Politik
Verpackungssammlung: Doch ein Happy End?
Die Verpackungsverordnung (VerpackVO) ist ein abfallpolitischer Dauerbrenner. Sie ist Musterschauplatz für Diskussionen um die ökonomische und rechtliche Steuerung zu mehr Umweltschutz.
Bemerkenswert ist, dass die „Leitlinien für die Abfallwirtschaft“, die die fachliche Grundlage für das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 1990 gebildet haben, die VerpackVO so, wie sie 1992 erlassen worden ist, noch gar nicht gekannt haben. Sie kannten zwar schon die Idee der „Herstellerverantwortung“, etwa in Gestalt von Produktabgaben oder Stoffverboten, um Problemen bei der Entsorgung eines Produkts vorzubeugen. Aber die Idee eines „kollektiven Systems“ war den Leitlinien fremd und hat so auch nicht ins AWG 1990 Eingang gefunden.
Das „flächendeckende Sammelsystem“, das sich über Entsorgungsgebühren finanziert, war eine echte Erfindung, das ARA-System (Altstoff Recycling Austria) dazu die Erfindung der Wirtschaftskammer (WKÖ). Doch kritisiert hat das damals nur die AK – als ökologisch fragwürdig, verfassungswidrig und wettbewerblich problematisch. Denn es schien für die anderen Stakeholder ein genialer Ausweg (siehe Kasten Seite 11).
Unverantwortlich
Die wichtigste Frage dabei ist bis heute unbeantwortet: Ob die Kunststoffsammlung, die ab 1993 in rasantem Tempo in Österreich hochgefahren worden ist, so überhaupt sinnhaft ist? Schließlich kostet sie jährlich fast 100 Millionen Euro – rund zwei Drittel des ARA-Gesamtbudgets. Dabei machen Kunststoffverpackungen mengenmäßig kaum mehr als zehn Prozent aus.
Die OECD definiert „Extended Producer Responsibility“ (EPR) als Umweltpolitikansatz, in dem die Verantwortung des Herstellers für ein Produkt auf die Post-Consumer-Phase im Lebenszyklus des Produkts erweitert wird. Eine EPR-Politik zeichnet sich aus durch Verlagerung der Verantwortung weg von den Kommunen hin zu den ProduzentInnen und Bereitstellung von Herstelleranreizen zur Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der Produktentwicklung (Ökodesign).
ERP, ab 1985 entstanden, fokussiert nicht einen einzelnen Punkt in der Kette, sondern die Umwelteigenschaften der Erzeugnisse über die gesamte Produktkette.
Die VerpackVO kam kurz danach, war ein Schnellschuss, ist mit Blick auf das damalige Modell DSD (siehe Kasten Seite 12) und die von Seiten der WKÖ artikulierten Wünsche entwickelt worden. Dass die VerpackVO die Umwelt verbessern würde, hat man einfach angenommen. Beweise in Form von Studien gab es nicht - übrigens ebenso wenig für die Recyclingquoten der deutschen VerpackVO oder der EU-VerpackRL.
Das muss nachgeholt werden. EPR macht nur Sinn, wenn die Maßnahme wirklich einen Umweltbeitrag leistet. Hohe Kosten einer Verwertung zeigen, dass viel Ressourceneinsatz nötig ist. Das ist nicht umweltverträglich. Hohe Kosten kann man nur in einer Pilotphase akzeptieren, wenn die Aussicht besteht, dass mit der Zeit die Maßnahme sich selber tragen wird. Die Verwertung von Altpapier oder Altglas ist deutlich billiger als z.B. das Entsorgen von Restmüll. Bei Kunststoffen hat man 20 Jahre Zeit gehabt und ist dem nicht annähernd nahe gekommen.
Die AK fordert, dass diese grundlegenden Fragen gestellt werden. Da geht es nicht nur um naheliegende Einsparungspotenziale, indem man die Mischkunststoffsammlung auf eine Hohlkörpersammlung zurückfährt. So könnten rund 20 Millionen Euro jährlich ohne ökologische Einbuße eingespart werden. Das würde auch den Platz- und Zeitaufwand der KonsumentInnen fürs Abfalltrennen reduzieren. Spätestens seit Erlassung der Deponieverordnung ist es Unfug, dass rund 60 Prozent der im „Gelben Sack“ gesammelten Kunststoffe schlussendlich doch in die Verbrennung gehen, genau wie der Restmüll, manchmal sogar in den gleichen Ofen. Das missachtet die Mitmachbereitschaft der KonsumentInnen und könnte auch schnell zu einer Gegenreaktion führen, abgesehen davon, dass diese Abfälle teilweise noch immer händisch sortiert werden müssen.
