AK-Studie: S-Bahn mit viel Potenzial
Bleiben die Rahmenbedingungen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gleich, wird der Pkw-Verkehr nach Wien bis 2030 um mehr als 52 Prozent zunehmen. Vor diesem Hintergrund und in Zeiten angespannter Budgets sind nachhaltige Lösungen gefragt. Das Wiener S-Bahnnetz kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Fehlende Verbindungen, unregelmäßige Takte, volle Züge und ein zu gewissen Tageszeiten karger Fahrplan lassen Fahrgäste tatsächlich „auf der Strecke“. Doch im Vergleich zum Ausbau der U-Bahn bietet die S-Bahn mit ihrer bestehenden Schieneninfrastruktur für die Stadt Wien ein kostengünstiges Potenzial zur Schaffung eines innerstädtischen öffentlichen Verkehrsmittels mit sehr hoher Verkehrswirksamkeit.
Bei der Finanzierung der S-Bahn ist zwischen der Infrastruktur und den Verkehrsdiensten (Zugbestellungen) zu unterscheiden. Bei Investitionen in die Infrastruktur übernimmt der Bund 80, das Land 20 Prozent der Kosten – im Gegensatz zur U-Bahn, wo die Kosten zwischen Bund und Land Halbe-Halbe geteilt werden. Ein U-Bahn-Kilometer in Hochlage kostet 120, unterirdisch etwa 220 Millionen Euro. Der Ausbau einer bestehenden S-Bahn-Trasse kommt pro Kilometer hingegen auf 35 Millionen Euro. Die Studie berechnet für die Nutzung des derzeit brachliegenden S-Bahn-Infrastruktur-Potenzials Investitionen von 1,4 Milliarden Euro. In drei Ausbaustufen sollen 34,6 Kilometer Schienen und 15 neue Stationen errichtet werden. Das würde allein durch die Bautätigkeiten über zehn Jahre rund 3.500 Jobs pro Jahr schaffen.
Mehr Zugverbindungen und dichtere Intervalle sind aber nur möglich, wenn die Länder mehr Verkehrsdienste – also Züge – über die so genannte Grundversorgung hinaus bestellen. Im laufenden Verkehrsdienstevertrag (VDV) hat die Stadt Wien S-Bahn-Verbindungen im Umfang von jährlich neun Millionen Euro bestellt. Zum Vergleich: 2014 gingen rund 400 Millionen Euro Zuschüsse an die Wiener Linien.
Im Detail ergibt die Studie folgende Handlungsfelder: An der S80 sollten in der wachsenden Donaustadt auch die Haltestelle „Aspern Nord“ und im Westen noch die „Schönbrunner Allee“ hinzukommen. Die Vorortelinie (S45) sollte nach Süden bis Meidling und entlang der Donau bis zum Praterkai ausgebaut werden. Die überlastete Stammstrecke braucht einen „Bypass“, etwa von Gänserndorf über Stadlau bis zum Hauptbahnhof. Dazu müssten zwei neue Haltestellen gebaut werden: Gewerbepark Stadlau und Rautenweg. Außerdem muss die Stammstrecke zwischen Floridsdorf und Meidling modernisiert werden. Im wachsenden Süden braucht es eine neue S-Bahn nach Oberlaa samt Anbindung an die U1-Verlängerung. Eine neue Station Gräßlplatz an der S60 und die S80 könnte die ursprünglich geplante Verlängerung der U2-Süd ersetzen.
Insgesamt wird für die Planung und die Bestellung des ÖPNV die Einrichtung einer einzigen, die Länder und Verkehrsmittel übergreifenden, Institution empfohlen, die alle wesentlichen Aufgaben des ÖPNV in der Region Wien wahrnimmt. Diese Einrichtung sollte auch die Bestellung der Züge und Buskurse übernehmen. Mit dem im Juni 2016 beschlossenen S-Bahn-Infra-Paket geht die Stadt neue Wege. Doch diese Maßnahmen können nur der Anfang sein.