Editorial: Verräumt, verplant, versäumt
Der Raum, den wir zum Leben brauchen, ist ganz konkret. Wir brauchen Raum zum Wohnen, zum Arbeiten, für Erholung, für Kommunikation, für Mobilität, für Bildung, für Kunst und Kultur, für Landwirtschaft, öffentlichen Raum und nicht zu vergessen persönlichen Freiraum. Aber auch die Natur braucht Raum, Tiere und Pflanzen müssen sich in ihrem eigenen Lebensraum entfalten können. Damit sich die verschiedenen Nutzungsarten nicht in die Quere kommen, gibt es Regeln.
Die Aufgabe der Raumordnung ist es, zwischen den Raumansprüchen von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt einen Ausgleich herbeizuführen. Denn Raum zum Leben ist ein knappes, klar beschränktes Gut. Das merkt man spätestens dann, wenn Wohnraum immer teurer wird. Oder dann, wenn ein neues Gewerbegebiet, ein neuer Staudamm oder eine neue Straße im Widerspruch zum Naturschutz stehen, mehr Verkehr und damit CO2 oder mehr Lärm verursachen. Wir haben in Österreich eine zersplitterte und gleichzeitig stark hierarchische Struktur der Raumordnung. Die zentrale Planungseinheit sind die Gemeinden mit ihren Flächenwidmungen und Bebauungsplänen, die Gesetzgebung liegt bei den Ländern, der Bund ist für wichtige Fachplanungen im Bereich der Infrastruktur (Straße, Schiene, Energie) zuständig. Eine koordinierte Bundesraumordnung oder eine Rahmenkompetenz für den Bund gibt es nicht.
Schon mehrere Bundesregierungen haben sich vorgenommen, das zu ändern, bisher ohne Erfolg. Daher läuft in Österreich viel nach dem Vogel-Strauß-Prinzip. Die Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit knappen Flächen wird auf andere verschoben, die Folgen der Zersiedlung sollen andere tragen. Dass das aber insgesamt zu immer höheren Kosten für die SteuerzahlerInnen, etwa bei der öffentlichen Verkehrserschließung, zu einer immer größeren Umwelt- und Klimabelastung und letztlich zu weniger Lebensqualität führt, wird oft übersehen. Wenn wir Raum für ein gutes Leben für alle wollen – auch für künftige Generationen – dann müssen die bisherigen Versäumnisse der Raumordnung beiseite geräumt werden.