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Algen: Eine grüne Zukunfts-Alternative

In Anlehnung an Werner Bootes Dokumentar-Film stellt sich in den nächsten Jahrzehnten wohl die Frage „Who feeds the world“. Der Ressourcen-Verbrauch ist, vor allem in den Industrieländern enorm. Der von den Ökologen Mathis Wackernagel und William Rees in den 1990er Jahren geprägte Ausdruck des ökologischen Fußabdruckes ist heute relevanter denn je. Im Grunde stünde jedem Menschen auf der Erde laut deren Berechnungsformel eine Fläche von 1,54 ha zur Verfügung. Im weltweiten Durchschnitt nutzen wir aber 2,2 ha. Und genau dort liegt das große Problem. Denn das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Menschen die Erde, die über 11,3 Milliarden ha Land verfügt, jetzt schon eineinhalb mal „verbrauchen“. Untersuchungen der WHO machen deutlich, dass die Ursachen für den Welthunger weniger mangelnde Produktion als ungerechte Verteilung und menschliches Fehlverhalten sind. Jährlich werden 1,3 Mrd. Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. Allein in den Industriestaaten sind das 300 Millionen Tonnen die vernichtet werden. Währenddessen leiden etwa 800 Millionen Menschen an Hunger. Vor allem in den Entwicklungsländern ist jeder neunte durch Unterernährung gefährdet.

Das Ernährungsdilemma

Preiswerte bis allerbilligste Lebensmittel, die jedem und jederzeit zur Verfügung stehen sollen, blenden die damit verbundenen sozialen und ökologischen Probleme aus. Wie in der letzten Wirtschaft und Umwelt thematisiert, hat der durch die industrialisierte Landwirtschaft verursachte enorme Landverbrauch in Verbindung mit dem Einsatz von Pestiziden weitreichende Konsequenzen. Die Verringerung der Biodiversität ist nicht mehr reversibel.  Das gilt sowohl für die Pflanzen- als auch die Tierwelt. Laut dem aktuellen Living Planet Report des WWF sind die Wirbeltierbestände seit den 1970er Jahren um 60 Prozent zurückgegangen.

Auch die Flora verarmt zusehends. Monokultur-Wiesen ohne Blumen, invasive Neophyten (z.B.: Jap. Knöterich, Kermesbeere oder drüsiges Springkraut), begradigte Flüsse ohne Überflutungszonen (Auen) und natürlich Pestizideinsatz sowie der Rückgang von Insekten tragen dazu bei.

Wo aber sollen dann die Lebensmittel herkommen, wenn nicht aus der intensivierten Landwirtschaft? Welche Alternativen hat man zum Wiener Schnitzel, dem Rindfleisch-Burger oder dem Backhuhn?

Vegetarier und Veganer nehmen einen geringen Prozentsatz (ca. 15%) in der österreichischen Bevölkerung ein – Ernährungsalternativen sind aber in jede Richtung herzlich willkommen. 

In fernen Ländern Asiens und Ostasiens aber auch im afrikanischen Raum werden seit jeher auch Insekten gegessen. Als Proteinquelle in „fleischarmen" Regionen sind sie eine willkommene Ergänzung, aber für viele (noch) keine Alternative.

Eine weitere sinnvolle Ergänzung könnte im Urquell allen Lebens liegen – im Wasser. Und zwar sowohl im Meer als auch im Süßwasser. Dort verbirgt sich – teilweise sichtbar, teils unsichtbar für das freie Auge – ein Nahrungsmittel, das schon seit 4500 Jahren im Magen des Homo Sapiens landet. Molekularküchen und Sternenköche machen es teilweise schon vor und servieren Algen (Mikro- und Makro) auf den Tellern. 

Als Tierfutter und Dünger viel zu schade

Aber Algen können deutlich mehr bieten. Das österreichische Umweltministerium hält in seinem letztes Jahr veröffentlichen Klimaaktiv-Bericht fest:  Aufgrund begrenzter Ackerflächen wird die Produktion von Algenbiomasse zur Deckung der steigenden Nachfrage nach Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen immer attraktiver.

Algen, besonders Seetang, werden vor allem in China und Japan als Beilage in Suppen oder als Gemüse verzehrt. Dort werden auch immense Flächen angebaut und abgeerntet. Ein Teil der z.B. in China gewonnenen Algen gehen in die Tiernahrungsindustrie, ein anderer in die Herstellung von Kosmetika. Auch Düngemittel werden vorzugsweise mit Algen aufgebessert.  In Europa fristet die Makroalge sowohl in der Gastronomie als auch in anderweitiger Nutzung noch ein Schattendasein. An der Nordsee, in Irland und Frankreich und in Wales gibt es Zuchtanlagen im Meer. Die Tatsache, dass Algen in Düngemitteln und Tiernahrung sowie Kosmetika eingesetzt werden, weist auf das enorme Potenzial und den möglichen Nutzen hin. Energiewerte, Proteingehalt und Kohlehydrat-Werte sowie eine hohe Spurenelement-Dichte sprechen klar für Algen. (siehe Kasten Seite 24 – Nährwerte) In der Lebensmittelindustrie spielen Algen noch nicht wirklich tragende Rollen – aber, gerade in Österreich haben einige Unternehmen bereits den Grundstein dazu gelegt.