Nach zwanzig Jahren VerpackVO darf auch gefragt werden, ob die aufgewendeten Mittel angemessen im Vergleich zu andern Formen des CO2-Sparens sind? Kunststoffverwertung rechtfertigt sich aus dem eingesparten CO2. Es könnte sich leicht herausstellen, dass ein Teil der Mittel etwa besser bei der Förderung der thermischen Gebäudesanierung eingesetzt ist.
Dass es trotz Deponieverordnung seit 2008 nicht zu Anpassungen der Sammlungen gekommen ist, zeigt auch die zweite große Schwäche der VerpackVO. Sie hat nie Anreize enthalten, um die Verpackungssammlung mit den anderen kommunalen Sammlungen, insbesondere der Restmüllsammlung, sinnvoll abzustimmen. Dabei ist das wegen der Wechselwirkungen dringend nötig. ARA hatte offenbar kein Interesse daran, was seltsam ist, da man annehmen könnte, dass ein System der Wirtschaft Einsparungspotenziale offensiv verfolgt. Darum fordert die AK eine verpflichtende Abstimmung mit den kommunalen Sammlungen. Bisher hätte diese im Wege der Verträge zwischen ARA und Kommunen stattfinden sollen – so die Theorie. Doch Verträge sind der falsche Weg, um öffentliche Interessen zu verfolgen. Entscheidungen über Art und Umfang der Sammlungen je Region müssen in den öffentlichen Raum geholt und dort von der zuständigen Behörde (BMLFUW) nach festgelegten Regeln entschieden werden. Aus AK-Sicht muss die 1992 erfolgte Privatisierung dieser Gestaltungsaufgabe zurückgenommen werden.
EPR ist nur gerechtfertigt, wenn Umweltziele nicht bloß effektiv, sondern auch effizient erreicht werden. Die Politikpapiere der OECD empfehlen individuell wirkende Instrumente wie produktbezogene Abgaben und Subventionen. Kollektive Instrumente wie Rücknahmesysteme (etwa aufgrund der VerpackVO) werden eher „durchwachsen“ gesehen, haben weniger Anreiz zu Ökodesign und Kosteneffizienz, auch weil sie immer kartellrechtliches Konfliktpotenzial bieten.
So auch in Österreich! Die EU-Kommission beobachtet etwa seit 2000 die höchst unterschiedlichen EPR-Systeme in den Mitgliedstaaten. Solche gibt es fast überall zu Verpackungen, Elektro- und Elektronikgeräten und Batterien. Ein Working-Paper aus 2004 definiert Grundsätze, denen diese Systeme genügen müssen, denn auch Umweltmaßnahmen dürfen nicht gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstoßen. Einer der Wichtigsten ist die Wahlfreiheit der Lizenzpartner: Wer sich z.B. als Inverkehrsetzer von Verpackungen an solchen Sammelsystemen beteiligen muss, soll unter mehreren Systemen wählen können. Exklusivrechte für ein Sammel- und Verwertungssystem sind besonders problematisch.
ARA war 1992 als Monopol geplant und die WKÖ will das auch so beibehalten. Das hat 2003 zu einer Entscheidung der EU-Kommission gegen ARA geführt: ARA darf die Mitbenutzung der Sammlung durch Mitbewerber nicht verhindern. 2011 hat das der EuGH voll bestätigt. Doch genützt hat es bis jetzt nichts. Bis heute können Mitbewerber die für eine Genehmigung nötigen Verträge mit den ARA-Regionalpartner-Sammelunternehmen nicht vorweisen. Mittlerweile ermittelt die EU-Kommission, ob ARA seine Mitbewerber im Gewerbebereich behindert.
Der vorliegende Begutachtungsentwurf will der Kritik mehrfach Rechnung tragen. Mitbewerber sollen ein Recht auf Mitbenutzungsverträge gegenüber den Regionalpartnern erhalten. Zudem sollen die Mitbewerber auch an den österreichweiten Ausschreibungen der Sammlung beteiligt werden, die ARA bisher nur alleine durchgeführt hat. Dazu soll die Ausschreibungsführerschaft nach Marktanteilen bei der Lizensierung aufgeteilt werden, was – wie in Deutschland – über eine Verlosung laufen soll.
WAS KOMMT?
Leider sind aber die Positionen zu diesen Vorschlägen fast noch immer dieselben wie im Herbst. ARA, WKÖ und alle Dienstleister im ARA-System – dazu gehören die altstoffverwertenden Packstoffindustrien und die Großformen des Handels, die beide überproportional in den ARA-Gremien vertreten sind, aber auch die privaten und kommunalen Entsorger – wollen das gar nicht und fordern, ARA als Leitsystem exklusiv zu beauftragen. Nur Gemeindebund und Abfallverbände, AK und manche Bundesländer stehen dem Entwurf positiv gegenüber. Was kommt, steht in den Sternen.