Kommentar: Liberalisierungsprediger
Die EU-Kommission predigt seit Jahren, dass nur durch die Zerschlagung der nationalen Monopole im Schienenpersonenverkehr die Dienstleistungsqualität steigen kann. Mit dem schon 4. Eisenbahnpaket wollte sie vor allem mit der Abschaffung der Direktvergabe endlich „echten Wettbewerb“ herstellen. Auch der Nahverkehr auf der Schiene sollte im Wettbewerb ausgeschrieben werden müssen. Was bedeutet aber Wettbewerb eigentlich, wenn die Infrastruktur staatlich bezahlt und für alle Anbieter diskriminierungsfrei angeboten werden muss, der Nah- und Regionalverkehr als öffentliche Daseinsvorsorge mit öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern bestellt wird und die Kommission verlangt, dass das Risiko für die Fahrzeuge auch der Staat übernimmt? Ganz einfach: Der Wettbewerb kann nur über die Personalkosten laufen, zu Lasten der Beschäftigten. Ganz offen hat die Kommission auch die Ausschreibungspflicht damit argumentiert, dass bei den Konkurrenten der großen Staatsbahnen die Personalkosten deutlich niedriger sind. Wie jedoch mit schlechter bezahlten MitarbeiterInnen, mehr Arbeitsdruck und schlechteren Arbeitsbedingungen die geforderte Verbesserung der Dienstleistungsqualität zu erreichen ist, dazu fiel der Kommission wenig ein. Nicht erklären konnte sie auch, warum in Österreich, wo EU-weit die Menschen am meisten Kilometer jährlich per Bahn zurücklegen, trotz Direktvergabe Qualität und Zufriedenheit im europäischen Spitzenfeld liegen. Nun ist das 4. Eisenbahnpaket im EU-Gesetzgebungsprozess und die wichtige Möglichkeit der Direktvergabe wird mit Einschränkungen erhalten bleiben. Dazu war auf allen Ebenen viel Überzeugungsarbeit notwendig. Aber der Eindruck bleibt, dass es bei der Bahnliberalisierung nicht um die Anliegen der Fahrgäste, und schon gar nicht um die Erhaltung von fairen Arbeitsbedingungen geht, sondern nur um die abstruse Vorstellung eines „freien Marktes“, der den Interessen einiger großer Unternehmen dient. Diese werden sicherlich sofort für ein 5. Eisenbahnpaket lobbyieren.