müssen sie sich fürchten?
Burtscher: Anrainer mit Hausbrunnen, die das Grundwasser nutzten, wurden zuerst gar nicht und später irreführend informiert. Über mögliche schädliche gesundheitliche Auswirkungen für Menschen, die das bis zum Tausendfachen des Trinkwassergrenzwerts kontaminierte Wasser konsumierten, liegen widersprüchliche Einschätzungen vor: Ein von der Bezirkshauptmannschaft beauftragtes Gutachten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES bescheinigt dem Wasser sogar bei 2000-facher Grenzwertüberschreitung gesundheitliche Unbedenklichkeit, sogar für Säuglinge. Eine von der Stadt Korneuburg beauftragte Untersuchung des kontaminierten Wassers mithilfe von Test-Organismen und menschlichen Zelllinien fand hingegen mehrfach Hinweise auf gesundheitliche Risiken. Die Autoren raten von jeglicher Nutzung des kontaminierten Wassers ab. In kleiner Menge, aber über dem Grenzwert, sind diese Pestizide auch in die Trinkwasserversorgung für die Gemeinden des Rußbachtals, welche rund 50.000 Menschen mit Trinkwasser beliefert, gelangt.
Was ist der Stand der Dinge?
Burtscher: Recherchen von GLOBAL 2000 zeigten, dass aufgrund mangelnder Sicherheitsauflagen und Kontrollen über Jahre hinweg riesige Mengen an Pestiziden unentdeckt in das Grundwasser gelangen konnten. Weiters wurden aufgrund mangelhafter Untersuchung des belasteten Grundwassers das Ausmaß der Kontamination zwei Jahre lang nur teilweise entdeckt und in diesem Zeitraum Hunderte Kilogramm des giftigen Clopyralid in den Donaugraben gepumpt. Eine sachgemäße und gesetzeskonforme Entsorgung dieser Pestizidmengen hätte Millionen Euro verschlungen ... GLOBAL 2000 erstattete Mitte Februar Anzeige gegen Behörden des Landes Niederösterreich und des Bezirks Korneuburg wegen des Verdachts auf Beitragstäterschaft zur Gefährdung von Umwelt und Gesundheit.