Betrieb
Wr. Neudorf IZ Süd - Erreichbarkeit verbesserungswürdig
Erreichbarkeit ist das zentrale Thema, wenn es um die Auswahl des Wohn- und Arbeitsortes geht oder um die Entscheidung, einen Firmensitz zu gründen. Die österreichische Raumordnungskonferenz analysiert die Erreichbarkeit von regionalen und überregionalen Zentren in unregelmäßigen Abständen. Letztes Jahr wurde auf Datenbasis des Jahres 2016 die Analyse veröffentlicht (ÖROK-Erreichbarkeitsanalyse 2018, Analysen zum ÖV und MIV, 2018).
Gerechnet werden die Prozentanteile der Bevölkerung, die innerhalb von 30 Minuten das nächstgelegene regionale Zentrum und innerhalb von 50 Minuten das nächste überregionale Zentrum erreichen können. Als Verkehrsmittel werden der öffentliche Verkehr (ÖV) und der motorisierte Individualverkehr (IV) miteinander verglichen. Die ÖROK unterscheidet für Niederösterreich drei Typen von Bezirken. Die Statutarstädte mit kurzen Wegen und hohen Erreichbarkeitsgraden, Bezirke im Großraum Wien mit sehr hohen Erreichbarkeitswerten und alle anderen Bezirke, bei denen die Erreichbarkeitsgrade zwischen 40% und 60% liegen. Das IZ Süd liegt im Bezirk Mödling und dieser gehört zur Kategorie Bezirke im Großraum Wien und weist in allen vier Kategorien Erreichbarkeitsgrade von 92,8 bis zu 100 Prozent auf.
Erreichbarkeit und Mobilisierungsgrad
Die ÖROK hat in dieser Publikation aber auch die unterschiedlichen Reisezeiten im ÖV und im MIV mit dem Mobilisierungsgrad korreliert. Je höher die Unterschiede bei den Reisezeiten, desto höher ist der Motorisierungsgrad. Mödling als Bezirk ist hier ein Ausreißer. Mit 678 Pkw pro 1.000 Einwohner ist das beim Motorisierungsgrad immerhin der sechsthöchste Wert (von 20 Bezirken) in Niederösterreich. Rechnerisch sind die Reisezeiten mit dem öffentlichen Verkehr in das regionale und überregionale Zentrum nur 1,2 mal so lang. Bei der Erreichbarkeit des regionalen Zentrums ist das der zweitniedrigste und beim überregionalen Zentrum der viertniedrigste Wert in Niederösterreich!
Neben der Erreichbarkeit der Zentren werden in der Studie auch noch die Erreichbarkeiten der Schulzentren analysiert. Die Untersuchung der Erreichbarkeit der Arbeitsplatzzentren steht aber noch aus bzw. sucht noch einen Auftraggeber!
Dabei sind laut der repräsentativen Umfrage „Österreich unterwegs 2013/14“ insgesamt 24% aller Wege in NÖ Arbeitswege. Die drei AK Länderkammern Burgenland, Niederösterreich und Wien haben eine genauere Auswertung dieser Arbeitswege in Auftrag gegeben, um auch regionale Unterschiede im Mobilitätsverhalten darzustellen. (Siehe auch: Wolf-Eberl, Posch (2018): Arbeitswege und Arbeitszeit – Zeit für mein Leben? Eine Analyse von Mobilitätsdaten von Erwerbstätigen in Österreich, In: Verkehr und Infrastruktur, 61. Wien: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien).
Für das Industrieviertel, in dem der Bezirk Mödling liegt, ist der durchschnittliche Arbeitsweg 21 km weit und 34 Minuten lang. Für die Verkehrsmittelwahl und die Differenzierung der Arbeitsweglänge sind nur Aussagen auf Bundesländerebene möglich. Bei der Verkehrsmittelwahl liegt die Benutzung des Pkw mit einem Anteil von 65% der Arbeitswege weit voran. Der öffentliche Verkehr folgt mit 21% und 13% der Arbeitswege werden zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt.
Beispiel IZ Süd Wr. Neudorf
Das IZ Süd Wr. Neudorf ist das größte Industrie- und Gewerbegebiet in Niederösterreich. Ursprünglich wurde auf der Fläche 1941 das Flugmotorenwerk Ostmark gegründet. Dort wurden für den Kriegseinsatz Flugzeuge zusammengebaut. Auch mit Einsatz von ZwangsarbeiterInnen, die in einer Außenstelle des KZ Mauthausen auf der Fläche untergebracht waren. Die Motoren wurden in der Seegrotte in der Hinterbrühl ebenfalls von KZ-Häftlingen zusammengebaut und dann in Wr. Neudorf eingebaut. An beiden Stätten erinnern Mahnmale an die ZwangsarbeiterInnen. Zu Kriegsende wurde die Anlage durch Bombenangriffe weitgehend zerstört und die Reste von der sowjetischen Besatzungsmacht übernommen und teilweise demontiert. Nach dem Staatsvertrag ging die Liegenschaft in den Besitz von Österreich bzw. Niederösterreich über, das 1962 das Industriezentrum gegründet hat.
