Wissenschaft: Öffi-Anbindung von Österreichs Arbeitsplätzen
Die AK setzt sich bereits seit vielen Jahren dafür sein, dass ihre Mitglieder möglichst sicher, kostengünstig, entspannt und klimafreundlich in die Arbeit gelangen. Die Hälfte der Beschäftigten in Österreich hat einen Arbeitsweg, der pro Richtung mehr als zehn Kilometer lang ist und der länger als 20 Minuten dauert. Ein Viertel muss sogar mehr als eine Stunde für den Weg in die Arbeit aufwenden. Das sind in Summe pro Werktag rund 144 Millionen Personenkilometer, die zu 70 Prozent mit dem Pkw zurückgelegt werden. Dies verursacht gut ein Viertel der CO2-Emissionen des gesamten Personenverkehrs in Österreich. Angesichts der Klimakrise und steigender Treibstoffpreise muss es hier zu einer radikalen Wende kommen.
Warum betriebliches Mobilitätsmanagement?
Bisher wurde viel über den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und eine gerechtere Ausgestaltung des Pendlerpauschales diskutiert; beides langjährige Forderungen der AK. Durch die Einführung der verschiedenen Klimatickets hat sich Öffi-Fahren überdies für viele stark verbilligt. Wenig beachtet wurde bislang die entscheidende Rolle, die Unternehmen bei der umweltgerechten Anreise ihrer Beschäftigten und Kund:innen spielen. Gab es früher zahlreiche Werksbusse, so haben viele Unternehmen diese Verantwortung abgegeben und sich auf den Pkw-Besitz ihrer Beschäftigten verlassen. Angesichts von Arbeitskräftemangel und Klimakrise sollten sich Firmen jedoch wieder verstärkt um die Arbeitswege ihrer Belegschaft kümmern. Betriebliches Mobilitätsmanagement ist ein Gebot der Stunde! Die AK fordert, dass Firmen mit mehr als 50 Beschäftigten zu einem betrieblichen Mobilitätsmanagement verpflichtet werden. Unternehmen sollten dafür sorgen, dass sie für ihre Kund:innen und ihre Belegschaft umweltschonend erreichbar sind.
Um hier faktenbasiert argumentieren zu können, hat die AK Wien beim Institut für Raumplanung (ÖIR) eine Untersuchung über die Öffi-Anbindung der Arbeitsplätze in Österreich in Auftrag gegeben. Das Resultat ist eine interaktive Landkarte, auf der für alle Standorte (Raster von 100 mal 100 Meter) mit mehr als 50 Arbeitsplätzen die Qualität der Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Form von ÖV-Güteklassen eingezeichnet sind.
Was sind ÖV-Güteklassen?
Die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) hat für jede beliebige Örtlichkeit in Österreich erfasst, wie gut die Anbindung mit Öffentlichen Verkehrsmittel ist. Diese Qualität setzt sich aus drei Kriterien zusammen: So wird (1) die Hochrangigkeit des verfügbaren Verkehrsmittels – z.B. Schnellbahn - mit (2) dem mittleren Serviceintervall zwischen 6 und 20 Uhr in Beziehung gesetzt. Als dritter Aspekt fließt noch die Entfernung zu dieser Haltestelle in die Bewertung ein; mit zunehmender Distanz sinkt die Güteklasse ab. Als Ergebnis erhält man Kategorien von A bis G, wobei nur die Güteklassen A („höchstrangige Erschließung“) bis D („gute ÖV-Erschließung“) tatsächlich alltagstauglich sind.
Eine wertvolle Argumentationshilfe
Diese neuartige Landkarte – sowie die dazu gehörige Studie – kann von AK, Betriebsrät:innen und Gewerkschaften dazu genutzt werden, Betriebsstandorte mit schlechter Öffi-Anbindung zu identifizieren, um dort vom Unternehmensmanagement entscheidende Verbesserungen einzufordern: So können Firmen Shuttlebusse zum nächsten Bahnhof organisieren, Fahrgemeinschaften fördern, die Möglichkeiten für Radfahrer:innen verbessern (Abstellplätze und Ladestationen, Duschen) oder auch arbeitnehmer:innenfreundliche Homeoffice-Regelungen zulassen.
Auf der anderen Seite sollte eine gute Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Anlass genommen werden, durch geeignete Maßnahmen (z.B. in dem Unternehmen das Klimaticket als steuerfreies Jobticket anbieten, Arbeitszeiten an Fahrpläne anpassen usw.) mehr Beschäftigte zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu motivieren.
Rund zwei Drittel aller Beschäftigten in Österreich arbeiten an Standorten mit mehr als 50 Kolleg:innen, werden also von dieser Untersuchung erfasst. Bundesweit fallen ca. die Hälfte aller Standorte in die beiden besten Erreichbarkeitsklassen A und B, doch die regionalen Unterschiede sind sehr groß: Während das in Wien für 93 Prozent der Standorte zutrifft, ist dies im Burgenland, Kärnten und Niederösterreich nur bei einem Fünftel der Fall.
Unter den Bezirken mit schlechter Arbeitsplatzanbindung sticht das weststeirische Deutschlandsberg besonders negativ hervor. Gut ein Drittel aller Standorte mit 50 Arbeitsplätzen liegen in folgenden Bezirken außerhalb jeder Öffi-Versorgung: Eisenstadt Land, Güssing, Jennersdorf (alle Burgenland), Villach Land (Kärnten), Wiener Neustadt Land (NÖ), sowie Südoststeiermark. Unter den Gemeinden war Krems/Donau mit 16 größeren Arbeitsplatzstandorten ohne Öffi-Anbindung negativer Spitzenreiter. Dies wurde inzwischen durch eine neue Stadtbuslinie behoben.