Betrieb
Zäh statt fair – Schuhfirmen im Visier
Im Jahr 2014 wurden weltweit zirka 24 Milliarden Paar Schuhe produziert, davon 19,4 Milliarden Paar verkauft. 17 Prozent wurden allein in Europa abgesetzt, das sind bei 740 Millionen EuropäerInnen ungefähr 4,5 Paar Schuhe pro Person. In Österreich werden laut Wirtschaftskammer zirka sechs Paar Schuhe pro Person und Jahr gekauft. 87 Prozent aller weltweit produzierten Schuhe werden in Asien gefertigt. Dennoch hat die Schuhproduktion für die europäische Wertschöpfung keine unerhebliche Bedeutung: So werden nämlich 90 Prozent der innerhalb Europas produzierten Schuhe auch in Europa verkauft und jeder fünfte in Europa verkaufte Schuh wurde auch in Europa gefertigt. In dem EU-Projekt „Change your Shoes“ (CYS) wurden unter österreichischer Leitung der Clean Clothes Kampagne und der Beteiligung von GLOBAL 2000 die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sowie die Transparenz für die KonsumentInnen untersucht und aufgearbeitet. Analysiert wurde außerdem, ob in Schuhen der seit Mai 2015 in der EU geltende Grenzwert für sechswertiges Chrom – Chrom VI – eingehalten wurde.
Verantwortung
In dem Projekt wurden ausgewählte europäische Firmen befragt, welche „menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten“ sie gegenüber ArbeitnehmerInnen (siehe Kasten Seite 23) übernehmen. Von den 29 in Europa ansässigen Firmen haben 13 keine Antwort auf den Fragebogen gegeben. Damit agieren diese Firmen, darunter z.B. Birkenstock, Camper oder Gea/Waldviertler, äußerst intransparent und fallen in die letzte von fünf Kategorien. Auf der anderen Seite der Skala findet sich überhaupt kein Unternehmen, zur Verbesserung gibt es demnach noch viel Luft nach oben. Der zweitbesten Kategorie konnte CYS zumindest drei Unternehmen zuordnen: El Naturalista, Adidas und Eurosko sind „auf gutem Weg“ und zeigen positive Ansätze. Langsam „in die Gänge“ kommen sieben Firmen wie etwa Deichmann und – als am besten bewertete heimische Firma – Legero. Erst sehr zögerliche Schritte und damit in der untersten Kategorie befinden sich Gabor, Geox und Prada sowie für Österreich: Paul Green, Hartjes und Richter.
Ein durchgängiges Problem besteht darin, dass die Unternehmen die Verantwortung an die Subunternehmen abgeben. Es gibt zwar mitunter Beschwerdestellen oder es werden Audits durchgeführt. Oft wird die Beseitigung der Probleme jedoch an die Subunternehmen delegiert und die Unternehmen ziehen sich aus der Verantwortung. Ergebnisse aus der Textilbranche zeigen auch, dass Auditprozesse oft nicht ausreichend sind, vielmehr müssten die „menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten“ in die regulären Geschäftspraktiken übernommen und Teil einer Gesamtstrategie werden. Laut CYS bietet prinzipiell die Struktur der Lieferketten bei der Mehrheit der Unternehmen Möglichkeiten, mehr Verantwortung zu übernehmen. Mangelhaft sind auch die Aussagen der Firmen zur Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen: Teilweise lassen die Unternehmen Gewerkschaften zu, ein aktives Bekenntnis zur Vereinigungsfreiheit – so wie das die UN-Richtlinien vorsehen – gibt es jedoch nur von einem Unternehmen. Die Firmen müssen hier noch viel mehr Anstrengungen unternehmen, um aktiv diesen Zugang zu Arbeitnehmergrundrechten in den produzierenden Ländern zu gewährleisten.
Wenig Wissen
Im Vergleich zur Textilindustrie haben KonsumentInnen recht wenige Informationen über die Produktionsbedingungen von Schuhen und auch deren ökologische Auswirkungen. In einer Befragung von 10.000 europäischen BürgerInnen im Rahmen des Projektes bekennen fast drei Viertel aller Befragten, dass sie wenig bis kein Wissen über die Bedingungen in der Schuhproduktion besitzen. Laut eigenen Angaben geben die ÖsterreicherInnen im Schnitt 205 Euro pro Jahr für Schuhe aus. Zwei Drittel der ÖsterreicherInnen wären bereit, mindestens zehn Prozent mehr für ökologisch und sozial fair produzierte Schuhe zu bezahlen. 63 Prozent aller EuropäerInnen sind der Meinung, die EU soll bei den importierten Waren auch auf die Sicherstellung von Arbeitsrechten achten.