Einige namhafte Firmen* sind: 

  • Algae Pangea (Güssing/Bgld. – Produktion von Mikroalgen)
  • Rohkraft green (Reidling/NÖ. – Forschung & Entwicklung, Spirulix)
  • OMV (Wien, Forschung – Biogas/Biodiesel)
  • Helga (Wien – Getränke/Algenprodukte – bekannt durch „Höhle des Löwen/VOX“)
  • Alchemie Nova (Wien – Algenforschung)
  • BDI – BioEnergyInternational (Graz/Stmk. – Biodiesel-Forschung)
  • EVN – (Maria Enzersdorf/NÖ. – Biokunststoffe aus Algen)
  • Sun Algae – (Internat. Konzern/Hongkong – Vertrieb Wr. Neudorf/NÖ. – Forschung/Tierfutter/Biodiesel/Nahrungsergänzungsmittel)
  • Edoduna – (Bruck an der Leitha/NÖ. – Produktion v. Mikroalgen in Glasröhren/Forschung)

Algen – Vielseitigkeit nutzen

Wie kann man Algen nun züchten und ernten? Dazu gibt es prinzipiell drei mögliche Systemvarianten. Open Pond Systeme sind in Österreich kaum einsetzbar, da sie klimatisch ganzjährig warme Außentemperaturen brauchen. Geschlossene Systeme sind im Gegensatz dazu gut regulierbar und von Umwelteinflüssen wenig betroffen. Zur Kultivierung von Algen in diesen Systemen sind verschiedene sog. „Reaktoren“ entwickelt worden. Da das Vorhandensein von Licht weiterhin unerlässlich ist und eine lebende (=biologische) Substanz angebaut wird, werden solche Anlagen auch „Photobioreaktoren“ genannt. Es gibt viele unterschiedliche Bauweisen hinsichtlich der Reaktorform, am häufigsten kommen dabei Rohr- und Platten-Photobioreaktoren zum Einsatz. 

Die durchsichtigen Glasröhren können sehr steril betrieben werden und sind bereits gut ausgereift. Einzig der relativ hohe Energiebedarf durch das Pumpensystem ist bei dieser Ausführung als Nachteil zu nennen. 

Eine weitere Variante ist das Platten-Rohr-Bioreaktor-System. Hier werden Platten aus Kunststoff oder Glas mit einem Kulturmedium gefüllt, in welchem die Algen dem Licht ausgesetzt werden. Je dünner die Algenschicht gehalten wird, desto besser kann das einfallende Licht genutzt werden. Zusätzlich wird durch eine dünne Schichtführung die Selbstbeschattung verhindert. Die Durchmischung der Algenmasse erfolgt durch den Eintrag von Gas, um immobile Algen auch dem Licht auszusetzen. Alle geschlossenen Systeme weisen eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem Open Pond Anbau auf, welcher vor allem wegen der geringeren Investitionskosten zum Einsatz kommt. 

Insgesamt ist Österreich in der Algenforschung ein Vorreiter in Europa. Gleich 17 renommierte Institute – darunter die BOKU Wien, die IFA Tulln oder das Joanneum Research Graz sowie die FH Oberösterreich, die KFU Graz usw. – forschen an den Nutzungsmöglichkeiten von Algen.

Hier kurz im Überblick wie man Algen einsetzen kann:

  • Nahrungsmittel, Futter- und Lebensmittelzusatzstoffe – Essentielle Fettsäuren, Aminosäuren und Vitamine – Farbpigmente 
  • Energie aus Algenbiomasse 
  • Algen als Düngemittel – Kosmetika und pharmakologisch wirksame Stoffe – Produktion von Biokunststoffen

Weitere Innovationen

Ebenfalls aus Österreich – genauer aus Graz – stammt ein in Deutschland stehendes, einzigartiges Niedrigenergiehaus-Projekt das schon 2013 für Furore sorgte. Das Algenhaus, auch BIQ genannt, wurde auf der Internationalen Bauausstellung in Hamburg präsentiert und stammt von den Grazer Architekten Splitterwerk. Das Gebäude hat eine zweite, grüne Haut und setzt als erstes Gebäude weltweit die Bioreaktorfassade um. In Glasröhren werden auch hier Mikroalgen gezüchtet, die für die Energieerzeugung (Heizung) sorgen. Sie übernehmen gleichzeitig die Steuerung von Licht und Schatten. Diese einzigartige Fassadengestaltung zeigt, wie die Häuser der Zukunft aussehen könnten. Auch wenn diese Systeme noch nicht wirklich marktreif sind und das Projekt in der letzten Zeit etwas in Vergessenheit geraten ist, kann man hier einen durchaus positiven Ansatz im Hinblick auf eine „grünere Zukunft“ im Wohnbau erkennen.