Die AK Niederösterreich hat 2017 eine Studie beauftragt, die sich mit der Erreichbarkeit für die ArbeitnehmerInnen auseinandergesetzt und Handlungsempfehlungen abgeben soll, wie die Mobilität abseits des Autos gefördert werden könnte. Neben dem IZ Süd in Wr. Neudorf werden die Industrie- und Gewerbegebiete in Wolkersdorf und Bruck an der Leitha untersucht.
Das IZ Süd ist allerdings das Größte und erstreckt sich über 280 ha und liegt in den Gemeindegebieten von Biedermannsdorf, Guntramsdorf, Laxenburg und Wr. Neudorf. Es wird von der EcoPlus verwaltet. Laut der Homepage beschäftigen 380 Unternehmen 11.100 MitarbeiterInnen. Auf dem Gelände befinden sich alle Brachen sowie ein Postamt, Zollamt und eine Kinderbetreuungseinrichtung.
Siebzehn Straßenkilometer und 13 km Eisenbahngleise erschließen das Gebiet. Im Westen begrenzt die B17 das Gelände und im Norden quert die B11. Im Osten führt die A2 entlang des IZ Süd. Diese hat im Süden und im Norden jeweils eine Abfahrt.
Wiener Lokalbahn
Die Wiener Lokalbahn (WLB) erschließt das Gebiet im Westen. Um die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels für die BewohnerInnen und für die ArbeitnehmerInnen zu fördern, hat die WLB ihre Haltestelle vor ein paar Jahren verlegt und heuer um eine „easymobil Station“ erweitert. Dafür haben die WLB 2019 einen von vier VCÖ Mobilitätspreisen für vorbildliche Projekte in Niederösterreich bekommen.
Es gibt zusätzlich drei Buslinien, die das Industriegebiet flächig bedienen und zwei Buslinien, die nur einige wenige Stationen aufweisen. Haltestellen sind teilweise wettergeschützt, teilweise ohne Gehsteig nur mit Haltstellenstangen markiert. Die Radwege werden zwar ausgenbaut, jedoch ist eine flächenhafte Erschließung noch in weiter Ferne. Die durchgängigen Fußwege konzentrieren sich auf die Hauptverbindungen und sind nicht im ganzen Gebiet flächendeckend ausgebildet. Einen Radweg gibt es nur ein Stück entlang der B17.
Im Jahr 2016 hat die EcoPlus eine MitarbeiterInnen-Befragung durchgeführt. Immerhin haben 1.671 Erwerbstätige geantwortet. Mehr als die Hälfte von ihnen (53%) kommt aus NÖ, 39% wohnen in Wien und der Rest kommt aus einem anderen Bundesland.
Befragung von ArbeitnehmerInnen durch die EcoPlus
In den Kommentaren wird auf die mangelnde Frequenz der Buslinien, die fußgängerunfreundliche Querung der B17 und eine mangelnde Anbindung an die Bahnhöfe Mödling und Wien-Meidling hingewiesen.
Die Autoren der AK Niederösterreich Studie führten Interviews mit Betriebsräten der Betriebe EVO Bus, der Isovolta AG und der Caliqua Anlagentechnik. Bei den ersten beiden überwiegt die Nutzung des Pkw, aber bei der Firma Caliqua kommt rund die Hälfte der ArbeitnehmerInnen mit dem ÖV. Aber auch hier sind die Kritikpunkte das zu geringe Angebot im Busbereich und die unattraktiven Zugangswege mit den fehlenden Gehsteigen. Die Autoren zeigen systematisch, welche Maßnahmen im regulatorischen, planerischen und betrieblichen Bereich umgesetzt werden können.
Im Betrieb selbst könnte ein Mobilitätsmanagement, das an die heutigen Herausforderungen angepasst wird, Lösungen für die betroffenen MitarbeiterInnen bringen. Nachdem die Entstehung des IZ Süd aus den sechziger Jahren resultiert, ist auch die Verkehrsaufschließung der damaligen Logik geschuldet.
Das Gespräch mit den REWE Betriebsräten wurde im Oktober 2019 geführt, um etwaige Veränderungen in den letzten beiden Jahren nicht zu übersehen. Jedoch ist die Situation unverändert und die Forderungen bleiben aufrecht.
Maßnahmen im öffentlichen Verkehr wie der 15 Minuten Shuttle Bus mit Anbindung der Bahnhöfe sowie einheitliche Haltstellen, die wettergeschützt sind, wären neben dem Ausbau der Geh- und Radwege erste wichtige Schritte.