Leben
Nachhaltige Lebensmittel –wenn das Gute nahe liegt
Das weltweite Ernährungssystem ist derzeit weder sozial noch ökologisch nachhaltig, noch ethisch korrekt. Lebensmittel in der globalisierten Weltwirtschaft heute sind: weit transportiert, industriell verarbeitet, haben zweifelhafte Inhaltstoffe, sind verpackt, werden gelagert, und oft genug unter umweltschädlichen, menschenausbeutenden oder tierquälerischen Bedingungen erzeugt. Die Ungleichheiten der Welt kommen im Ernährungssystem drastisch zur Geltung: Mangel auf der einen Seite, Überfluss und seine Folgen auf der anderen. Noch immer leiden auf der Welt Menschen an Hunger, müssen – vor allem im globalen Süden – sogar daran sterben. Aber auch innerhalb der „reichen“ Länder ist der Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln nicht für alle Menschen gleich gegeben.
Potenziale lokaler Lebensmittelversorgung
Ein direkter Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist der Rückgriff auf das „Naheliegende“. Der Grund dafür ist einfach: Produktion, Transport, Verarbeitung, Lagerung – all das ist ohne globale Produktionsketten besser überschaubar. Die lokale Lebensmittelversorgung fördert die Versorgung der Menschen mit hochwertigen Lebensmitteln, die Stadtökologie sowie das Naturerlebnis der Menschen.
Landwirtschaftliche Produkte für die Stadt
Um zu gewährleisten, dass lokale landwirtschaftliche Produkte wirklich wertvoll im Sinne der Nachhaltigkeit sind, sind Qualitätskriterien wesentlich. Denn Regionalität allein garantiert dies noch nicht. Saisonalität und eine möglichst ökologische Produktionsweise sind wichtige Aspekte. Neben dem ökologischen und „sozialen“ Fußabdruck der Produkte selbst, zählen aber auch die Rahmenbedingungen – beispielsweise dass Gemüse unverpackt in Steigen, oder Säfte in Mehrwegflaschen vertrieben werden.
Direktvermarktung
Damit lokale Produkte tatsächlich zu den Menschen gelangen, braucht es „alltagstaugliche“ Strukturen: von Märkten, auf denen die heimischen Produzent*innen anbieten können, über „Foodcoops“ – also den gemeinschaftlich organisierten Einkauf – bis hin zum „Bio-Kisterl“, das direkt vor die Haustüre geliefert wird. Online-Plattformen wie „stadtlandwirtschaft.wien“ oder Broschüren wie die „Nahrungsquelle Donaustadt“ informieren die Menschen, wo sie (in diesem Fall in Wien) Ab-Hof kaufen können. Kurzum: Direktvermarktung macht den Konsument*innen hochwertige und nachhaltige Produkte zugänglich. Insgesamt muss aber das Kaufverhalten von immer mehr Menschen in diese Richtung gehen, damit auch mehr nachhaltige Produkte angeboten werden, oder es braucht weitere Hebel.
Gemeinschaftsverpflegung
Ein sehr wirksamer Hebel ist die öffentliche Beschaffung. Durch die große Menge der angekauften Lebensmittel kann das Angebot im Rahmen einer strategisch genutzten, kriterienbasierten Beschaffung gemeinsam mit den Produzent*innen Schritt für Schritt verbessert werden – zum Vorteil von Produzent*innen, Konsument*innen und Umwelt. Beispiele für solche Verbesserungen sind Ökologisierungen in der Landwirtschaft oder die kontinuierliche Anhebung der Tierwohlstandards. Die öffentliche Nachfrage sorgt dann für ein zusätzliches Angebot an nachhaltigen Produkten. Davon ausgehend können sich diese auch im Privatsegment stärker durchsetzen. Dass dieses Prinzip funktioniert, zeigen Erfahrungen aus der Stadt Wien (siehe Kasten rechts).
Von Obststädten und Alchemistenparks
Ein weiterer wertvoller Handlungsspielraum für Kommunen sind Projekte, bei denen die Menschen Natur und Nahrungsmittel mit allen Sinnen erleben können. Gemeinschaftsgärten und Obstparks sind Orte des Naturerlebens und „Be-greifens“, des Lernens und der Begegnung. Sie schärfen das Bewusstsein der Menschen. Ein solches Projekt ist die „Obststadt Wien“. Hier pflanzen und pflegen Menschen gemeinsam Obstbäume im öffentlichen Raum. Partnerorganisationen unterstützen, und die Stadt stellt Grundstücke zur Verfügung. Das Obst der Bäume ist für alle da. Ein weiteres schönes Beispiel ist der „Alchemistenpark“ in Kirchberg am Wagram. Obstexpert*innen haben hier gemeinsam mit der Gemeinde einen vielfältigen Permakultur-Erlebnis-Park als Lern-, Genuss- und Verweilort angelegt. Auch hier können alle ernten. Die Vielfalt der Früchte und das jährliche Fest der Obstvielfalt erfreuen die Bewohner*innen und ziehen zahlreiche Interessierte in den Ort.
Gutes Essen für Alle!
Leider sind Menschen in einkommensschwachen Lebenslagen im Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln tendenziell benachteiligt. Initiativen wie FAIRteiler-Kühlschränke zur Lebensmittelweitergabe, aber auch die „Früchte“ von Projekten wie der Obststadt oder des Alchemistenparks können helfen, diese Versorgungslücke zumindest ein Stück weit zu schließen.
Ob Obstpark, Beschaffungsstrategie oder Förderung der Lebensmittelweitergabe – in jedem Fall gilt: die Förderung lokaler Lebensmittelversorgung braucht politischen Willen.