Editorial: Alternative oder Utopie?

Angesichts der aktuellen Krisen in und rund um Europa stellen sich brennende Fragen: Wie gelingt es, Arbeitslosigkeit und wachsende Armut zu überwinden? Wie können Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenländern menschlich behandelt und aufgenommen werden? Sollen bessere Chancen auf den transatlantischen Absatzmärkten mit der Aufgabe europäischer Gestaltungsspielräume in Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik erkauft werden? Kann der Klimawandel gebremst und können seine Folgen bewältigt werden? Die Antworten der herrschenden Lehre auf diese Fragen folgen der neoliberalen Logik und versprechen Lösungen durch mehr Wachstum und Flexibilität für die Wirtschaft, durch Sparpakete der öffentlichen Haushalte und setzen auf technischen Fortschritt zur Bewältigung ökologischer Probleme. Nicht zufällig ausgeblendet werden dabei eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung, menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen, die Sicherung demokratischer Teilhabe und gesellschaftlicher Stabilität.

Deshalb sind Alternativen wie die Diskussion über eine sozial-ökologische Transformation, die nicht auf Wirtschaftswachstum, sondern auf ein „gutes Leben für alle“ zielt, so wichtig. Dabei geht es um eine solidarische Gesellschaft, in der das vorrangige Ziel der Politik die Erhöhung der Lebensqualität aller und ein verantwortungsvoller Umgang mit Umwelt und Ressourcen ist. Es ist jedoch ein langer Weg von der  Theorie in den Alltag der Beschäftigten, der Arbeitslosen und Ausgegrenzten und vor allem zur politischen Realisierung des Konzepts. Gutes Leben für alle bedeutet jedenfalls eine Abkehr vom Primat der Ökonomie und eine klare Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen. Und es setzt auf einen handlungsfähigen öffentlichen Sektor. Aber dieser Weg hat starke Gegner, denn die Orientierung am Wirtschaftswachstum sichert die bestehenden Machtverhältnisse und nützt den Investoren und Konzernen – auf nationaler und globaler Ebene. Eine Änderung dieser Machtverhältnisse ist die politische Aufgabe der Zukunft, bei der die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen eine starke Rolle spielen können und müssen.