Interview: Wer von der Krise profitiert, muss auch zahlen
Soll in den Energiemarkt regulierend eingegriffen werden?
Die jüngste Krise ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass die Marktkräfte in solchen Krisensituationen versagen. Dieses Versagen sehen wir ja nicht zum ersten Mal, denken wir an die Finanzkrise oder die Pandemie. Die Antwort auf die Frage ist also „Ja“ und in Wirklichkeit hätten diese Eingriffe in den Markt in der Energiekrise schon viel früher erfolgen müssen. Wir müssen darauf drängen, dass bei den staatlichen Eingriffen die Interessen der großen Mehrheit im Vordergrund stehen und es auch zu einem längerfristigen Strukturwandel kommt, etwa im Steuersystem.
Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung kosten Geld. Wie finanziert man das solidarisch?
In Wirklichkeit zahlen wir uns die Entlastung jetzt selber, weil ein Großteil der Steuergelder aus Massensteuern kommt. Gleichzeitig ist die Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften in Österreich extrem niedrig. Wir werden in den nächsten Monaten massiv darauf drängen, diese Schieflage im Steuersystem zu beseitigen. Leistungsloses Einkommen muss viel stärker besteuert werden, um die breite Masse zu entlasten oder wichtige Infrastruktur zu finanzieren, etwa auch den ökologischen Umbau. Es ist untragbar, dass nach jeder Krise die Vermögensschieflage noch größer wird. Das muss sich ändern!
Was kann die gewerkschaftliche Lohnpolitik zur Stabilisierung des Wohlstands beitragen?
Die österreichische Lohnpolitik ist ein Musterbeispiel für eine langfristige Stabilisierung des Wohlstands einer Gesellschaft. Sie hat auch während der letzten Krisen gut funktioniert. In Zeiten höchster Unsicherheit ist es enorm wichtig, dass Mechanismen wirken, auf die sich die Menschen verlassen können. Parameter der Lohnpolitik dürfen jetzt nicht geändert werden. Klar ist aber auch, dass die Lohnpolitik die Folgen der Teuerungskrise nicht allein schultern kann und es massive staatliche Interventionen braucht, um die ökonomische Situation der Vielen nicht zu verschlechtern. Wichtig ist aktuell, dass die Nachhaltigkeit der Lohnentwicklung erhalten bleibt.
Was ist jetzt für Arbeitnehmer:innen mit geringen Einkommen besonders dringend?
Für viele geht jetzt im wahrsten Sinne ums Überleben und die Sicherung eines würdevollen Lebens. Die Einmalzahlungen und die Valorisierung der Sozialleistungen waren absolut notwendig. Was fehlt, sind aber Maßnahmen, die direkt bei den Preisen ansetzen, wie etwa durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Das Argument mit der Gießkannenförderung lasse ich dabei nicht gelten. Manchmal hat man das Gefühl, dass dieses Argument immer nur ins Treffen geführt wird, wenn es um Arbeitnehmer:innen geht. Bei Förderungen für die Wirtschaft und die Landwirtschaft hingegen gibt es kaum Treffsicherheit und wenig Transparenz.¨