Betrieb

Arbeitszeit und Umwelt: (K)ein Widerspruch?

Die Zielsetzungen die den Anstoß für eine Reduktion der Arbeitszeit geben sind dabei vielfältig. Sie gehen meist über rein wirtschaftliche Aspekte hinaus. Profitieren können – durch eine Verkürzung der Arbeitszeit – davon letztendlich sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte. 

Einerseits fragen sich immer mehr Beschäftigte, inwieweit eine Reduktion der Arbeitszeit zu einem Mehr an Wohlbefinden durch eine verbesserte Work-Life-Balance und einem Mehr an Selbstbestimmung beitragen kann. Andererseits wird eine Reduktion der Arbeitszeit immer häufiger als wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument gesehen, welches zur Lösung gesellschaftlicher Probleme wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, zunehmenden Gesundheits- und Umweltbelastungen sowie zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen kann. 

Jedoch steht eine breite Verkürzung der Arbeitszeit in ihrer Um- und Durchsetzung auch vor einigen Schwierigkeiten. In manchen Branchen haben Beschäftigte aufgrund ihrer niedrigen Einkommen gar nicht die Möglichkeit über eine Reduktion ihrer Arbeitszeit nachzudenken, da sie eher eine Arbeitszeitausweitung aufgrund des damit zusätzlich zu erzielenden Einkommens anstreben (müssen). Dies betrifft insbesondere Niedriglohnsektoren oder Sektoren, in denen es ein hohes Ausmaß an Teilzeitbeschäftigung gibt. Des Weiteren sind die tatsächlichen Effekte einer Arbeitszeitverkürzung, gerade wenn es um „weiche“ Faktoren wie zum Beispiel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Geschlechtergerechtigkeit oder Umwelt geht, zumindest umstritten, da sie stark durch die Ausgestaltung der Arbeitszeitreduktionsmodelle und die individuelle Freizeitgestaltung beeinflusst sind. 

Trotz alledem zeigen österreichische Betriebe immer häufiger, dass es möglich ist, die Arbeitszeit zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. Es lohnt sich daher nicht nur auf medial bekannte Beispiele wie etwa das Altersheim in Göteborg zu schauen, sondern auch einen Blick auf einige der österreichischen Arbeitszeitpioniere zu werfen. 

In Österreich sind bereits seit einigen Jahren Instrumente einer aktiven Arbeitszeitreduktion rechtlich und kollektivvertraglich verankert. Beschlossen und eingeführt im Jahr 2013 im Kollektivvertrag der Elektronik- und Elektrotechnikbranche, ermöglicht die Freizeitoption den Beschäftigten ihre IST-Lohnerhöhung in Freizeit umzuwandeln. Als Lohnbestandteil kann die dadurch gewonnene Freizeit nicht verfallen und muss auf einem zusätzlichen Freizeitkonto festgehalten werden. Im ersten Jahr ihrer Anwendung erhielten die Beschäftigten mit der Inanspruchnahme der Freizeitoption zusätzlich 60 Stunden Freizeit (dies entsprach der damaligen 3%-igen IST-Lohnsteigerung). Nach ihrem nunmehr schon vierjährigen Bestehen erfreut sich die Freizeitoption unter den Beschäftigten und Betrieben zunehmender Beliebtheit. Aus diesem Grund wurde sie in den letzten Jahren auch in weiteren Branchenkollektivverträgen verankert. 

Rechtlich verankert

Neben der Freizeitoption gibt es aber auch ein weiteres rechtlich verankertes Modell der Arbeitszeitverkürzung, welches es ermöglicht, Arbeitszeit zu reduzieren, Flexibilität zu gewährleisten und dazu auch noch zusätzliche Beschäftigung zu schaffen. So können Unternehmen, deren Beschäftigte gern Arbeitszeit reduzieren wollen das „Solidaritätsprämienmodell“ in Anspruch nehmen. Dieses Modell gewährt Unternehmen einen Zuschuss des AMS unter der Bedingung, dass im Ausmaß der reduzierten Arbeitszeit eine neue Arbeitskraft eingestellt wird. Damit soll der Einkommensverlust der Beschäftigten bei einer Reduktion der Arbeitszeit und die Kosten der Neuanstellung einer Ersatzarbeitskraft gemildert und gefördert werden.

