Schwerpunkt

Gold Plating

Interview mit Franz Fischler, EU-Kommissar a. D.: Mehr nationale Kompetenz wäre gut    

Wie kommt bei Ihnen als ehemaliger EU-Kommissar so ein Vorstoß an?

Fischler: Die Spielräume, die in Richtlinien enthalten sind, dienen in erster Linie dazu, auf nationale Situationen möglichst zieladäquat eingehen zu können. Diese sollte man daher nicht willkürlich, sondern zur optimalen Erreichung der Ziele, die in jeder Richtlinie vorgegeben sind, einsetzen. Ebenso sollte bei Mindeststandards das eigentliche Interesse nicht darin bestehen, möglichst „billige“ Lösungen anzustreben, sondern das im nationalen Interesse gelegene Optimum. Da dieses nicht im Vorhinein feststeht, muss darüber jeweils eine politische Debatte stattfinden.

Glauben Sie, dass Österreich gut beraten ist, sich ab sofort und in Zukunft auf das EU-rechtlich Notwendige zu beschränken? Wem nützt das? Wem schadet das?

Fischler: Beim Gold Plating muss man mehrere verschiedene Situationen unterscheiden. Aus meiner Sicht soll das Gold Plating auf jeden Fall dort zurückgeschraubt werden, wo in der österreichischen Umsetzung von EU-Vorschriften ein überschießender bürokratischer Aufwand getrieben wird. Das ist – wie das Beispiel österreichische Almflächenerhebung zeigt – nicht nur unnötig, sondern auch kontraproduktiv. Ebenso sind jene Fälle zu überdenken, wo die österreichische Verwaltung EU-Vorschriften überinterpretiert hat. Wir erinnern uns an die „Jausenbrettl“ Debatte und ähnlichen Unsinn.

Gerade die EU-Skeptiker befürworten einen Rückzug der EU und des EU-Rechts und betonen die Subsidiarität. Wie kommt das bei Ihnen an? Wo sehen Sie eine gute Zukunft für die EU?

Fischler: Subsidiarität ist ein Thema, das in der Europadebatte eine wichtige Rolle spielt. Es ist richtig, dass dieses Thema in der Vergangenheit manchmal vernachlässigt wurde. Es ist aber falsch, jetzt die Subsidiarität zum einzigen EU-Prinzip hochzustilisieren. In der Praxis muss daher das Thema Subsidiarität im jeweiligen Zusammenhang mit einer konkreten Politik diskutiert werden. Mehr nationale und regionale Kompetenz in Fragen der ländlichen und regionalen Entwicklung macht Sinn. Genauso ist es aber notwendig, z.B. beim Wettbewerbsrecht, in der Außen- und Sicherheitspolitik, in den großen Fragen der Digitalisierung und der Folgen des Klimawandels sogar noch mehr Europa zu fordern.

Welche Kriterien wünschen Sie Sich für das geplante Vorgehen der Regierung?

Fischler: Das wichtigste Kriterium ist die Beurteilung des Mehrwertes, der je nach Zuständigkeit entsteht. Dann sind auch die Kosten und der bürokratische Aufwand zu berücksichtigen, der entsteht, je nachdem auf welcher Ebene eine Politik wahrgenommen wird.