Auch in der Firmenbefragung spiegelt sich die mangelnde Transparenz wider: Es gibt kaum oder nur sehr spärliche Informationen auf den Firmenwebseiten über soziale oder ökologische Standards. Ausnahme sind nur eine Handvoll Firmen wie z.B. Euro Sko: Das Unternehmen veröffentlicht den Code of Conduct, die Liste über ausgeschlossene Substanzen sowie die Liste über ihre Zulieferbetriebe und Ledergerbereien. Für KonsumentInnen ist es im Allgemeinen äußerst schwierig, sich über die Grundsätze der Firmen zu informieren. Besonders bei den österreichischen Betrieben besteht hier viel Aufholbedarf.
Viele KonsumentInnen sehen einen Zusammenhang zwischen „Made in Europe“ und guten Arbeitsbedingungen. Doch allein der Produktionsstandort ist noch kein Hinweis auf die Qualität der Arbeitsbedingungen. So klafft die Lücke zwischen gesetzlichem Mindestlohn und einem Lohn, von dem die eigene Existenz gesichert ist, gerade in Osteuropa oft stärker auseinander als in asiatischen Ländern. In Mazedonien etwa beträgt der legale Mindestlohn 145 Euro monatlich, um halbwegs gut über die Runden zu kommen, würde jedoch eine vierköpfige Familie mindestens 726 Euro zum Leben benötigen. Im Vergleich dazu beträgt in China der gesetzliche Mindestlohn 175 Euro, hier reichen jedoch „schon“ 376 Euro für ein Mindestauskommen.
Im Projekt wurden nicht nur die sozialen Bedingungen in der Produktion, sondern auch die Umweltwirkungen der Fabrikate untersucht. Fleisch- und Lederproduktion hängen zusammen und verbrauchen viele Ressourcen: Für ein Kilo roher Rinderhaut werden 17.000 Liter Wasser, 7,4 kg Getreide und 41 kg Viehfutter benötigt. Aus einer Tonne Rohtierhäute können 200 kg Leder hergestellt werden, dazu benötigt es vor allem viel Wasser und Chemikalien. Leder war lange Zeit das wichtigste Material für die Herstellung von Schuhen, 2008 sank der Anteil erstmals unter 50 Prozent. Plastik und auch Textilien haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.
Gesundheitsgefährdungen
Bei der Ledergerbung kann je nach Vorgehensweise das hoch toxische und karzinogene Chrom VI entstehen. ArbeiterInnen, die Chrom VI ausgesetzt sind, können schwere körperliche Beeinträchtigungen wie Krebs, Schädigungen der Lunge und der Augen sowie Hautentzündungen davontragen. Aber auch für KonsumentInnen ist der Stoff gefährlich und kann bei Hautkontakt zu Allergien und Dermatitis führen und gilt als krebserregend. Seit Mai 2015 ist der Verkauf von Schuhen, die mehr als drei Milligramm Chrom VI pro Kilogramm Leder beinhalten, in der EU verboten. Für das Projekt testete CYS die Schuhe auf diese Chemikalie – das Ergebnis zeigt großteils Erfreuliches: von den 82 getesteten Schuhen überschritt nur ein Schuh den erlaubten Grenzwert, dieser war vom österreichischen Unternehmen Think. Ziel des Projektes war das Thema Arbeitsbedingungen und ökologische Gefahren bei Schuhen prinzipiell zu einem öffentlichen Thema zu machen, da in dieser Branche im Gegensatz zum Textilsektor noch sehr wenig Bewusstsein in der Politik besteht. Auch die KonsumentInnen fühlen sich hier sehr uninformiert. Das Projekt gibt interessierten KonsumentInnen grundlegende Hinweise, welche Schuhfirmen sich etwas mehr engagieren. Damit können Kaufentscheidungen von KonsumentInnen, die auf soziale und ökologische Kriterien achten möchten, erleichtert werden. Mit dieser Bewertung sollen jedoch vor allem die Unternehmen angehalten werden, sich stärker um die Schwachstellen in der Produktion und in der Information der KonsumentInnen zu kümmern. Auch die Politik ist gefordert, vermehrt auf die Einhaltung sozialer Standards zu achten, vor allem innerhalb Europas müssen die Missstände rasch beseitigt werden, hier gibt es stärkere Möglichkeiten der Lenkung und Kontrolle. Weiters könnten durch striktere wirtschaftspolitische Maßnahmen – wie z.B. Einfuhrverbote oder andere Formen von Regulierungen, wenn bestimmte Standards nicht eingehalten werden – Zeichen gesetzt werden, um die Unternehmen zu Änderungen zu veranlassen. ¨