Aber die Optionen, Möglichkeiten und die gelebte Praxis beschränken sich nicht nur auf diese kollektivvertraglich oder rechtlich verankerten Modelle. In Österreich gibt es eine Vielzahl weiterer Unternehmen, die neben ihrem eigentlichen Unternehmensgegenstand eine soziale Agenda verfolgen und reduzierte Arbeitszeiten ihren Beschäftigten ermöglichen wollen. Hier reicht die Palette von mittleren Handelsunternehmen bis zu Start-Ups, denen es mit innovativen Arbeitszeitmodellen ein Anliegen ist, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern oder durch solche Modelle Kreativität im und Loyalität dem Unternehmen gegenüber zu fördern.  So existieren in Österreich Betriebe, welche ihre Arbeitszeitmodelle, meist in Form von verkürzten und ausgedehnten Gleitzeitmodellen, an sozialen Kriterien ausrichten und ihren MitarbeiterInnen eine flexiblere und selbstbestimmte Einteilung ihrer Arbeitszeit ermöglichen. Betreuungspflichten für Kinder oder pflegebedürfte Angehörige können damit leichter mit Arbeit und Arbeitszeit unter einen Hut gebracht werden. Die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen erlauben es Unternehmen sogar flexible und individuelle Arbeitszeitregelungen innerhalb des Betriebes zu ermöglichen. So lebt ein Unternehmen aus Niederösterreich bereits das erst unlängst vom WIFO vorgeschlagene Recht der ArbeitnehmerInnen auf Gestaltung des eigenen Arbeitsausmaßes. Individuelle Teilzeitlösungen werden dabei mit dem Recht auf Rückkehr zu den Standardmodellen flexibel und individuell als Recht für alle Beschäftigten im Betrieb angeboten. Die Effekte dieser auf die ArbeitnehmerInnen zugeschnittenen Arbeitszeitregelungen sind oftmals eine gestiegene Arbeitszufriedenheit und eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die Effekte einer reduzierten Arbeitszeit hängen jedoch stark von der Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitszeitmodells und den vorherrschenden Arbeitsbedingungen ab. 
So spielen betriebliche Organisationsformen und Abläufe, die Organisation des Modells an sich, als auch unternehmensspezifische Rahmenbedingungen für die tatsächlichen Effekte einer Arbeitszeitreduktion eine große Rolle. Aus diesem Grund ist es oftmals schwer diese Effekte genau zu beziffern. Dies trifft besonders auf „weiche“ schwer messbare Größen, wie zum Beispiel die Effekte auf Umwelt und Geschlechterrollen, zu. 

Mehr privater Freiraum

Die Ziele einer intakten Umwelt und von Geschlechtergerechtigkeit stehen nicht im direkten Widerspruch mit einer aktiven Arbeitszeitverkürzungspolitik. Sie müssen aber mit weiteren Maßnahmen begleitet werden, um diese Ziele bestmöglich zu erreichen. Im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit ist es daher unter anderem notwendig eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und Pflege sicherzustellen. Hinsichtlich einer intakten Umwelt und des aktiven Klimaschutzes müssen neben einer Verkürzung der Arbeitszeit ebenso weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel eine ökologische und sozial gerechte Steuerreform berücksichtigt werden.  

Aus diesem Grund ist das Instrument einer Arbeitszeitverkürzung im Kontext eines breiteren wohlstandsorientierten, wirtschaftspolitischen Programms zu sehen. Als Teil einer umfassenden Strategie zur Bewältigung der derzeitig vielfältigen Problemlagen in Wirtschaft und Gesellschaft kann und wird eine aktive Arbeitszeitverkürzungspolitik eine Rolle spielen müssen um einerseits Wohlstand gerechter zu verteilen und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und um andererseits die Umwelt zu schützen. Von den Arbeitszeitpionieren, welche mit der Umsetzung von Modellen zur Arbeitszeitverkürzung schon einen Schritt in diese Richtung gegangen sind, kann dabei gelernt werden und ein zweiter Blick in diese österreichischen Vorreiterbetriebe lohnt sich allemal. ¨